+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: In Gaza auf unbestimmte Zeit
Ministerpräsident Netanjahu kündigt an, Israel werde die Kontrolle über den Gazastreifen auf unbestimmte Zeit übernehmen. Weitere Ausländer verlassen Gaza.
UN-Menschenrechtsbeauftragter reist in Nahen Osten
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, ist für fünf Tage in den Nahen Osten gereist. Er wolle sich mit Vertretern von Regierungen und der Zivilgesellschaft über Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Eskalation im Gazastreifen austauschen, erklärt Türk. Es sei ein ganzer Monat gewesen des Massakers, unaufhörlichen Leids, des Blutvergießens, der Zerstörung, Empörung und Verzweiflung. “Menschenrechtsverletzungen sind die Ursache dieser Eskalation, und Menschenrechte spielen eine zentrale Rolle, um einen Ausweg aus diesem Strudel des Schmerzes zu finden.“
An diesem Dienstag ist die ägyptische Hauptstadt Kairo Türks Ziel, am Mittwoch wird er Rafah besuchen. Durch diese Stadt verläuft die Demarkationslinie zwischen Ägypten und dem Gazastreifen, dort ist auch der einzige Grenzübergang, der nicht unter israelischer Kontrolle steht. Am Donnerstag sind Beratungen Türks in der jordanischen Hauptstadt Amman geplant. (rtr)
Gaza-Behörden melden 23 Tote durch Luftangriffe
Bei israelischen Luftangriffen am Dienstagmorgen auf den Süden des Gazastreifens sind nach palästinensischen Angaben mindestens 23 Menschen getötet worden. Ziel seien die Städte Chan Junis und Rafah, wo der Grenzübergang zu Ägypten liegt, gewesen, teilt die Gesundheitsbehörde mit. „Das ist die Tapferkeit des sogenannten Israels“, sagt ein Mann, der aus den Trümmern seines Hauses in Chan Junis gerettet wurde. „Sie zeigen ihre Macht und Stärke gegen Zivilisten, Babys da drinnen, Kinder da drinnen und ältere Menschen.“ In Chan Junis allein wurden den Angaben zufolge elf Menschen getötet. (rtr)
Netanjahu: Israel behält Kontrolle über Gaza
Israel wird nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für unbestimmte Zeit die Verantwortung für die Sicherheit im Gazastreifen behalten. „Wir haben gesehen, was passiert, wenn wir sie nicht haben“, sagte Netanjahu in einem Interview mit dem US-Sender ABC auf die Frage, wer nach dem Ende des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der palästinensischen Hamas-Organisation in dem Gebiet regieren sollte. „Denn wenn wir die Kontrolle über die Sicherheit nicht haben, wird der Terror der Hamas in einem Ausmaß ausbrechen, das wir uns nicht vorstellen können.“
Bei einem Treffen in der japanischen Hauptstadt Tokio wollen die G7-Außenministerinnen und Außenminister auch über die Zukunft des Gazastreifens nach Kriegsende sprechen. Außenministerin Annalena Baerbock sagte vor dem Abflug, in Tokio werde es „daher auch darum gehen, über den Tag hinaus zu denken, etwa praktische Schritte zu erörtern hin zu einer Zweistaatenlösung“.
In demselben Interview schloss Netanjahu eine längere Feuerpause im Gazastreifen vorerst aus. „Ohne die Freilassung der Geiseln wird es keine allgemeine Feuerpause im Gazastreifen geben“, sagte er.
