150 Jahre Deutsche Bank: Als die Macht zerbrach
Das größte Kreditinstitut Deutschlands feiert 150-jährigen Geburtstag. Wie aus der allmächtigen Zentrale der „Deutschland AG“ ein Scheinriese wurde.
Vor 150 Jahren, am 10. März 1870, wird das Gründungsstatut durch „Allerhöchsten Erlass Sr. Majestät des Königs von Preußen“ genehmigt. Hinter der Gründung stehen führende deutsche Privatbankiers. Allein sind diese zu klein, um den aufstrebenden Industriekapitalismus zu finanzieren. Neuartige Aktiengesellschaften sollen das notwendige Kapital beschaffen. Zweck der Deutsche Bank AG ist die Förderung „der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, den übrigen europäischen Ländern und überseeischen Märkten“.
Lange bleibt dies ein globales Erfolgsmodell. Doch die Weltwirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre übersteht die Deutsche Bank nur dank staatlicher Hilfen. Im Jahr 1936 reprivatisiert die Reichsregierung von Adolf Hitler das Institut wieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Bank im Osten geschlossen und im Westen in zehn Teilinstitute aufgeteilt. Eine Studie der amerikanischen Militärverwaltung (Omgus) zeigt die große Bedeutung der Bank für die Kriegsfinanzierung und ihre Teilnahme an „Arisierungen“. Erst 1957 entsteht die Deutsche Bank wieder neu und steigt im Wirtschaftswunderland zur Nummer eins auf.
Die Großbank ist Linken und Liberalen immer wieder ein Ärgernis. Nach der Bundestagswahl 1998 entflechten SPD und Grüne sie. Kanzler Gerhard Schröder und sein Vize Josef Fischer berufen einen profilierten Bankkritiker, Hans Martin Bury, zum Staatsminister. Eine Steuerreform soll im Oktober 2000 die Oligarchie hinwegfegen, neue Wachstumsimpulse geben und die Macht der Bank zerschlagen. Die Reform erlaubt den Verkauf aller Kapitalbeteiligungen – steuerfrei. Was durchaus den Interessen der Deutschen Bank entspricht: Sie erlöst Milliarden, die sie weltweit profitabler anzulegen hofft. Bury wird später zu Lehman Brothers wechseln.
Investment goes international
Schon in den neunziger Jahren lockern sich die engen Bande der Deutschland AG. „Shareholder Value“ und die Ausrichtung der Unternehmen an Aktienkursen sowie die Globalisierung internationalisieren die wiedervereinigte deutsche Wirtschaft. Neue, ausländische Kapitalinteressen, Investmentfonds wie Blackrock und angelsächsische Investmentbanken wie Lehman Brothers dringen auf den deutschen Kapitalmarkt vor. Gleichzeitig zieht es deutsche Konzerne verstärkt in die Welt hinaus, jahrzehntelang gepflegte Rundumbeziehungen innerhalb der Deutschland AG gelten als überholt.
Der Absturz im Zuge der Finanzkrise 2007/2008 hängt mit dem massiven Aufbau des Investmentbankings zusammen. „Hoch riskante Anlageinstrumente wurden ohne Kundenauftrag für den Eigenhandel produziert“, sagt der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel der taz. Aus vielen E-Mails der Deutschen Bank an der Wall Street wird die gezielte Produktion von Schrottpapieren nachvollziehbar.
Greg Lippmann, der damalige Star der Spekulationssparte der Bank, sprach von „Mist“ und „Scheiße“, die den „Säuen“ angedreht werden müsse. Den Grund sieht Hickel letztlich in der Vorgabe einer extremen Kapitalrendite von über 25 Prozent. „Der Absturz in die Verlustzone war dadurch vorprogrammiert.“
„Kriminelles Verhalten“
Andere hausgemachte Probleme kommen hinzu. Die jüngere Geschichte der Bank sei von großen Skandalen gezeichnet, kritisiert Gerhard Schick, Gründer der Bürgerbewegung Finanzwende. „Durch ihre Spekulationen bis hin zu kriminellem Verhalten hat sie der Gesellschaft immer wieder immensen Schaden zugefügt.“ Geldwäsche, Cum-Ex-Steuerbetrug oder strafbare Deals mit Umweltzertifikaten sind nur einige Stichworte.
Für die Finanzmarktexperten der TU Chemnitz bleibt die Bank „ein großes Rätsel“. Professor Friedrich Thießen weist gegenüber der taz auf die Personalpolitik hin: „Irgendwann verlor die Bank die Fähigkeit, Spitzenkräfte im eigenen Haus großzuziehen.“
Seit den neunziger Jahren wirbt die Deutsche Bank Spitzenkräfte gegen Spitzenhonorare von anderen Banken ab. Damit verärgert sie Konkurrenten und schadet sich selbst. Es komme eine andere Motivation ins Haus, sagt Thießen: „Nicht mehr der Stolz, Deutschbanker zu sein, sondern das Geldmotiv.“ Wenn eine genügend große Anzahl Führungskräfte Söldnercharakter habe, erklärt Thießen, sei eine Bank „tot“. Niemand tue mehr wirklich etwas für die Zukunft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs