Abschiebepläne der Bundesregierung: Faesers Aktionismus
Schärfere Abschiebe-Regeln nützen den Kommunen gar nichts: Denn der größte Teil der nach Deutschland Geflüchteten ist schutzberechtigt.
W ieder mal soll die deutsche Abschiebepraxis verschärft werden. SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser will längeren Ausreisegewahrsam ermöglichen und der Polizei erlauben, weitere Räume in Flüchtlingsheimen zu betreten. Damit löst die Bundesregierung ein, was sie Ländern und Kommunen beim sogenannten Flüchtlingsgipfel versprochen hatte, nachdem diese zuvor monatelang geklagt hatten, sie seien überfordert von der Flüchtlingsaufnahme.
Doch das Versprechen war schon damals Quatsch: Schärfere Abschieberegeln werden die Belastung der Kommunen nicht mildern. Denn das eine hat mit dem anderen fast nichts zu tun. Der allergrößte Teil derjenigen, die nach Deutschland fliehen, ist schutzberechtigt und wird aus gutem Grund nicht abgeschoben. In den vergangenen Jahren flohen Millionen Menschen nach Deutschland – doch bundesweit gibt es derzeit nur rund 280.000 Menschen, die ausreisepflichtig sind. Und von ihnen sind knapp 220.000 derzeit geduldet.
Das heißt, sie müssen Deutschland zwar eigentlich verlassen, können aber gar nicht abgeschoben werden, etwa weil sie schwer krank und nicht transportfähig sind oder ein Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis hat. So bleiben etwa 50.000 tatsächlich Ausreisepflichtige; nach manchen Berechnungen sind es noch deutlich weniger. Dass deren schnellere Abschiebung an der Überforderung der Kommunen etwas ändern wird, ist unwahrscheinlich.
Wenn Faesers Vorschläge absehbar fast keinen Effekt auf die Lage in den Kommunen haben werden, was verbirgt sich dann hinter den Plänen? Die Innenministerin glaubt wohl, mit Aktionismus all denen ihr Momentum zu nehmen, die beständig nach der Verschärfung der Asylpolitik rufen. Auch Faesers Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl in Hessen dürfte eine Rolle spielen. Doch die Rechten zu bekämpfen, indem man selbst weiter nach rechts rückt, hat noch nie funktioniert. Ganz im Gegenteil: Statt diejenigen ruhigzustellen, die eigentlich das Asylrecht gleich ganz abschaffen wollen, dürften Faesers Pläne deren Eifer und Reichweite nur noch weiter befeuern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus