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ADFC kürt fahrradfreundlichste StädteWo es sich in Deutschland am besten radelt

Das Verkehrsministerium und der Fahrradclub ADFC ehren die fahrradfreundlichsten Orte Deutschlands. Dabei sind einige Überraschungssieger.

Fahrradfreundlichste Stadt der Republik: Frankfurt am Main Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Wo sind die Radwege besonders gut? Auf welchen Straßen fühlen sich Fahr­rad­fah­re­r:in­nen besonders sicher? Wo gehen die Menschen im Verkehr besonders rücksichtsvoll mit Radfahrenden um? Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat am Dienstagnachmittag in Berlin die fahrradfreundlichsten Städte in Deutschland ausgezeichnet – also die Orte, die im Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) für das Jahr 2024 in ihrer jeweiligen Größenklasse am besten abgeschnitten haben.

Bei den Großstädten mit mehr als 500.000 Ein­woh­ne­r:in­nen liegt demnach Frankfurt am Main auf Platz 1 vor Hannover und Bremen, wobei sich Frankfurt in den letzten Jahren deutlich verbessern konnte. Münster verteidigt die Spitze bei den Städten mit über 200.000 Einwohnenden. Auch Erlangen siegte schon beim vorherigen ADFC-Test und konnte den Titel vor Darmstadt und Oldenburg verteidigen (100.000 bis 200.000 Einwohner:innen).

In den drei unteren Größenklassen liegen jeweils Tübingen, das nordhessische Baunatal und die Gemeinde Wettringen nordwestlich von Münster vorne. Aachen erhält einen Sonderpreis für ein überdurchschnittlich gut bewertetes Miteinander im Verkehr. Im Durchschnitt fällt die Bewertung des zwischenmenschlichen Umgangs mit der Note 4,05 nach Schulnotensystem von 1 bis 6 aber schlecht aus.

Insgesamt sind die befragten Rad­fah­re­r:in­nen etwas zufriedener als beim letzten Fahrradklima-Test aus dem Jahr 2022, die Durchschnittsnote verbesserte sich von 3,96 auf 3,92. Vor allem in Metropolen vergaben die Befragten bessere Noten. Nur Berlin, Düsseldorf, Essen, Dortmund und München kamen schlechter weg als vor zwei Jahren.

Fahrradwaschanlage in der Tiefgarage

„Der Radwegeausbau nimmt Fahrt auf“, sagte Frank Masurat, der Bundesvorsitzende des ADFC. „Wenn auch im kleinen Gang. Wir würden gerne drei bis vier Gänge höher schalten.“ Investitionen in den Radverkehr – in breite Radwege, Fahrradbrücken und Fahrradparkplätze – sorgten sofort für mehr Zufriedenheit bei den Radfahrenden. Selbst hügelige Städte wie Tübingen seien fahrradfreundlicher geworden.

E-Bikes würden immer beliebter, sie machten das Radfahren trotz der Höhenmeter und für Pend­le­r:in­nen attraktiv. Außerdem steche Tübingen dank eines durchgängigen und blau gekennzeichneten Radnetzes mit spektakulären Fahrrad­brücken heraus. Am Hauptbahnhof könne eine große Fahrrad­tiefgarage inklusive Fahrrad­waschanlage und Café punkten. Am meisten aufgeholt hat seit der letzten Umfrage Nürnberg dank fahrradfreundlicher Ampel­schaltungen und guter neuer Radwege.

„Was uns weiter Sorgen macht, ist das Thema Sicherheit“, sagte Masurat. „Mehr als zwei Drittel der Radfahrenden fühlen sich im Straßenverkehr nicht sicher.“ Viele Radwege seien zu schmal oder zugeparkt, oft würden Rad­fah­re­r:in­nen auf Straßen ohne eigenen Radweg zu eng überholt. Die Anzahl der Radverkehrstoten ist nicht kleiner geworden. Das sei „nicht akzeptabel“, betonte Masurat. Generell hätten insbesondere kleine Kommunen noch Aufholbedarf beim Radverkehr, ergänzte Bundesverkehrsminister Schnieder.

Verliererinnen unter den größten Städten: Berlin, München, Düsseldorf, Dortmund und Essen Infografik: ADFC

Der ADFC startet den Fahrradklima-Test alle zwei Jahre, die Umfrage wird vom Bundesverkehrsministerium unterstützt. Im Herbst 2024 haben sich rund 213.000 Menschen beteiligt, davon war rund ein Fünftel Mitglied im ADFC. In 27 Fragen zur Sicherheit und zum Komfort beim Radfahren, zur Infrastruktur und zur Förderung des Radverkehrs, zum Verkehrsklima und zur individuellen Zufriedenheit beim Fahrradfahren konnten die Teil­neh­me­r:in­nen Noten vergeben.

Bundesgelder für Radwegausbau wirken

Das Ranking der Städte erfolgt in sechs Größenklassen, damit nur Großstädte mit Großstädten und entsprechend kleinere Städte mit anderen kleinen Städten auf eine faire Weise verglichen werden. Laut ADFC sind die Ergebnisse statistisch nicht repräsentativ, der Fahrradklima-Test sei aber weltweit eine der größten Umfragen zur Zufriedenheit im Radverkehr. Außerdem sei die Befragung aussagekräftig, weil sich Bür­ge­r:in­nen und Kommunen bundesweit breit beteiligten: 1.047 verschiedene Orten flossen in die Bewertung ein.

In Tübingen sei Radfahren in den letzten Jahren tatsächlich angenehmer geworden, bestätigte Irmela Franjkovic. Sie organisiert in der baden-württembergischen Stadt die Kidical Mass, eine Fahrraddemo für kinderfreundlichen Straßen­verkehr, ist in der Bürger­initiative „Fuß- und Radentscheid Tübingen“ aktiv und Sprecherin des Arbeitskreises Mobilität der Grünen in Tübingen.

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Schulen in der Innenstadt zum Beispiel ließen sich inzwischen viel einfacher mit dem Fahrrad erreichen. In Zeiten, in denen viele Schü­le­r:in­nen vor weiterführenden Schulen unterwegs sind – zum Beispiel zu Schulbeginn oder in den Pausen – dürfen dort keine Autos fahren, sagte Franjkovic. Mit dem „Radverkehrskonzept Tübingen 2030“, das der Gemeinderat im Januar 2024 verabschiedet hat, soll das Fahrradfahren noch besser werden.

Tübingen sei aber ein Sonderfall, weil die Stadtverwaltung dem Radverkehr ohnehin wohlgesonnen ist, meint Gernot Epple, der verkehrspolitische Sprecher des ADFC in Tübingen. Auch hier dauere so mancher Radwegausbau länger als erhofft, weil es an Personal oder Geld fehlt. Grundsätzlich aber sei der politische Wille, das Fahrradfahren in der Stadt zu fördern, da, sagt Epple.

Verkehrsminister Schnieder wiederum freute sich, „dass die Förderung vor Ort Früchte trägt“, der Bund habe den Ausbau der Radwege finanziell unterstützt. Unter Schnieders Vorgänger Volker Wissing war das Geld für den Radverkehr noch im vergangenen Jahr allerdings deutlich zusammengestrichen worden. Der Haushalt der neuen Bundesregierung steht noch aus.

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18 Kommentare

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  • Super Beitrag. Macht Lust auf den Sommer.

  • Als Frankfurterin kann ich bestätigen, dass das Radfahren auch in dieser aifenscheinlich so fahrradgerechten Stadt alles andere als entspannt ist, zumindest in meiner persönlichen Wahrnehmung.

    Und nein, es liegt nicht an den Autofahrern, die mir hier selten gefährliche Situationen bereiten. Es sind die radelnden Mitmenschen, und hier insbesondere die emobilisierten Lieferdienstitarbeiter, Kita-Ladtenrad"bewaffnete" Mamis und Papis, die mir die eigene Lust am Fahrradfahren in Frankfurt austreiben... An roten Ampeln halten? Fehlanzeige. Rechts vor links gegenüber anderen Radfahrern beachten? Wird ignoriert. An Zebrastreifen halten? Sowieso nicht, bin ja stärker und schneller als der Fußgänger.



    Autos vs Räder ist längst nicht mehr das Hauptproblem im Verkehr dieser meiner Stadt, es ist die Rücksichtslosigkeit vieler Zweiradfahrer selber.

  • "Tübingen sei aber ein Sonderfall, weil die Stadtverwaltung dem Radverkehr ohnehin wohlgesonnen ist,..."



    Hatten sie nicht den Mut zu schreiben, dass Palmer dort der Bürgermeister ist und diese Radpolitik schon lange aktiv realisiert?



