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Dobrindts Taser-VorstoßDeeskalation statt Elektroschocker

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Die Einführung von Tasern wird hierzulande erhebliche Polizeigewalt nicht nur weiterhin normalisieren, sondern ist auch verdammt gefährlich.

Alexander Dobrindts Verständnis von Recht und Ordnung: Mit voller Härte durchsetzen – aber nur wenn's ihm gerade passt Foto: Christian Mang/rtr

D ie autoritäre Wende geht auch hierzulande schrittweise, aber sicher voran. Die Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat in denkbar kurzer Zeit schon einige Stellschrauben in Richtung Autoritarismus gedreht und Innenminister Alexander Dobrindt dreht besonders fleißig mit: Während der CSU-Politiker sich bei seinen rechtswidrigen Zurückweisungen selbst nicht an Law and Order hält und sogar ein Gerichtsurteil ignoriert, will er nun die für den Grenzschutz zuständige Bundespolizei flächendeckend mit Elektroschockern ausstatten. Wohlgemerkt zeitgleich damit, dass Merz „nicht mehr mit gerümpfter Nase“ von Donald Trump reden will, der in L. A. seinerseits gerade Proteste gegen Abschiebungen mithilfe von Soldaten niederschlagen lässt.

Auch wenn wir so weit noch nicht sind: Die Einführung von Tasern wird hierzulande erhebliche Polizeigewalt nicht nur weiterhin normalisieren, sondern ist auch verdammt gefährlich. Denn nichts an den Elektroschockern ist harmlos – wie zahlreiche Todesfälle nach Einsätzen von vier Landespolizeien bereits zeigen. Eigentlich sollen Taser nicht gegen ältere Personen, Menschen mit Herz- oder Lungenproblemen, unter Drogeneinfluss oder in psychischen Ausnahmesituationen eingesetzt werden.

Tatsächlich lassen sich Herz- und Lungenerkrankungen in komplexen Einsatzlage nicht von außen erkennen, und die Polizei setzt Elektroschocker bisher trotz der Risiken vielfach gerade gegen Menschen unter Drogen oder in psychischen Ausnahmesituationen ein – mit verheerenden Folgen vor allem für marginalisierte Gruppen wie Wohnungslose, Geflüchtete, Abhängige und psychisch Erkrankte. Wie Recherchen und Studien zeigen, ist der Taser eine riskante Waffe, die neue Probleme schafft, und kein mildes Allheilmittel, als das die Hersteller es vermarkten.

Was es hingegen bräuchte: ein breiteres Netz psychosozialer Betreuung, bessere Ausstattung von Krisendiensten, mehr Deeskalationsschulungen für die Polizei – und einen an Rechtsstaatlichkeit interessierten Innenminister.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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17 Kommentare

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  • Naja, wenn die Alternative zum Taser die Schusswaffe ist? Da sind die Chancen mit einem Taser höher.

    Aber manche denken sicherlich, dass ein Messer ein nettes Werkzeug ist. Pustekuchen! Messer sind Gefässöffnend und lebensfefährlich. Dementsprechend Messer = Schuss. Dann ist der Taser als weniger Tödlich eine echte Alternative!

  • Diese Waffen (Taser) sind beileibe nicht ungefährlich. Sollen sie auch nicht sein. Sie sollen einen Gegner kampfunfähig machen.



    Die vom Autor geforderten Maßnahmen sind sicher alle begrüßenswert und sinnvoll, lenken jedoch davon ab, dass im Einsatzfall der Einsatz von Tasern ein weniger an Gewalt darstellt als ein Schusswaffengebrauch.



    Also: Warum nicht anschaffen? Schließlich geschieht das hier nicht wahllos.

  • Wurde jetzt schon zur genüge gesagt, ich sags aber auch nochmal: lieber Taser als Schusswaffe....

