+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Biden und Starmer ohne Entscheidung

Der US-Präsident und der britische Premier reden über den Einsatz weitreichender westlicher Waffen später weiter. Derweil schickt Moskau viele Drohnen in die Ukraine.

Die US-amerikanische und die britische Delegation sitzen sich an einem langen Tisch gegenüber. Rechts vorne sieht man Keir Starmer, wie er in Richtung Joe Biden redet und gestikuliert

Joe Biden (2. v. l) und Keir Starmer (r.) haben geredet. Herausgekommen ist dabei, dass man nochmal miteinander reden will – unter Einbezug von noch mehr Gesprächspartnern Foto: Stefan Rousseau/dpa

Großflächiger Drohnenangriff auf Ukraine

Russland hat die Ukraine in der Nacht erneut großflächig mit Drohnen angegriffen. Insgesamt seien etwa 70 der unbemannten Flugobjekte gestartet worden, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf seinem Telegramkanal. Demnach waren Objekte in den Gebieten Tscherkassy, Schytomyr, Winnyzja, Odessa, Sumy, Dnipropetrowsk, Poltawa, Cherson, Charkiw, Donezk, aber auch rund um die Hauptstadt Kiew Ziel der Attacken. Die Mehrzahl der Angriffe sei abgewehrt worden, teilte er mit – forderte allerdings zugleich erneut eine weitere Stärkung der Flugabwehr.

Die ukrainische Luftwaffe selbst meldete den Abschuss von 72 der insgesamt 76 gestarteten Drohnen. Über die Folgen des Angriffs machte die Luftwaffe keine Angaben.

Größere Schäden wurden vor allem aus der Schwarzmeerregion Odessa gemeldet. In einem Vorort der Gebietshauptstadt seien durch Drohnentrümmer mehrere Gebäude, darunter auch ein Wohnhaus beschädigt worden, schrieb Militärgouverneur Oleh Kiper auf Telegram. Im Landkreis Ismajil, über den die Ukraine Teile ihres Getreides verschifft, wurden demnach Lagergebäude getroffen.

Auch in Kiew gingen Behördenangaben zufolge mehrere Trümmerteile nieder. Getroffen worden sei ein städtisches Unternehmen, ein Brand sei aber nicht ausgebrochen, schrieb Bürgermeister Vitali Klitschko. (dpa)

Stoltenberg: Nato hätte Ukraine früher stärken müssen

Der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bedauert im Rückblick, „dass die Nato-Verbündeten und die Nato selbst nicht mehr getan haben, um die Ukraine früher zu stärken“. Wäre das Land militärisch stärker gewesen, „wäre die Schwelle zum Angriff für Russland höher gewesen“, zitiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung den Norweger in einem Vorabbericht. Ob sie hoch genug gewesen wäre, könne man nicht sagen. Doch wäre es einfach gewesen, mehr zu tun. „Jetzt rüsten wir die Ukraine im Krieg aus, damals hätten wir die Ukraine ausrüsten können, um einen Krieg zu verhindern.“ Stoltenberg übergibt seinen Posten am 1. Oktober an den niederländischen Ex-Regierungschef Mark Rutte. (rtr)

Biden und Starmer vertagen Entscheidung über Waffeneinsatz

Trotz des Drängens der Ukraine haben US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Keir Starmer eine Entscheidung über einen Einsatz weitreichender westlicher Waffen gegen Ziele in Russland vertagt. Nach einem Treffen mit Biden am Freitagabend (Ortszeit) in Washington sagte Starmer, sie hätten eine „weitreichende Diskussion über Strategie“ geführt, nicht aber über „bestimmte Fähigkeiten“. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor gedroht, eine Zustimmung des Westens zum Einsatz von Waffen auf russischem Territorium durch die Ukraine würde „Krieg“ gegen Russland bedeuten.

Starmer machte nach dem Gespräch deutlich, er und Biden würden das Thema bei der UN-Generalversammlung in New York in der übernächsten Woche „mit einer größeren Gruppe von Personen“ erörtern. Vor dem Treffen in Washington war erwartet worden, dass Starmer sich von Biden Unterstützung holen wolle, um britische Storm-Shadow-Raketen für die Ukraine tiefer in russischem Gebiet einzusetzen.

Die nächsten Wochen und Monate könnten „entscheidend“ sein, sagte Starmer in Washington. „Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir die Ukraine in diesem lebenswichtigen Krieg für die Freiheit unterstützen.“

Das Weiße Haus hatte bereits vor dem Treffen die Erwartungen zu einer Entscheidung über den Einsatz von Waffen auf russischem Gebiet gedämpft: „Ich würde nicht erwarten, dass die Gespräche zu einer größeren Ankündigung führen, jedenfalls nicht von unserer Seite“, sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates.

