Abschiebung nach Afghanistan: Flüchtling wieder zurückgeholt
Vor drei Monaten wurde ein Afghane von der Bundesregierung zu Unrecht abgeschoben. Nun kam er auf gerichtliche Weisung zurück.
Die Flüchtlingsorganisation Bündnis Bleiberecht Tübingen kritisierte, in Bulgarien sei er damals „unter Schlägen“ zur Ausreise in sein Heimatland gezwungen worden. Bereits am 22. September hatte allerdings das Verwaltungsgericht Sigmaringen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dazu aufgefordert, den afghanischen Flüchtling nach Deutschland zurückzuholen.
Am Dienstag erklärte das Bamf, dass dem Afghanen nach seiner Rückkehr nach Deutschland keine Abschiebung nach Bulgarien drohe, wie es die Dublin-Verordnung eigentlich vorsieht. Stattdessen übernehme die Bundesrepublik das Asylverfahren.
Das Tübinger Bündnis Bleiberecht begrüßte die Bamf-Entscheidung. „Aufgrund der Berichte über Gewalt, Inhaftierung und menschenrechtswidriges Verhalten von Behörden in Bulgarien bleiben wir bei unserer Forderung, dass niemand im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Bulgarien zurückgeschoben werden darf“, sagte Bündnismitglied Andreas Linder.
„Das Bamf hat mir gegenüber angedeutet, die Rückführung und die Visumserteilung begründeten die Zuständigkeit Deutschlands“, sagte F.s Anwalt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum Kurswechsel der Behörde. „Aber wenn Sie mich fragen, hat die ganze öffentliche Aufregung schon ihre Wirkung gezeigt.“
Kritik gab es auch von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, die dem Bamf „Pannen“ bei F.s Asylverfahren vorwarf. Diese hätten zu der rechtswidrigen Abschiebung des Afghanen geführt, hieß es in einer Pro-Asyl-Erklärung vom Donnerstag. Rechtswidrig seien Abschiebungen dann, wenn diese ohne rechtskräftige Gerichtsentscheidungen in Gang gesetzt würden.
Zu unsicher für Abschiebungen
Deutschland hatte im vergangenen Jahr ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan geschlossen. Im Dezember 2016 wurde mit ersten Sammelabschiebungen begonnen. Im Rahmen des Abkommens sollen nach Angaben von Bündnis Bleiberecht über 200.000 Menschen aus der Europäischen Union nach Afghanistan abgeschoben werden.
Abschiebungen in das Krisenland werden wegen der dortigen Sicherheitslage und immer wieder von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR betonte in mehreren Berichten, dass jedem afghanischen Flüchtling aufgrund des gewaltsamen Konflikte in Afghanistan und der hohen Zahl ziviler Todesopfer zumindest ein subsidiärer Schutzstatus zustehe.
Die derzeitige Linie der Bundesrepublik ist, nur Straftäter, sogenannte Gefährder und Identitätstäuscher an den Hindukusch zurückzubringen. Eine Neubewertung soll auf Grundlage des nächsten Berichts des Auswärtigen Amts zur Sicherheitslage in Afghanistan getroffen werden, der noch aussteht.
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