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Behörden gegen Anti-Rechts-FestivalAnti-Nazi-Festival in Jamel geht gegen Behörden in Führung

Das Festival „Jamel rockt den Förster“ erzielt vor dem Verwaltungsgericht Schwerin erneut einen Teilsieg. Doch der Rechtsstreit geht weiter.

Im vergangenen Jahr kamen rund 3.000 Leute zum Anti-Rechts-Rock-Festival nach Jameln: Über die Neuauflage wird noch gestritten Foto: Markus Scholz/dpa

Hannover taz | Es ist die jüngste Volte in einem langen und komplizierten Rechtsstreit: Vor dem Verwaltungsgericht Schwerin setzten sich die Veranstalter von „Jamel rockt den Förster“ mit einem Eilantrag gegen die Gemeinde Gägelow durch.

Mit der auch als „Forstrock-Festival“ bekannten Veranstaltung versucht das Ehepaar Lohmeyer seit 2007 Widerstand zu leisten, gegen die völlige Vereinnahmung des kleinen Ortes Jamel, der von Neonazis und völkischen Siedlern zum Musterort auserkoren wurde.

Die Gemeinde Gägelow, zu der Jamel gehört, muss nun einen Pachtvertrag mit dem Festival abschließen, damit dieses – wie in den Jahren zuvor auch – die Wiesen rund um den Veranstaltungsort für den Aufbau, als Park- und Campingfläche nutzen kann.

Dabei darf die Gemeinde nicht verlangen, dass diese Pacht ohne jeden Vorbehalt bezahlt und in keinem Fall zurückgefordert wird. Darüber, ob diese plötzliche Pachtforderung von rund 8.000 Euro zulässig ist, nachdem man die Flächen mehr als 15 Jahre lang unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat, wird nämlich vor Gericht noch gestritten.

Landkreis erlässt etliche Auflagen

Gleichzeitig versucht auch der Landkreis Nordwestmecklenburg weiterhin die Veranstaltung mit etlichen Auflagen einzuschränken. Er will zum Beispiel den Alkoholausschank verbieten. Dazu wurde eine zweite Ordnungsverfügung erlassen, obwohl der Landkreis mit einer solchen Verfügung vor dem Verwaltungsgericht schon einmal gescheitert ist und dagegen Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) eingelegt hat.

Ohne die Entscheidung des OVGs abzuwarten, hat man nun einfach eine zweite Ordnungsverfügung nachgelegt. Nach Aussagen des Anwaltes der Veranstalter, Johannes Eisenberg, unterscheidet sich die inhaltlich aber kaum von der ersten. Der Landkreis wollte dazu am Freitag kurzfristig nicht Stellung nehmen.

CDU-Politiker vor Ort mit heftiger Richterschelte

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass der Landrat Tino Schomann (CDU) mit einem eigenwilligen Rechtsverständnis auf sich aufmerksam macht. Als das Verwaltungsgericht Schwerin am 23. Juli nicht in seinem Sinne entschied und einen großen Teil der versammlungsrechtlichen Auflagen gegen das Festival zurückwies, schäumte er.

Schomann sprach von einem „rechtsfehlerhaften und verfahrenswidrigen Beschluss“ – eine ziemlich heftige Richterschelte für einen Politiker, der selbst kein Jurist, sondern Landwirt ist. Dabei sekundierte ihm der CDU-Kreisvorsitzende Thomas Grote, der gleich auch noch andeutete, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), immerhin Schirmherrin der Veranstaltung, hätte Einfluss auf die Gerichtsentscheidung genommen.

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass der Landrat Tino Schomann (CDU) mit einem eigenwilligen Rechtsverständnis auf sich aufmerksam macht.

Grote erklärte außerdem, man mache sich in der CDU Nordwestmecklenburg große Sorgen um die Unabhängigkeit der Justiz. Das löste große Empörung, nicht nur beim politischen Gegner aus. Auf dem CDU-Blog, auf dem der Kreisverband seine Pressemitteilung veröffentlicht hat, fragte ein Nutzer, ob man sich hier schon einmal als Juniorpartner der AfD ins Spiel bringen wolle.

Die Idee ist nicht ganz abwegig, wenn man das jüngste Agieren des Landrates betrachtet: Gerade drohte er schon einmal dem Flüchtlingsrat mit einer Klage, weil ihm dessen politische Bewertung von Vorgängen in einem Flüchtlingsheim nicht gefiel.

Polizei teilt Einschätzung des Landrates nicht

Dabei teilt wohl nicht einmal die Polizei die Einschätzung des Landrates zu der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die vom Festival „Jamel rockt den Förster“ ausgehen soll – das lässt sich jedenfalls aus der Begründung des Verwaltungsgerichtes herauslesen.

Die Veranstalter sind ohnehin der Meinung, dass das Vorgehen sowohl der Gemeinde als auch des Landkreises in erster Linie ein Anschlag auf ihr zivilgesellschaftliches Engagement ist. Immerhin sitzen im Gemeinderat zwei bekennende Rechtsextreme, Sven Krüger und Stefan Meinecke, von der Wählergemeinschaft „Heimatliebe“.

Und die sind möglicherweise nicht die einzigen, die es dem zugezogenen Hamburger Künstlerpaar übelnehmen, dass es jedes Jahr wieder – laut und bunt, mit der Unterstützung prominenter Musiker und rund 3.000 Teilnehmenden – auf das Nazi-Problem des Ortes aufmerksam macht.

Grundsätzliche Frage noch nicht entschieden

Über die grundsätzlichen Fragen, die mit diesem Rechtsstreit verbunden sind, ist indes immer noch nicht entschieden. Das Hauptsacheverfahren, in dem es dann auch darum gehen muss, ob diese Pachtforderung der Gemeinde berechtigt ist und ob es sich bei dieser Veranstaltung um eine politische Versammlung oder doch eher ein kommerzielles Musikfestival handelt, steht noch aus.

Bisher hat das Verwaltungsgericht nur über mehrere Eilanträge entschieden, die verhindern sollten, dass sich das Ganze organisatorisch von selbst erledigt hat, bevor es überhaupt zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Im Moment sieht es so aus, als könnte das Festival wie geplant am 22. und 23. August stattfinden.

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