10. Geburtstag der „heute-show“: Witzig, aber auf die gemütliche Art
Vielen ist die ZDF-Satiresendung „heute-show“ zu seicht. Aber sie erreicht stabil gute Quoten – und hat anderen Formaten den Weg geebnet.
Am 26. Mai 2009 sendete das ZDF die erste Folge. Damals noch auf einem eher unattraktivem Sendeplatz, dienstags um 23 Uhr, im Anschluss an die Sendung „Neues aus der Anstalt“, die klassisches deutsches Fernsehkabarett verkörperte. Die „heute-show“ war anders, sie adaptierte das Format der US-amerikanischen „Daily Show“ – Politsatire über aktuelle nachrichtliche Ereignisse, das gab es so bis dahin nicht. Und zunächst hatte es die neue Sendung mit dem deutschen Publikum auch nicht leicht. Anfänglich schalteten zwischen einer und zwei Millionen ein, das ist nett, aber nicht überragend. Trotzdem gab es bald Fernseh- und Comedypreise, einmal erhielt die Satireshow den Bambi und einmal den Grimme-Preis.
Und dann ging es quotenmäßig bergauf. Mittlerweile ist die „heute-show“ eine der erfolgreichsten Sendungen des ZDF und liegt stabil bei drei Millionen. Quote ist nicht immer der entscheidende Wert, aber sie ist wichtig, wenn es um die Frage geht, ob man sie noch braucht, die „heute-show“.
Denn an der Qualität gibt es immer wieder Kritik. Humoristisch gilt die Quatschsendung niemandem als Vorreiterinstitution. Politisch mutig ist sie auch nicht gerade. Das bemängelte zum Beispiel gerade der Medienkritiker Hans Hoff in einem offenen Brief an die Sendung im Medienmagazin DWDL. „Mensch, ‚heute-show‘“, schreibt Hoff. „Du wirst zehn Jahre alt. Reiß dich mal am Riemen.“ Die Show sei einmal intelligent gewesen, ruhe sich nun jedoch auf ihrem Erfolg aus. Mit den Gags werde die Sendung sogar „in der KiTa ausgebuht“. Der Vorwurf: Mit den steigenden Quoten sinkt die Qualität, sinkt der Anreiz, aus dem bewährten Schema auszubrechen.
Andere Sendungen gelten als anspruchsvoller, andere Sendungen werden zum Gespräch. „Neo Magazin Royale“ von Aktionskomiker Jan Böhmermann, oder „Die Anstalt“, Nachfolgeformat von „Neues aus der Anstalt“. Böhmermann schafft es, sich ständig ins Gespräch zu bringen, und „Die Anstalt“ überzeugt durch Investigativrecherchen und einen bissigen Ton. Die trauen sich was. Und die „heute-show“?
Georg Hirschberg leitet Prime Productions, die Produktionsfirma hinter der „heute-show“. Er findet nicht, dass „sich etwas trauen“ die richtige Kategorie sei. „Wir machen 33 Sendungen im Jahr“, sagt er. Die Sendung schaue auf den politischen Betrieb und picke sich die relevanten Themen heraus. „Wir wollen die Zuschauer zum Lachen und zum Nachdenken bringen. Damit treffen wir zu unserer großen Freude den Nerv des Publikums.“ Das zeigten die Quoten und die drei Millionen Fans in den sozialen Netzwerken, findet Hirschberg.
Gekreuzigter Osterhase
Eine Sendung also, die nicht den Anspruch hat, anzuecken, sondern einfach möglichst viele möglichst gut unterhalten will – und nebenbei ein paar politische Inhalte vermitteln. Die Witze sind für alle verständlich, man muss nicht bei jedem Thema auf dem allerneuesten Stand sein. Die „heute-show“ ist eine Serviceleistung für die, die zwar politisch interessiert sind, aber nicht allzu sehr. Und Welke ist eine willkommene Konstante am Freitagabend.
Es gab natürlich ein paar Highlights und Kontroversen in den vergangenen zehn Jahren, Ereignisse, die für Aufmerksamkeit sorgten. Im Oktober 2014 verweigerte der Bundestag der „heute-show“ die Drehgenehmigung. Die Begründung: Es handele sich nicht um „politisch-parlamentarische Berichterstattung“. Oliver Welke las die Mitteilung des Pressesprechers in der Sendung vor. Kurz darauf durfte die „heute-show“ wieder im Bundestag drehen.
Zwei Jahre später, zur Bundespräsidentenwahl in Österreich 2016, nach dem ersten Wahlgang, in dem der Rechtspopulist Norbert Hofer gewann, ging ein von der „heute-show“ publiziertes Schnitzel in Hakenkreuz-Form durch die sozialen Medien. Im April 2018 führte dann ein gekreuzigter Osterhase zu zahlreichen Strafanzeigen. Aber das war’s auch schon. Eine Handvoll Skandälchen in zehn Jahren.
Dafür sorgen die anderen. Gerade erst hat sich Jan Böhmermann gekonnt auf die Enthüllungen zum österreichischen Vizekanzler Strache gesetzt. Derartige Aktionen schaffen punktuell riesige Aufmerksamkeit.
Comedy und Aufklärung
Allerdings kommt „Neo Magazin Royale“ im linearen Fernsehen bisher nur auf eine Million Zuschauer*innen. Mediathekenaufrufe kommen dazu, aber auch dann bleibt Böhmermann weit hinter der „heute-show“. Auch „Die Anstalt“ holt weit weniger Menschen vor den Bildschirm, durchschnittlich zwei Millionen.
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Und dazu kommt: Den Weg für Politsatire im deutschen Fernsehen frei gemacht hat erst die „heute-show“. Das sagt Katharina Kleinen-von Königslöw, Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg.
Kleinen-von Königslöw hat sich in einer Analyse mit der Frage beschäftigt, wie die Übersetzung eines US-amerikanischen Formats für ein deutsches Publikum gelungen ist und wie es die Sehgewohnheiten verändert hat. „Die „heute-show“ ist das erste politische Satireformat, das es im deutschen Fernsehen auf Dauer geschafft hat, sich zu etablieren.“ Durch die „heute-show“ akzeptiere das Publikum jetzt eine andere Art von Satire – deutlich spielerischer, weniger moralisierend.
Kurioserweise würde Kleinen-von Königslöw die „heute-show“ nicht als ihre liebste Satireshow bezeichnen. „Die Sendung ist sehr mainstreamig, setzt nicht viel politisches Wissen voraus und baut auf den einfachen Witz.“ Sie schaue privat eher Böhmermann. Dort komme die Grundlinie „Nazis – nein, danke“ viel stärker heraus, was sie richtig und gut finde.
Die „heute-show“ mag nicht so bissig und scharf daherkommen, sie macht lieber Witzchen auf Kosten von Politiker*innen. Satire, die zwar böse ist, aber auf einem Level bleibt, das ein breites Publikum mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen akzeptieren kann; eine Mischung aus Comedy und Aufklärung.
Das, was Welke da jeden Freitagabend quatscht, funktioniert. Die „heute-show“ hat das deutsche Publikum im Rezipieren dieser Form der Politsatire, im Lachen über diese Art von Witz geschult und damit neuen Formaten ein Eintrittsticket in den Markt geschenkt. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten: Einen Jan Böhmermann würde es ohne die „heute-show“ nicht geben.
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