12 Dancefloor-Filme in der Pandemie: Clubbing gucken
Clubs sind geschlossen. Diese zwölf Filme bringen durch überzeugende und mitreißende Darstellungen Discofieber ins Wohnzimmer.
Die Clubs sind geschlossen und werden es wohl auch noch eine Zeit lang bleiben; manche machen möglicherweise nie wieder auf. Wer pandemiebedingt auf dem Sofa Discofieber erleben will, kann das mit den folgenden Filmen tun. Bei der Auswahl steht nicht filmische Qualität im Mittelpunkt, sondern die überzeugende und mitreißende Darstellung von Clubleben und vor allem der Crowd auf der Tanzfläche.
Robert Klane: „Gottseidank, es ist Freitag“ (USA 1978)
Der Film führt in einen Tanzwettbewerb in der Diskothek Zoo in Hollywood, bei dem im ausufernden Treiben die verschiedensten Figuren so durcheinander gewürfelt werden, wie es sich für eine Partynacht gehört. In der freundlichen Klamotte gibt es auch einen Auftritt von Donna Summer, die für ihren Song „Last Dance“ einen Oscar bekam. „Saturday Night Fever“ ist der bekannteste Film, der Ende der 70er Jahre aus der Disco-Mode einen Kinoerfolg stricken wollte. Es ist auch der bessere Film mit den besseren Choreografien. Aber während bei „Saturday Night Fever“ die Clubszenen groß angelegte, durchgeplante Gruppentänze und die atemberaubenden Solonummern von John Travolta zeigen, ist hier mehr tanzendes Clubvolk zu sehen. Über die Authentizität dieser Szenen kann man streiten. Aber letztlich vermittelt der Film mit der grotesken Talmi-Ausstattung des Clubs (der DJ thront in einem halben Ei, das auf Hühnerbeinen aus Plastik über der Tanzfläche steht) und seiner „Love & Peace & Polyester“-Philosophie mehr Disco-Flair als das Malocherdrama aus Brooklyn.
Jennie Livingston: „Paris brennt“ (USA 1990)
Der Indie-Dokumentarfilm (online auf Youtube) verhalf der New Yorker Ballroom-Szene zu internationaler Berühmtheit. Dragqueens mit Namen wie Pepper LaBeija oder Octavia St. Laurent erklären die Regeln dieser afroamerikanischen und Latino-Transgenderszene, die auch den Tanzstil „Voguing“ hervorbrachte. Doch der Film ist nicht Zeugnis einer flamboyanten Untergrundszene, sondern handelt auch von der Homophobie und der Diskriminierung, denen seine Protagonisten im Alltag ausgeliefert waren.
Josell Ramos: „Maestro“ (USA 2003)
Die amtliche Doku (online auf Youtube) über die New Yorker Disco-Szene in New York, von ihren Anfängen nach Stonewall bis zu ihrem tragischen Niedergang als Folge von Aids. Schwerpunkt ist der legendäre Club Paradise Garage in Manhattan und sein ebenso legendärer DJ Larry Levan. Josell Ramos hat Material aus allen stilprägenden Läden dieser Jahre und Interviews mit vielen wichtigen Protagonisten, von denen einige – wie David Mancuso, Francis Grasso oder Frankie Knuckles – inzwischen verstorben sind. Die Aufnahmen aus dem Loft oder der Gallery zeigen eine beeindruckende Vielfalt an virtuosen Tanzstilen, die oft eher an Ausdruckstanz erinnern als an den aufgebohrten Disco Fox, den John Travolta in „Saturday Night Fever“ präsentierte. Zugleich macht der Film die identitätsstiftende und emanzipatorische Rolle von Disco und seine Wurzeln in der afroamerikanischen Schwulenbewegung deutlich, die in den Discofilmen aus den 70er Jahren sorgfältig wegretuschiert worden war.
Yolande Zauberman: „Lola im Technoland“ (F 1996)
Eine junge Frau (Élodie Bouchez) verpasst in einem Pariser Vorort den letzten Bus und verirrt sich auf eine Raveparty. Die Geschichte – ein französisches L’Amour-fou-Nichts voll stylischer Leere, Verlangen und namenloser Sehnsucht – kann man vergessen, aber die orgiastischen, surrealen Tanzszenen mit Béatrice Dalle gehören zum Rauschhaftesten und Weltvergessensten, was je im Kino gezeigt wurde. Auch die Musikauswahl ist handverlesen. Außer Rob Dougans orchestralem „Clubbed to Death“, der hier als Leitmotiv eingesetzt wird, gibt es Tracks von den Chemical Brothers und den damals noch unbekannten Daft Punk.
Romuald Karmakar: „Between the Devil and the Wide Blue Sea“ (D 2005)
Dies ist die beste der insgesamt vier Dokumentationen, die Romuald Karmakar über die deutsche Technoszene gedreht hat. Alle Filme zeichnen sich durch lange, ungeschnittene und unkommentierte Aufnahmen von DJ-Auftritten und Live-Performances aus, die es dem Zuschauer erlauben, sich in das Treiben vor und hinter den DJ-Pulten zu vertiefen. Vor Karmakars Kamera wird Clubleben zu Welttheater, und wer einmal den Auftritt von Nitzer Ebb in diesem Film gesehen hat, wird ihn nie wieder vergessen.
Maja Classen: „Feiern – Don’t forget to go home“ (D 2006)
Der Film (online auf Youtube), der an der Filmschule Babelsberg entstand, ist ein unschlagbares Dokument unschuldiger, früher Technotage in Berlin. Neben bekannten DJs wie Ricardo Villalobos, Ewan Pearson und Nick Höppner kommen auch Clubgänger, Türsteher und anderes Partyvolk zu Wort. Doch vor allem besticht der Film durch die exzessiven Szenen, die Andreas Bergmann mit den kleinsten damals verfügbaren Mini-DV-Kameras unbeobachtet drehte und die nicht nur Höhepunkte auf der Tanzfläche, sondern auch Absturzszenen vor den Toiletten des Berliner Clubs Watergate festhielten. Heute wären solche Aufnahmen dank strengerer Auslegung des Rechts am eigenen Bild wohl gar nicht mehr möglich.
Aysin Eralp/Rainer Esmayer: „Recyver Dogs live at Tresor Berlin“ (D 2006)
Ein Auftritt des Techno-Duos Recyver Dogs im unvergessenen Keller des Berliner Clubs Tresor, als dieser noch an der Leipziger Straße war. Gefilmt wurde mit Handykameras, die Bildqualität ist entsprechend. Aber dafür wird die Kamera quasi zum Tanzpartner und liefert außerordentlich intime Aufnahmen vom Dancefloor. Weil man so genau hingucken kann, sieht man auch, wer die Technostadt Berlin gebaut hat: die proletarische Vorortjugend Berlins, inzwischen aus den Clubs weggentrifiziert. Ebenfalls festgehalten sind lang ausgestorbene, körperbetonte Hochenergie-Tanzstile mit viel Footwork. Wie „Feiern“ ist auch dieser Film bei Youtube zu finden. Die Encodierung durch die Videosite hat die Bildqualität zwar weiter zermörsert. Dafür schickt einen der Youtube-Algorithmus gleich weiter zu ähnlichen Produktionen wie „We call it Techno“ oder „The Story of Tresor“.
Jason „Jay Will“ Williams: „It’s All About Dancing: A Jamaican Dance-U-Mentary“ (JA 2006)
Dieser Film über die jamaikanischen Dance Halls, bekanntlich der Ursprung der internationalen DJ-Kultur, ist eine absolute Obskurität (und ebenfalls bei Youtube zu finden). Einerseits ein Tutorial, mit dem man die damals heißesten Modetänze der Karibikinsel lernen kann, andererseits eine Dokumentation über die faszinierende Soundsystem-Szene Jamaikas, die der Welt den Remix und den Live-MC geschenkt hat. Man erfährt unter anderem, wie wichtig die Erdnussverkäufer für das Gelingen der Party sind.
Jacob Krupnick: „Girl Walk // All Day“ (USA 2011)
Streng genommen kein Clubfilm – aber die drei Millennials, die in dieser Crowdfunding-finanzierten Indie-Produktion ohne Drehgenehmigung quer durch New York tanzen, bringen die Lebensfreude und Energie einer Nacht in der Disco auf die Straßen der Stadt (im Netz unter www.girlwalkallday.com)
Elaine Constantine: „Northern Soul“ (GB 2014)
In Nordengland hatte man Anfang der 70er Jahre keine Lust auf Disco und tanzte in Kneipen und Stadthallen einfach weiter zu den Soul-Klassikern der 60er Jahre. Die „Northern Soul“-Szene war mit ihren amphetaminbeflügelten „All-Nightern“ ein Vorläufer der britischen Techno-Raves. Die wenig bekannte Subkultur liefert die Kulisse für eine Coming-of-Age-Geschichte über zwei Schüler aus Lancashire, die ihre eigene Party organisieren. Wer wissen will, wie nah die Geschichte an der Wirklichkeit ist und wie authentisch die ausgelassenen Tanzszenen sind, findet auf Youtube die BBC-Dokumentation „Northern Soul: Living for the Weekend“.
Michał Marczak: „All These Sleepless Nights“ (PL 2016)
Dieser halbdokumentarische Film aus Polen schafft es, aus dem Lebensstil einer Gruppe von Clubkids in Warschau Bilder voller Poesie zu extrahieren. Während in den anderen erwähnten Filmen die Party im Mittelpunkt steht, sieht man hier, was von der Feier übrig bleibt, wenn aus dem Tanz wieder Schritt, wankender Gang oder regelrechtes Torkeln wird. Für die teils halluzinatorischen Bilder, die oft im Licht des anbrechenden Tages aufgenommen wurden, baute sich Regisseur und Kameramann Michał Marczak mit dem 3-D-Drucker ein eigenes Kamera-Rig, um so nahe wie möglich an seinen Protagonisten mit ihrem ausufernden Bewegungsdrang zu bleiben.
Jeremy Deller: „Everybody in the Place“ (GB 2020)
Der britische Konzeptkünstler Jeremy Deller versucht in dieser Videoarbeit, die bei Vimeo zu finden ist, Schülern die Rave-Szene der späten 80er Jahre mit slammenden Originalaufnahmen zu vermitteln. Fazit: Feiern war ohne Smartphone und ohne soziale Medien cooler. Okay, Boomer.
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