Die Führung in Kiew hat bei den westlichen Verbündeten zuletzt verstärkt darauf gedrängt, weitreichendere westliche Waffen in Russland einsetzen zu dürfen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf dem Westen am Freitag vor, er habe „Angst“, auch nur über westliche Hilfe für die Ukraine beim Abschuss von russischen Raketen zu sprechen. Der neue ukrainische Außenminister Andrij Sybiha erklärte, es sei wichtig, „alle Beschränkungen für den Einsatz amerikanischer und britischer Waffen gegen legitime militärische Ziele in Russland aufzuheben“.

Britische Medien berichteten, dass Biden, der einen nuklearen Konflikt fürchte, zu einer Erlaubnis bereit sei, die Ukraine britische und französische Raketen mit US-Technologie nutzen zu lassen – nicht aber von den USA selbst hergestellte Raketen. Deutsche Waffen sind nach Angaben der Bundesregierung von dieser Frage nicht betroffen.

Putin hatte am Donnerstag erklärt, eine Zustimmung des Westens zum Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele in Russland durch die Ukraine würde die Natur des Konflikts erheblich verändern. „Es würde bedeuten, dass Nato-Staaten, die USA, europäische Staaten im Krieg mit Russland sind“, sagte der Kreml-Chef. Eine Sprecherin des Weißen Hauses bezeichnete die Äußerungen als „unglaublich gefährlich“.

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja fügte hinzu, dass eine solche Erlaubnis zum Einsatz von Waffen für die Ukraine die Nato in einen „direkten Krieg“ mit einer Atommacht“ führen würde. (afp)

Medwedew droht mit völliger Zerstörung von Kiew

Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew droht mit einer vollständigen Zerstörung der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Russland habe aufgrund des ukrainischen Vorstoßes auf die russische Region Kursk bereits formell einen Grund, Atomwaffen einzusetzen, auch wenn man sich bislang dagegen entschieden habe. Als Reaktion auf den ukrainischen Einsatz von westlichen Raketen mit großer Weitreiche könne man Kiew aber auch mit nicht-nuklearer neuerer russischer Waffentechnologie in „einen gigantischen geschmolzenen Fleck“ verwandeln. Medwedew ist stellvertretender Leiter des russischen Sicherheitsrats. Er hat bereits mehrfach auf scharfe Rhetorik gegen den Westen und die Ukraine zurückgegriffen. (rtr)

Klitschko: Einschlag von Drohnensplittern in Kiew

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko informiert über die Nachrichten-App Telegram einen Einschlag von Drohnensplittern in der ukrainischen Hauptstadt. Die Splitter seien am frühen Samstagmorgen auf ein städtisches Gebäude im Kiewer Stadtteil Obolon nördlich des Stadtzentrums gefallen. Klitschko schrieb weiter, dass Rettungsdienste auf dem Weg zum Ort des Geschehens seien. Zuvor hatte der Bürgermeister erklärt, dass Luftabwehreinheiten in der Hauptstadt im Einsatz gewesen waren. (rtr)

Kim Jong UN verspricht Russland stärkere Zusammenarbeit

Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un verspricht dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu, eine stärkere Zusammenarbeit. Wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtet, hatten die beiden Männer während Schoigus Besuch in Pjöngjang einen umfassenden Meinungsaustausch und erzielten einen zufriedenstellenden Konsens über Themen wie die stärkere „Zusammenarbeit zur Verteidigung der gegenseitigen Sicherheitsinteressen“. Kim sagte, Nordkorea werde die Zusammenarbeit mit Russland im Einklang mit der strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern weiter ausbauen. Schoigu, der noch bis Mai russischer Verteidigungsminister war, hatte im Juli vergangenen Jahres mit einem Besuch in Pjöngjang den Beginn engerer Beziehungen zwischen Nordkorea und Russland eingeleitet. (rtr)

Mützenich plädiert für internationale Kontaktgruppe

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat eine internationale Kontaktgruppe angeregt, um eine Friedensinitiative im Ukraine-Krieg anzustoßen. „Aus meiner Sicht wäre es nun an der Zeit, dass die westlichen Verbündeten eine Kontaktgruppe initiieren, um einen Prozess zu starten“, sagte Mützenich der Rheinischen Post.

Der Bundeskanzler und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj stimmen darüber ein, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, um die Bemühungen für Friedensgespräche zu intensivieren, und dass bei einem nächsten Friedensgipfel auch Russland dabei sein sollte.“ Das eröffne auch anderen Ländern die Gelegenheit, sich stärker für die Beendigung der Kampfhandlungen zu engagieren.

Nach möglichen Mitgliedern einer solchen Kontaktgruppe gefragt, sagte Mützenich, er sehe da Länder wie China, Indien, die Türkei und Brasilien in der Verantwortung. „In diesen Staaten wächst die Überzeugung, dass der russische Angriffskrieg zu einer Belastung werden kann.“ Daher könne die Arbeit einer Kontaktgruppe „durchaus vielversprechend sein“, und diese könne eine wichtige Vermittlerrolle spielen. (dpa)

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