    Palmer ist viel besser als sein Ruf in der Öffentlichkeit, das erkennt man an jeder Wahl.

    • @Hans Dampf:

      Ich mag wahrlich nicht jeden Satz, den der zuweilen moralisierende, rechthaberische Rebell raushaute.

      Aber er ist wohl einer der umsetzungstärksten Bürgermeister der Republik, trotz Widerständen, trotz alledem. Ich hätte ihn gerne als Nachfolger Kretschmanns gesehen. Er ist letztlich ein Grüner und ein Macher. Und fährt - im Ländle! - Rad.

  • Sorry, aber eine Veränderung von 4,57 auf 4,54 o.Ä. ist nun wahrlich keine "signifikante Verbesserung". Eine "Verbesserung" um 4 herum heißt immer noch gefährlich, wie z.B. in Nürnberg und gehört zeitnah wirklich verbessert, mindestens auf 3,5, was von gut noch weit entfernt ist. Es gibt genügend Städte in Europa, die zeigen, dass es wirklich deutlich besser geht.

  • Grüne in den Kommunen haben so langsam die Stellen aufbauen können und Planers einstellen, die eben wieder für Menschen planen, nicht fürs halbobsolete Blechkisten-Rollen. Endlich trägt es erste Früchte. Das gilt es gegen CDU-Verkehrspolitik zu verteidigen und auszubauen.

    • @Janix:

      Interessante These, aber die aktuellen ADFC-Daten zeigen leider ein anderes Bild:



      Verschlechterung trotz grüner Beteiligung:

      Düsseldorf: CDU-Grüne Koalition → schlechter geworden



      München: Grüne-SPD (Grüne stärkste Kraft) → schlechter geworden

      Verbesserung auch ohne grüne Dominanz:

      Leipzig: SPD-OB → besser geworden



      Frankfurt: SPD-OB → besser geworden



      Nürnberg: CDU-OB → besser geworden

      Scheint eher so, als ob gutes Fahrradklima weniger von der Parteifarbe abhängt, sondern mehr von konkreten Maßnahmen und deren Umsetzung vor Ort. Vielleicht ist die Realität in den Kommunen komplexer als das übliche Schwarz-Weiß-Denken? 🚴‍♀️

      • @Marco Wuff:

        Schön, was Sie auflisten. Entscheiden Sie sich doch bitte noch, ob es nun der OB oder die Ratsmehrheit oder beides sein soll. Dass die Daten nicht so willkürlich sind.



        Oder gucken Sie, wo die Planungsstellen und -kompetenzen ausgebaut wurden und vielleicht war das nicht Schwarz-Rot, die das forderten.

        Ansonsten hat mir Münster am besten gefallen, wo um die Jahrtausendwende die CDU mit Radfreundlichkeit warb, und das draußen in den Auto-Außendörfern. So muss es sein und nicht wie Dino Wegner in Berlin.



        Mir ist da letztlich egal, ob die Katze grün oder lila-gelb-gepunktet ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse.



        Gerade die Union ist aber in der Gefahr, Ratten sogar noch auszusetzen.

  • Ein echtes Problem fast überall ist, dass es trotz einzelner positiver Projekte und Lippenbekenntnisse einfach der politische Wille fehlt. Und das merkt man dann in der Praxis ganz entscheidend. Da wird dann irgendwo ein teurer Radweg gebaut, mit dem man protzt, aber überall sonst sind Radfahrer Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse, die man vor allem aus dem Weg schaffen muss (Radweg als "Rad weg!" verstanden), indem man irgendwo auf Gehwegen Striche hinmalt oder nicht einmal das. Radwege werden als eine Art Multifunktionsfläche behandelt, auf denen dann Radfahrer fahren dürfen, wenn man sie gerade nicht für etwas anderes braucht. Bei Baustellen wird zuerst der Radweg belegt, dann der Gehweg und erst wenn auch das nicht reicht, belegt man einen Teil der Fahrbahn für Autos.

    Kein Autofahrer rechnet damit, dass eine Autobahn einfach im Nichts endet, Umleitungen nach dem ersten Schild versanden, bei Baustellen ein Schild "Autofahrer bitte aussteigen und schieben" steht oder an Kreuzungen der Aufstellbereich vor der Ampel nur für zwei Autos reicht.

