Dobrindts Taser-Vorstoß: Deeskalation statt Elektroschocker
Die Einführung von Tasern wird hierzulande erhebliche Polizeigewalt nicht nur weiterhin normalisieren, sondern ist auch verdammt gefährlich.

D ie autoritäre Wende geht auch hierzulande schrittweise, aber sicher voran. Die Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat in denkbar kurzer Zeit schon einige Stellschrauben in Richtung Autoritarismus gedreht und Innenminister Alexander Dobrindt dreht besonders fleißig mit: Während der CSU-Politiker sich bei seinen rechtswidrigen Zurückweisungen selbst nicht an Law and Order hält und sogar ein Gerichtsurteil ignoriert, will er nun die für den Grenzschutz zuständige Bundespolizei flächendeckend mit Elektroschockern ausstatten. Wohlgemerkt zeitgleich damit, dass Merz „nicht mehr mit gerümpfter Nase“ von Donald Trump reden will, der in L. A. seinerseits gerade Proteste gegen Abschiebungen mithilfe von Soldaten niederschlagen lässt.
Auch wenn wir so weit noch nicht sind: Die Einführung von Tasern wird hierzulande erhebliche Polizeigewalt nicht nur weiterhin normalisieren, sondern ist auch verdammt gefährlich. Denn nichts an den Elektroschockern ist harmlos – wie zahlreiche Todesfälle nach Einsätzen von vier Landespolizeien bereits zeigen. Eigentlich sollen Taser nicht gegen ältere Personen, Menschen mit Herz- oder Lungenproblemen, unter Drogeneinfluss oder in psychischen Ausnahmesituationen eingesetzt werden.
Tatsächlich lassen sich Herz- und Lungenerkrankungen in komplexen Einsatzlage nicht von außen erkennen, und die Polizei setzt Elektroschocker bisher trotz der Risiken vielfach gerade gegen Menschen unter Drogen oder in psychischen Ausnahmesituationen ein – mit verheerenden Folgen vor allem für marginalisierte Gruppen wie Wohnungslose, Geflüchtete, Abhängige und psychisch Erkrankte. Wie Recherchen und Studien zeigen, ist der Taser eine riskante Waffe, die neue Probleme schafft, und kein mildes Allheilmittel, als das die Hersteller es vermarkten.
Was es hingegen bräuchte: ein breiteres Netz psychosozialer Betreuung, bessere Ausstattung von Krisendiensten, mehr Deeskalationsschulungen für die Polizei – und einen an Rechtsstaatlichkeit interessierten Innenminister.
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