Am 7. Oktober hatten Terroristen der Hamas und anderer Gruppen bei Massakern und Angriffen im israelischen Grenzgebiet mehr als 1.400 Menschen getötet und zahlreiche Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Mindestens 240 Menschen befinden sich weiter in der Gewalt der dort herrschenden Hamas. Als Reaktion auf Überfall begann Israel eine Militäroffensive im Gazastreifen, um die militärischen Fähigkeiten der Hamas zu zerschlagen und sie von der Macht zu vertreiben. (dpa)
Weitere Hunderte Ausländer verlassen Gaza
Erneut sollen Hunderte Ausländer sowie Palästinenser mit zweitem Pass an diesem Dienstag den Gazastreifen verlassen und nach Ägypten ausreisen. Unter den etwa 600 Ausreisenden sind etwa 170 Deutsche, wie aus einer Liste der palästinensischen Grenzbehörde hervorgeht. Etwa 150 davon sind Palästinenser mit deutscher Staatsbürgerschaft. Die weiteren Ausreisenden kommen der Liste zufolge unter anderem aus Frankreich, Kanada, der Ukraine, Rumänien und den Philippinen. Am Montag hätten mehr als 300 Ausländer den Gazastreifen verlassen, darunter 100 Ägypter, hieß es aus ägyptischen Sicherheitskreisen. (dpa)
Islamwissenschaftler: Antisemitismus als Staatsräson
Der Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer sieht im Antisemitismus unter zugewanderten Muslimen in Deutschland ein lange vernachlässigtes Problem. Seit 20 Jahren weise er darauf hin, dass der Holocaust, die Gründung des Staates Israel und der Nahost-Konflikt in deutschen Schulen nicht ausreichend behandelt würden, sagte Kiefer dem Evangelischen Pressedienst. Den meisten zugewanderten Muslimen blieben nur die in ihrer Heimat erlernten judenfeindlichen Interpretationsmuster: „Antisemitismus ist in Syrien und vielen weiteren arabischen Ländern seit Jahrzehnten Teil der Staatsräson.“
Viele Menschen seien antisemitisch erzogen. Antisemitische Erzählungen würden seit Jahrzehnten in den Medien wiederholt. Sie seien Teil der Unterhaltungsliteratur, von Fernsehserien zum Ramadan, erläuterte der Islamwissenschaftler am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. Israel werde dämonisiert und delegitimiert als Staat, den es eigentlich nicht geben dürfte. Diese Ideologie brächten manche Geflüchteten mit nach Deutschland. „Und sie wird immer dann nach oben gespült, wenn es in Gaza wieder hoch hergeht.“
Die wahre Geschichte des Staates Israel sei den meisten der Zugewanderten gar nicht bekannt. Kiefer berichtete von einer Begegnung mit etwa 40 aus Syrien stammenden Jugendlichen in einer Moschee in Duisburg vor rund zwei Monaten. „Keiner von ihnen hatte jemals den Begriff Holocaust gehört.“
Die deutsche Bildungspolitik müsse jetzt reagieren, Schulbücher ergänzen, den Umgang mit Antisemitismus in der Lehrerausbildung verankern und die Lehrkräfte sprachfähig machen, forderte Kiefer. Der Nahostkonflikt müsse ausführlicher und proaktiv behandelt werden und nicht erst dann, wenn aktuelle Ereignisse ihn auf den Lehrplan brächten. „Aus vielen Jahren Erfahrung mit islamistisch indoktrinierten Jugendlichen weiß ich, dass es möglich ist, Vorurteile bei jungen Menschen abzubauen und ihnen die Fähigkeit zu kritischem Denken zu vermitteln.“
Kiefer forderte zudem die Moscheegemeinden in Deutschland auf, sich klar zum Existenzrecht Israels zu positionieren und den Terror der Hamas zu verurteilen. „Da waren die bisherigen Verlautbarungen doch eher dürftig und unzureichend.“ Die Gemeinden müssten in den Freitagspredigten und in der Jugendarbeit ihren Beitrag dazu leisten, Antisemitismus abzubauen.
Das gelte auch und besonders für die Gemeinden des aus der Türkei finanzierten Verbandes Ditib, sagte der Professor für Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Dessen Funktionäre müssten sich deutlich von den Hetzparolen des türkischen Präsidenten Erdoğan gegen Israel distanzieren. „Natürlich sehen die sich in einer Zwickmühle, aber wenn man Teil der deutschen Zivilgesellschaft sein will, darf man dazu nicht schweigen.“ (epd)
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