    Ob Radfahren ernstgenommen wird oder nur so getan wird, DAS macht immer den Unterschied.

    • @Mustardman:

      Politik ist auch meist nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Radentscheide scheitern auch gerne am Bürger, der das nicht möchte.

      • @MHtaz:

        Und bereits beschiedene Radentscheide scheitern dann am Geld, mangeldem Willen zur Umsetzung, mangeldem Personal, am Wetter und was weiß ich, woran sonst noch. Wir haben in NRW sogar ein Gesetz und nichts, aber auch gar nichts ändert sich!

  • Man muss es deutlich sagen, E-Bikes sind Motorräder und keine Fahrräder. Fast alle, die diese Teile nutzen fahren mit voller Wattunterstützung, tun also nicht viel mehr, als im Sessel zu sitzen und ins Leere treten. Ein Spaziergang ist weit anstrengender. Es wäre nicht viel gegen diese Motorräder einzuwenden, wenn die auf der Straße blieben. Dass die aber die Fahrradinfrastruktur gekapert haben und damit den Weg frei gemacht für immer schamloseres okkupieren dieser ehemals halbwegs sicheren Wege, ist eine Sauerei. Die E-Roller die sich jetzt breit machen, sind nur ein weiterer Schritt. Bald wird wohl mit 45 Sachen auf den ehemals halbwegs sicheren Wegen und mitunter auch durch Parks geheizt. Forderungen in die Richtung gibt es ja schon länger und die Lobby baggert weiter. Wie gesagt, nix gegen diese Art der Fortbewegung, ist weitaus besser, als mit mehreren Tonnen Blech 70kg Mensch durch die Gegend zu wuchten - aber auf Radwegen haben Motorisierte prinzipiell nichts zu suchen (Schwerbehinderte mit entsprechenden Vehikeln ausgenommen).



    Durchweg Tempo 30 in allen Innenstädten, da können diese Sorte Motorräder dann gut auf der Straße ‚mitschwimmen‘.

    • @guzman:

      25(+) km/h fährt ein Rad auch, wenn es will :)



      Was Kennzeichen hat, hat auf Radwegen/Fußwegen etc. nichts zu suchen, sondern gehört auf die Straße, besagte Rollstühle ausgenommen. Gestern sah ich einen Motorroller auf dem Radweg - nein, das geht nur in NL legal, und auch da immer seltener.

      Bei 30 (gute Idee) können auch "richtige" Räder im Verkehr mitschwimmen. Dann muss das Blech eben auch mal etwas warten, wenn es die 22-km/h-Radlerin nicht überholen kann.

  • Frankfurt die fahrradfreundlichste Großstadt über 500 000 Einwohnern? Habe ich was verpasst, halten sie in Frankfurt nur die Fahrradwege Richtung Offenbach in so schlechtem Zustand (wobei Offenbach eher noch mieser ist) oder sind die anderen großen Großstädte noch schlechter?

  • "Wo gehen die Menschen im Verkehr besonders rücksichtsvoll mit Radfahrenden um?"



    Spannend wäre die Frage auch umgekehrt gewesen: wo verhalten sich Radfahrer besonders rücksichtsvoll.



    Oder als Abwandlung auch Radfahrer selbst ihr Sozialverhalten im Straßenverkehr einschätzen lassen und dann gegenüberstellen mit der Einschätzung von Fußgängern und Autofahrern...

    • @Farang:

      Da fehlt gar nicht mehr viel. Nun bringen Sie Ihre Vorurteile mal in Verbindung mit der Qualität der Radinfrastruktur, vielleicht verstehen Sie es dann.

      In meiner Stadt mit wenigen und schlechten Radwegen fahren auch Erwachsene häufig Rad auf dem Gehweg. Beim Besuch in Utrecht habe ich das glaube ich kein einziges Mal gesehen.

    • @Farang:

      Blechkistenumhüllte sollten weniger greinen, sondern verantwortlich fahren und über ihre krassen Privilegien seit 1933 nachdenken.



      Menschenorientierte Verkehrspolitik ist überfällig.



      PS, und ja, wer freundlich ist, hat mehr vom Leben. Beginnen wir dabei von Laster und SUV zu Pkw, die haben mit Abstand die meisten auf dem Gewissen.

    • @Farang:

      Wenn man will, dass Radfahrer sich als Verkehrsteilnehmer verstehen, muss man sie auch als solche behandeln.