    • @PartyChampignons:

      Nicht, wenn der Polizist, der damit ausgestattet ist, von allen Seiten vermittelt bekommt, der Taser wäre ein harmloses Werkzeug, mit dem er Zeit sparen kann.



      Taser werden bei falscher Schulung auch in Situationen eingesetzt, in denen der Polizist, der nur mit Waffe ausgestattet ist, vielleicht noch Erfolg bei der Deeskalation gehabt hätte.



      Wenn die Schulung aber stimmt, haben Sie recht.

    • @PartyChampignons:

      👍👍

  • Also: Gebrauch von der Schusswaffe ist schlecht. Einsatz von Tasern ist schlecht.



    Was also soll man bei MesserstecherInnen machen? Wattebällchen?



    Bitte um Aufklärung?

    • @Sandra Becker:

      Ich schätze mal das die Hemmschwelle bei Teasern weitaus geringer ist als bei einer Schusswaffe. Der wird dann wahrscheinlich nicht nur bei "MesserstecherInnen" eingesetzt.

    • @Sandra Becker:

      Wie wär's denn mit Deeskalierung, mit deutlich besser ausgebildeten Polizist*innen, mit deutlich mehr psychologischer Begleitung?

      • @Perkele:

        Geht nicht beides?



        Die weniger tödliche Waffe UND bessere Ausbildung?

    • @Sandra Becker:

      Es gibt da ja durchaus verschiedene Szenarien, wenn jemand n Messer in der Hand hat und da muss nicht immer mit der Pistole oder dem Taser reagiert werden. Zum Beispiel wenn ne Person in nem psychischen Ausnahmezustand ist, nen Suizid androht o.ä.

      In Notwehr oder Nothilfesituationen ist das durchaus was anderes. Nur sterben die meisten Menschen durch Polizeikugeln eben nicht dann, wenn bereits Menschen blutend am Boden liegen - und die Polizei ist in diesen Situationen für die Eskalation der Situation eben auch mitverantwortlich.

      • @Piratenpunk:

        Wenn bereits Menschen blutend am Boden liegend, ist der Waffen-Einsatz von der Polizei definitiv zu spät gewesen.



        Besser wäre es, wenn nur der Täter (besser natürlich; Keiner) ausser Gefecht gesetzt worden wäre.

      • @Piratenpunk:

        Nur sind Ihre "verschiedenen Szenarien" nicht unbedingt gleich erkennbar, wenn jemand vor Ihnen mit einem Messer rumfuchtelt. Da hat man u.U. nur Sekunden Zeit zu beurteilen, ob der Messerträger gleich Sie oder andere verletzen könnte. Und dass dann der Selbstschutz Vorrang hat, kann ich nachvollziehen.

  • Wenn ich mir die Zahl der von der Polizei in der letzten Zeit erschossenen Menschen, unbewaffnet oder mit Messern bewaffnet, ansehe, wäre es vielleicht besser man würde Taser statt Pistole und Maschinenpistole nutzen.

  • Auch wenn Elektroschocker unter bestimmten Umständen gefährlich werden können, sind die ja sicherlich ungefährlicher als die bundesdeutsche Dienstwaffe Heckler&Koch P2000, die 9mm Geschosse verteilt. Wenn Elektroschocker die Zahl der durch die Polizei getöteten Menschen reduziert, wäre das ja wohl eher ein Vorteil.

  • Schießen ist gefährlicher.

  • Also die Argumentation ist ja "Lieber Taser als Schußwaffe".

    Und dass das nötig ist haben ja die jüngsten Todesfälle durch Polizeieinwirkung sehr anschaulich dargelegt.



    Oder sollte das gar eine selbsterfüllende Prophezeiung sein ?

    Anzumerken ist noch, dass es die Bundespolizei ist, die an den Bahnhöfen Recht und Ordnung durchsetzt.

    Und da sind Teaser extrem nötig - Sie wollen schließlich als Schwarzfahrer im Zweifel nicht erschossen werden !

  • Soweit so erwartbar.