129 Neuinfizierte bei Westfleisch: Corona-Hotspot Schlachthof
In fleischverarbeitenden Betrieben breitet sich das Virus schnell aus. Mehrere Firmen sind betroffen. Neuer Virenherd: ein Schlachthof in Westfalen.
Bund und Länder hatten sich am Mittwoch darauf verständigt, dass zahlreiche im Zuge der Corona-Krise verfügte Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder gelockert werden, bei einer regionalen Überschreitung dieser Obergrenze aber umgehend wieder ein Beschränkungskonzept umgesetzt werden muss.
Das Virus hatte sich zuletzt vor allem in dem fleischverarbeitenden Betrieb Westfleisch in Coesfeld ausgebreitet. 129 Infizierte waren am Donnerstag nach Kreisangaben bei der Testung von 200 Mitarbeitern erfasst worden. Alle 1.200 Beschäftigten des Standortes sollten auf das Virus getestet werden.
Der Kreis Coesfeld erklärte am Morgen, dass die Situation fortlaufend bewertet und über Maßnahmen beraten werde. „Natürlich ist die Sorge in der Bevölkerung groß“, sagte Landrat Christian Schulze Pellengahr zu den Westfälischen Nachrichten. Der Kreis warte aber auf die Verordnung, die Näheres regelt.
Fleichverarbeiter als Problem
Er hoffe, dass für klar abzugrenzende, auf eine bestimmte Quelle zurückzuführende Ausbrüche Ausnahmen gelten. „Abgesehen von dem Ausbruch bei Westfleisch waren die Zahlen zu den Neuansteckungen in der Bevölkerung des Kreises in den letzten Tagen stagnierend oder leicht rückläufig“, sagte Pellengahr. Westfleisch erklärte laut WDR, die Produktion werde weiter laufen, der Engpass bei den MitarbeiterInnen sei nicht so gravierend. In dem Betrieb arbeiten 1.200 Beschäftigte.
Auch in einem weiteren fleischverarbeitenden Betrieben hatte es verstärkt Infektionen gegeben: So über 200 bei Müller Fleisch im badenwürttembergischen Birkenfeld, außerdem über 100 bei Vion in Schleswig Holstein. Dort waren weitere 32 Beschäftigte des Schlachthofes in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg) bis zum Donnerstag positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden. Damit habe sich die Zahl der infizierten Schlachthofmitarbeiter auf 109 erhöht, teilte der Kreis Segeberg mit.
Aufgrund des „dynamischen Infektionsgeschehens“, das sich nur noch schwer nachvollziehen und rückverfolgen lasse, habe der Infektionsschutz des Kreises Segeberg jetzt alle Mitarbeiter des Schlachthofs, die im Kreis Segeberg leben, unabhängig vom Testergebnis unter Quarantäne gestellt, sagte Landrat Jan Peter Schröder. Insgesamt hatte der Kreis Segeberg 179 Personen getestet, ein Teil der Testergebnisse steht noch aus.
„Folge von schwierigen Arbeitsbedingungen“
„Wir müssen darüber reden, wie wir mit den Menschen umgehen, die dort arbeiten“, twitterte Martin Habersaat, SPD-Fraktionsvize im Kieler Landtag. Die Infektionen sind für Experten „eine Folge von schwierigen Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnissen“ der meist rumänischen ArbeitsmigrantInnen, die der niederländische Fleischverarbeiter Vion zu verantworte habe, sagte der schleswig-holsteinische Beauftragte für Zuwanderungsfragen, Stefan Schmidt. Die Regionsgeschäftsführerin des DGB Schleswig-Holstein Nordwest, Susanne Uhl, machte „die Enge der Unterkünfte und die vollen Transportbusse zwischen Arbeits- und Wohnorten“ für die Ausbreitung der Pandemie in dem Schlachtbetrieb verantwortlich.
Die gestiegene Anzahl der Infizierten rund um den Schlachthof hatte den Kreis Segeberg veranlasst, alle Beschäftigten des Unternehmens testen zu lassen. Bei zunächst zwei MitarbeiterInnen eines Subunternehmers, die in einer ehemaligen Kaserne in Kellinghusen im Kreis Steinburg unterbracht sind, war vor rund zwei Wochen das Coronavirus festgestellt worden. Mittlerweile sind dort nach Angaben Schröders 77 Personen infiziert. Auch sie stehen unter Quarantäne.
Von den 32 neuen positiven Fällen wohnt ein großer Teil nach Angaben des Kreises Segeberg im Raum Bad Bramstedt. Aber auch Nachbarkreise und kreisfreie Städte sind betroffen. Der Infektionsschutz habe den dortigen Gesundheitsämtern ebenfalls die Anordnung einer Quarantäne empfohlen, sagte eine Sprecherin des Kreises am Donnerstag.
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