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Ablehnung der Ehe für alleUS-Standesbeamtin inhaftiert

Homosexuellen will sie keine Trauscheine ausstellen. Dafür wurde US-Standesbeamtin Kim Davis eingesperrt – was sehr unterschiedliche Reaktionen auslöste.

Kim Davis im Gerichtssaal. Von hier aus ging es ins Gefängnis. Foto: reuters

Washington afp | Ihr hartnäckiger Widerstand gegen die Ehe für alle hat eine Standesbeamten in den USA hinter Gitter gebracht. Weil sie Homosexuellen im US-Bundesstaat Kentucky aus Glaubensgründen partout keine Trauscheine ausstellen will, wurde Kim Davis am Donnerstag inhaftiert. Unterstützung erhielt die 49-Jährige von republikanischen Präsidentschaftsbewerbern.

Davis wurde örtlichen Medienberichten zufolge am Donnerstag aus dem Gerichtssaal abgeführt, nachdem die der Apostolischen Kirche angehörige Frau dem Richter gegenüber angab, eine Trauung gleichgeschlechtlicher Paare sei gegen ihren Glauben. Bundesrichter David Bunning sagte laut dem Sender ABC, Davis werde freigelassen, wenn sie sich an die Anordnungen halte, auch Trauscheine für schwule und lesbische Paare auszustellen.

In einem historischen Urteil hatte der Supreme Court Ende Juni die Ehe für alle überall in den Vereinigten Staaten erlaubt. Die Obersten Richter erklärten Verbote von gleichgeschlechtlichen Eheschließungen in einer Reihe von Bundesstaaten für verfassungswidrig. Der Widerstand gegen die Ehe für alle ist in konservativ geprägten Gegenden im Mittleren Westen und im Süden der USA aber weiter groß.

Kentuckys Gouverneur hatte im Juli alle Standesbeamten in seinem Bundesstaat angewiesen, sich dem Urteil zu fügen. Davis setzte sich über die Anordnung hinweg und berief sich dabei auf ihren christlichen Glauben. Ein Bundesrichter befand allerdings, dass religiöse Überzeugungen sie nicht von ihren Amtspflichten entbinden. Zuletzt scheiterte Davis am Montag mit ihrem Einspruch vor dem Supreme Court.

„Mach‘ Deinen Job!“

Doch die Standesbeamtin blieb uneinsichtig. „Mein Glaube kann von mir nicht losgelöst werden“, sagte sie am Dienstag, als sie homosexuellen Paaren erneut die Trauung verweigerte. „Ich bin gewillt, die Konsequenzen zu tragen, so wie ihr alle Konsequenzen tragen müsst, wenn die Zeit des jüngsten Gerichts kommt.“

Vor dem Gerichtsgebäude in Ashland versammelten sich am Donnerstag Befürworter und Gegner der Ehe für alle. Einige riefen „Bleib stark“, während andere skandierten „Mach‘ Deinen Job!“

Davis ist zu einem Symbol für den Kampf zwischen Moderne und Konservatismus in den USA und zwischen dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf freie Religionsausübung und anderen Gesetzen geworden. Sie selbst sagt, sie habe keine Vorurteile, aber ihr Glaube übertrumpfe alles. „Ich liebe meinen Herrn und muss ihm und dem Wort Gottes gehorsam sein“, sagte Davis. Für sie gehe es nicht um eine Frage zur Homosexualität, sondern „um Ehe und das Wort Gottes“.

Sie ist eine „Wiedergeborene“

Kritiker werfen Davis Bigotterie und Scheinheiligkeit vor, da sie selbst drei Mal geschieden und nun zum vierten Mal verheiratet sei. Das war allerdings bevor Davis vor vier Jahren den evangelikalen Christen beitrat, die sich als „Wiedergeborene“ ansehen.

Davis‘ starre Haltung rief auch mehrere republikanische Präsidentschaftsbewerber auf den Plan, die sich selbst und andere US-Christen oft als von einer säkularen, „politisch korrekten“ Gesellschaft verfolgt bezeichnen. „Heute hat die Regierung zum ersten Mal überhaupt eine Christin festgenommen, weil sie nach ihrem Glauben lebte“, erklärte der Senator von Texas, Ted Cruz.

Der einstige Baptistenprediger Mike Huckabee sprach von einer „Kriminalisierung des Christentums in diesem Land“. Auch die Präsidentschaftsbewerber Scott Walker und Rand Paul sprachen Davis Unterstützung aus.

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14 Kommentare

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  • Wieso wird eigentlich immer von "Ehe für alle" geredet? Muss man es den Kramp-Karrenbauers der Welt so leicht machen, Homoehe mit Inzest und Polygamie gleichzusetzen?

    • @AlexA:

      Naja, also zum einen ist der Begriff wohl eine Replik auf die unsäglich homophoben selbsternannten "Demo für alle"-Veranstaltungen.

      Und zum anderen bedeutet Ehe doch heutzutage einfach eine idealiter auf Liebe basierende, manchmal mit Kindererziehung verbundene, staatlich sanktionierte Lebensgemeinschaft zweier zuvor nicht verwandter Menschen, die gewisse Rechte und Pflichten mit sich bringt. Die Zusatzkonditionen wie "Kinderproduktion durch die Eheleute", die Konservative so gern gegen die "Homoehe" zur Bedingung machen, sind ja offensichtlich keine, da auch jetzt schon 70jährige oder unfruchtbare Heteros heiraten dürfen.

       

      DIESE Option soll es also für alle geben. Inzest, Polygamie o.ä. sind nicht Teil dieser Definition, und würden daher auch mit einer Eheoption für alle zu keiner werden. (Obwohl man ja durchaus in Zukunft mal darüber nachdenken könnte.)

       

      Ihr Argument ist also, pardon, blanker Unsinn - wie all jene Pseudoargumente vom Schlage der "Wenn die Homos heiraten dürfen, kann man ja auch bald seinen Hund ehelichen." (Kann man übrigens auch auf die Heteros anwenden, um die Ehe gleich ganz abzuschaffen. Denn wer weiß, wenn DIE heiraten dürfen, kann man ja auch gleich seinen Hund, oder Bruder... Sie versteh'n schon.)

  • In den Niederlanden gibt es auch 14 Jahre nach Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe noch etwa 100 sog. "Weiger-Beamte", die keine Homosexuellen trauen. Dort scheint man damit umgehen zu können, dass nicht jeder Mitarbeiter sein Mäntelchen nach dem Wind hängt - zumal in den Niederlanden die Eheöffnung - anders als in den USA - demokratisch legitimiert ist.

     

    Mal zum Nachdenken: Was sollen eigentlich Ärzte machen, wenn ein Parlament beschließt, dass Jedermann das Recht auf Sterbehilfe von ihnen hat?

    • @Oliver Meineke:

      Genau, weil zwei liebende Menschen zu trauen ja auch total vergleichbar ist damit, jemanden um die Ecke zu bringen. :eyeroll:

      Und weil die Verfassung der USA mit ihren Checks and Balances zwischen Congress, President und Supreme Court ja auch ein böse tyrannisches System ist.

      Und weil gleiche Rechte ja auch sowas von "Mäntelchen nach dem Wind hängen ist." Wo kommen wir da hin, am Ende beschließt noch irgend so ein hipper säkularer Zeitgeistler, dass Frauen oder Schwarze gleichwertige Wesen sind.

       

      Beten Sie doch Ihren unsichtbaren Freund an, wo Sie lustig sind. Wenn Sie deshalb Ihren Job nicht machen können, sollten Sie sich einen anderen suchen. Was ist das für eine Welt, wo jede/r Standesbeamte, Polizist oder Arzt Sie willkürlich als Bürger zweiter Klasse behandeln darf, je nachdem, welchem Geisterwesen er oder sie gerade anhängt.

  • Danke an Volatile für seine Detailinformationen. Ein Beamter hat nicht eine religiöse Mission, sondern eine vom Gesetz definierte Funktion aus zu üben. Mein Notar mag mit meiner Entscheidung persönlich nicht einverstanden sein, seine Funktion ist, zu garantieren, daß alles im gestzlichen Rahmen geschieht. Mit Glauben kann man alles und mehr rechtfertigen...

  • Niemand muß gegen sein Gewissen handeln. Das gilt auch für Staatsdiener. Die Frau hat sicher einen Amtseid abgelegt, aber das war zu einer Zeit, als es die Homo-Ehe noch nicht gab.

     

    Schlimmstenfalls (bei entsprechender Auslegung) hat die Frau in diesem Bereich die Arbeit verweigert. Damit wäre so umzugehen wie es auch in der Privatwirtschaft üblich ist. Das beideutet, daß eine Entlassung möglich wäre, mehr aber nicht. Wenn stattdessen eine Inhaftierung erfolgt, erhält der Job der Frau den Charakter von Zwangsarbeit.

     

    Wir können die Sache auch noch weiter denken. Was wäre, wenn ein Gesetz verabschiedet wird, wonach es zum Job gehört, menschenrechtswidrig zu agieren? Was wäre, wenn kein Gericht ein solches Gesetz kippt? Will man dann jeden wegsperren, der sich weigert, seine Mitmenschen menschenrechtswidrig zu drangsalieren?

    • @wxyz:

      "Was wäre, wenn ein Gesetz verabschiedet wird, wonach es zum Job gehört, menschenrechtswidrig zu agieren?"

       

      Es ist ja gerade umgekehrt. Das Gesetz soll die Menschenrechte von Homosexuellen durchsetzten und sie weigert sich, es umzusetzen. Und befiehlt auch ihren Untergebenen, dies zu tun. Religion kann doch kein Vorwand sein, gegen Menschenrechte zu verstoßen. Da könnte man ja auch hingehen und sagen, dass das Köpfen von Unschuldigen durch den IS halt zu der Religion dieser Leute gehört und toleriert werden muss.

       

      Übrigens. Wenn der Job gegen ihr Gewissen verstößt, kann sie ja einfach kündigen. Das tut sie aber nicht, weil sie in der Position die Rechte von Homosexuellen in einem ganzen Bezirk beschneiden kann.

  • Z.B. die Washington Post bietet noch wichtige weitere Details zum Verständnis: (1) Sie hat eine Leitungsposition und weist auch ihre angestellten Mitarbeiter an, keine solchen Heiratsurkunden zu unterschreiben. (2) Die Konsequenz ist, dass schwule Paare in einen anderen Bezirk fahren müssten, einen, in dem kein weiterer Christidiot sitzt. (3) Ein Kompromissangebot, welches vorsah, dass sie selbst keine Schwulenhochzeiten zu unterschreiben braucht, dies aber ihren Mitarbeitern erlauben muss, schlug sie aus. (4) In Ihre Position wird man gewählt, daher kann sie nicht einfach entlassen werden. Das Amtsenthebungsverfahren ist sehr aufwändig. (5) Solange sie weggeknastet ist (und natürlich wenn sie dem Kompromiss zusagt), können ihre Mitarbeiter die Trauungen vornehmen.

     

    Von daher halte ich das Vorgehen der Justiz in diesem Fall für sehr nachvollziehbar. Am einfachsten wäre aber natürlich, wenn man sie leichter aufgrund ihrer Pflichtverletzungen ihres Amtes entheben könnte. Auf keinen Fall kann man das durchgehen lassen. Wo wäre sonst die Grenze? Verbot der Trauung von Christen mit Nicht-Christen? Verbot von Paaren verschiedener Hautfarbe?

  • Leute wegen Dummheit wegzusperren klingt nun auch nicht gerade schlau. Man kriegt wie so oft das Schmunzeln nicht ausm Gesicht, wenn's um's beste Land der Welt geht.

  • Wie man auf die Idee kommt, sie einzusperren, ist mir nicht ganz klar... Amerika ist halt manchmal doch das Bayern der westlichen Welt, die Uhren gehen etwas anders :-D Aber wer seinen Job nicht macht, fliegt halt einfach raus und arbeitet fortan nicht mehr als Standesbeamtin. Wird sich schon jemand finden, der das stattdessen macht...

    • @Co-Bold:

      Die englischen Medien bieten noch ein paar mehr Details. Insbesondere kann man kann ihr nicht einfach kündigen, da sie gewählt wurde. Das Amtsenthebungsverfahren ist sehr aufwändig. Wenn, dann müsste sie schon zurücktreten.

      • @volatile:

        Vielleicht klappts ja mit dem "freiwillig" Zurücktreten nach der Beugehaft. Zu wünschen wäre es!!

         

        Ich würde jedenfalls nicht von einer Standesbeamtin getraut werden wollen, deren Angewidertsein mir in jedem Satz entgegenschlägt.

         

        Und eine solche Frau gehört nicht in Leitungsposition, wo sie diese derart missbraucht!

    • @Co-Bold:

      Sie hat einen Beamteneid geschworen, dass sie sich an die Gesetze hält. Und weil sie sich weigert, dies zu tun, sitzt sie jetzt.

       

      Völlig zu Recht. Glaubensfreiheit schützt nicht vor Strafe. Wenn ich glaube, das Auto meines Nachbarn gehört mir, so komme ich unter Umständen auch ins Gefängnis.

    • @Co-Bold:

      Beugehaft ist hier durchaus angezeigt.

      Wer entgegen seiner Arbeitsplatzbeschreibung" und ggf. gegen seinen Amtseid als beliehene Person weltanschauliche Befindlichkeiten "Religion" über die geltende Rechtsordnung stellt, ist gesellschaftlich nicht mehr tragbar. Ans Neutralitätsgebot darf man sich da schon halten.

       

      Ähnlichen Fall gabs neulich im Norden, Lüneburg glaub ich, da war der Standesbeamte ähnlich drauf. Und ist damit durchgekommen, der musste nicht mal remonstrieren! Da ist der Dienstherr selber schuld! Dann doch lieber die harte Tour!