+ + Nachrichten im Ukraine-Krieg + +: Erbitterte Kämpfe bei Cherson

Andrij Melnyk hat Deutschland verlassen, russische Reservisten müssen sich Schutzwesten selbst kaufen und Anton Hofreiter findet die SPD mal wieder zu lahm.

Ein Mann steht zwischen seinem Auto und der geöffneten Beifahrertür und telefoniert. Auf der zerborstenen Windschutzscheibe liegt eine kleine ukrainische Flagge

Ein Mann inspiziert sein kaputtes Auto nach einem russischen Raketenangriff auf Saporischschja

Ukraine setzt Panzer im Kampf um Cherson ein

Die ukrainische Armee hat nach russischen Informationen einen neuen Angriff zur Befreiung des besetzten Gebietes Cherson im Süden des Landes begonnen. Allerdings gingen die Angaben am Samstag auseinander. Der Vizechef der Besatzungsverwaltung, Kirill Stremoussow, sagte, es habe lediglich Artilleriefeuer gegeben. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, die Attacke sei abgewehrt worden. Dagegen berichteten russische Militärblogger von andauernden erbitterten Kämpfen. Die ukrainische Armee setze viele Panzer und Panzerfahrzeuge ein.

Ziel der Angriffe seien die Orte Dudtschany und Mylowe, um das von russischen Truppen besetzte Gebiet am nordwestlichen Ufer des Dnipro weiter zu verkleinern. Mögliche Rückzugswege der Russen über den Fluss hat die Ukraine mit Artilleriefeuer aus der Ferne in den vergangenen Wochen systematisch abgeschnitten. Von ukrainischer Seite wurden wie in Fällen zuvor keine Angaben zu dem Angriff gemacht. (dpa)

Zerstörung großer Mengen russischer Waffen

Nach Angaben des ukrainischen Militärs haben ukrainische Streitkräfte große Mengen russischer Waffen und Ausrüstung in Antratsyt südlich von Luhansk zerstört. Das Militär teilte auf seiner Facebook-Seite weiterhin mit, russische Streitkräfte hätten mehrere Städte wie Konstantynivka südwestlich von Bachmut und die Stadt Saporischschja mit Artillerie und aus der Luft beschossen. Diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. (rtr)

Energieversorgung in Kiew attackiert

Bei einem Raketeneinschlag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist eine Anlage zur Energieversorgung schwer beschädigt worden. Der Betreiber des ukrainischen Stromnetzes teilte am Samstag mit, Reparaturmannschaften arbeiteten an der Wiederherstellung der Versorgung. Gouverneur Oleksij Kuleba teilte mit, bei dem Angriff sei niemand verletzt oder getötet worden. Der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Kyrylo Tymoschenko, forderte die Bewohner der Hauptstadt und der Umgebung auf, ihren Energieverbrauch in den Abendstunden mit hoher Nachfrage zu reduzieren. (ap)

Putin: Mobilisierung in 14 Tagen abgeschlossen

Der russische Präsident Wladimir Putin geht davon aus, dass die Einberufung von russischen Reservisten innerhalb der nächsten zwei Wochen beendigt sein wird. „Ich denke, dass in etwa zwei Wochen alle Mobilisierungsaktivitäten abgeschlossen sein werden“, sagt Putin auf einer Pressekonferenz in Kasachstan. 222.000 von 300.000 Reservisten seien bereits mobilisiert worden. Russland plane „vorerst“ keine weiteren großen Luftangriffe auf die Ukraine. (rtr)

Russsische Soldaten in Belarus für gemeinsamen Militärverbund

Moskau und Minsk bauen ihre militärische Zusammenarbeit aus: In Belarus sind am Samstag die ersten russischen Soldaten für eine gemeinsame Militäreinheit beider Länder eingetroffen. „Die ersten Konvois russischer Soldaten des regionalen Truppenverbunds sind in Belarus angekommen“, erklärte das Verteidigungsministerium in Minsk. Vom Minsker Verteidigungsministerium veröffentlichte Bilder zeigten russische Soldaten, die von belarussischen Frauen in Tracht mit Brot und Salz begrüßt wurden. Der Auftrag der Soldaten bestehe „ausschließlich darin, den Schutz und die Verteidigung der Grenze zu stärken“, hieß es.

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte die Aufstellung eines gemeinsamen Militärverbundes mit Russland am Montag bekanntgegeben. Die Aussage hatte Befürchtungen ausgelöst, belarussische Soldaten könnten gemeinsam mit der russischen Armee im Osten der Ukraine eingesetzt werden.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski warf Russland vor, „Belarus direkt in diesen Krieg hineinziehen“ zu wollen, und forderte eine internationale Beobachtermission für die ukrainisch-belarussische Grenze.

Belarus ist finanziell und politisch auf Russland als Verbündeten angewiesen. In den Monaten vor Beginn des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine hatte Lukaschenko russischen Truppen erlaubt, in Belarus aufzumarschieren. Belarussische Soldaten nahmen bislang nicht am Angriffskrieg in der Ukraine teil.

In einem am Freitagabend im US-Sender NBC veröffentlichten Interview sagte Lukaschenko, sein Land unterstütze zwar Russland, doch „wir haben niemanden umgebracht und wir werden niemanden umbringen“. Niemand, auch nicht Russland, habe Belarus darum gebeten, „uns an diesem Einsatz zu beteiligen“, bekräftigte Lukaschenko. „Und wir haben auch nicht vor, uns zu beteiligen.“ (afp)

Treibstofflager im russischen Belgograd in Brand geraten

In der Stadt Belgorod nahe der Grenze zur Ukraine ist nach Behördenangaben ein Treibstofflager in Brand geraten. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow machte dafür Beschuss durch die Ukraine verantwortlich. „Ein Geschoss hat das Tanklager im Kreis Belgorod getroffen“, schrieb er am Samstag im sozialen Netzwerk Telegram.

Durch die Großstadt läuft der Nachschub für die russischen Truppen, die den Donbass erobern sollen. Auch die ukrainische Stadt Charkiw wird häufig aus der Region Belgorod beschossen. Deshalb gab es in den vergangenen Monaten mehrere Explosionen in Munitions- oder Tanklagern, die mehr oder weniger klar durch ukrainische Angriffe verursacht wurden. Zuletzt richtete am Donnerstag ein Raketenteil Schäden an einem Wohnhaus in Belgorod an. Dabei könnte es sich aber auch um Reste einer russischen Flugabwehrrakete gehandelt haben. (dpa)

Russische Reservisten müssen selbst für Körperschutz sorgen

Von Russland mobilisierte Reservisten werden nach britischen Angaben mit mangelhafter Ausrüstung in den Krieg gegen die Ukraine geschickt. Kontingente russischer Reservisten seien in den vergangenen beiden Wochen in die Ukraine entsandt worden, schrieb das britische Verteidigungsministerium am Samstag in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Das durchschnittliche Niveau ihrer persönlichen Ausrüstung ist mit ziemlicher Sicherheit niedriger als die ohnehin schlechte Versorgung von zuvor eingesetzten Truppen.“

Viele Reservisten müssten ihren eigenen Körperschutz wahrscheinlich selbst kaufen, vor allem eine moderne Schutzweste vom Typ 6B45, die eigentlich im Rahmen des russischen Ausrüstungsprogramms Ratnik generell an Kampftruppen ausgegeben werden sollte. Deren Preis habe sich im russischen Online-Handel seit April mehr als verdreifacht. (dpa)

USA schnürt Verteidigungspaket in Höhe von 725 Millionen Dollar

Die USA liefern der Ukraine Munition und Militärfahrzeuge im Rahmen eines neuen Verteidigungspakets in Höhe von 725 Millionen Dollar. Dies sagten zwei US-Regierungsbeamte am Freitag. Die Militärhilfe solle die Fähigkeiten der Ukraine zu Gegenoffensive gegen Russland stärken. Waffen zur Abwehr von Raketenangriffen seien darin nicht enthalten. US-Präsident Biden hatte die Finanzierung des neuen Verteidigungspakets für die Ukraine laut einer Mitteilung an das Außenministerium freigestellt. (rtr)

Melnyk hat Grenze zu Polen überquert

Nach fast acht Jahren als ukrainischer Botschafter in Berlin hat Andrij Melnyk Deutschland in Richtung Kiew verlassen. Am späten Vormittag überquerte er mit dem Auto die Grenze nach Polen. Am Montag wird sein Nachfolger Oleksii Makeiev in Berlin erwartet. Der Wechsel an der Spitze der Botschaft wird formell aber erst mit der Akkreditierung bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vollzogen, für die es noch keinen offiziellen Termin gibt.

Der 47-jährige Melnyk war im Januar 2015 Botschafter in Deutschland geworden und hat sich hier mit einer für einen Diplomaten ungewöhnlich harten Gangart gegen die deutsche Staatsführung einen Namen gemacht. In den ersten Kriegsmonaten wurde Melnyk zu einem der häufigsten Gäste in deutschen Talkshows. Kaum ein Tag verging, an dem er nicht Kampfpanzer und Luftabwehrgeschütze forderte und der Regierung Zögern und Zaudern vorwarf.

Scholz erneut für EU-Beitritt von Ukraine und Moldau

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine und Moldau sowie weiteren beitrittswilligen Staaten erneut Unterstützung auf ihrem Weg in die EU zugesagt. Die beiden Staaten gehörten ebenso wie auch Georgien und die Länder des westlichen Balkan „zu uns, zum freien Europa“, sagte Scholz in seiner Rede auf dem Kongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) am Samstag in Berlin.

Scholz erinnerte an die diesen Staaten teils schon vor vielen Jahren zugesicherte Beitrittsperspektive. „Diesen Worten müssen jetzt endlich Taten folgen“, betonte der Bundeskanzler. Die Erweiterung der EU werde auch „ihr Gewicht in der Welt stärker zur Geltung bringen“. Dies sei dann „für alle ein Gewinn“.

Scholz bekannte sich auch erneut zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Die „brutale Invasion“ Russlands sei „ein Angriff auf die europäische Sicherheitsordnung“. Diesen werde die europäische Staatengemeinschaft nicht akzeptieren. Der Kanzler verwies auf die militärische Unterstützung, aber auch auf die gegen Russland verhängten Sanktionen. (afp)

Anton Hofreiter drängt SPD zur Panzerlieferung

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, hat sich erneut für die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine ausgesprochen und namentlich der SPD vorgeworfen, die entsprechenden Schritte zu verzögern. „Ich verstehe nicht, warum das nicht schneller gehen kann. Wir müssen mehr tun“, so der Grünen-Politiker am Rande der Bundesdelegiertenkonferenz im Fernsehsender phoenix. Hofreiter fügte hinzu: „Es sind die Verteidigungsministerin und die SPD, die das bremsen.“ Deren Argumente, kein deutscher Alleingang und logistische Probleme, hielt Hofreiter für vorgeschoben. Auch die Grünen wollten keinen Alleingang, deshalb müsse man das im europäischen Verbund lösen. „Es gibt über zehn europäische Länder, die Leopard 2 nutzen, da gibt es eine ganze Reihe, die uns drängen, die endlich zu liefern“, verdeutlichte Hofreiter seinen Standpunkt. Auch die logistischen Probleme seien lösbar und im Übrigen nicht anders als bei der Lieferung von Gepard-Panzern und Panzerhaubitzen. „Wir müssen endlich alles dafür tun, diesen Krieg zu beenden.“

Die SPD müsse sich zudem fragen lassen, warum sie in anderem Zusammenhang Waffenlieferungen protegiere, so etwa an Saudi-Arabien. „Ich finde es wirklich problematisch, dass die SPD massiv Druck gemacht hat, dass wir Waffen an eine Diktatur liefern, und zögerlich bei der Lieferung von Waffen an eine Demokratie ist, die von einer Diktatur überfallen wird. Das passt nicht“, kritisierte Hofreiter. (dpa)

Saudi-Arabien leistet humanitäre Hilfe für Ukraine

Saudi-Arabien wird der Ukraine 400 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe zur Verfügung stellen. Dies teilt die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA mit. Kronprinz Mohammed bin Salman habe am Freitag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski telefoniert. Dabei habe er auch gesagt, Saudi-Arabien sei weiterhin zu Vermittlungsversuchen bereit. (rtr)

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