Angriff auf das Umweltbundesamt: Giftige Forderungen für mehr Pestizide
Das Vetorecht des Umweltbundesamts bei der Pestizidzulassung muss bleiben. Pestizide schaden der Natur, und Deutschland hat genug erlaubte Wirkstoffe.

A grarlobby und Chemieindustrie kämpfen derzeit hinter den Kulissen in Berlin dafür, dass mehr Pestizide erlaubt werden – sogar dann, wenn sie die Umwelt schädigen. Nichts anderes verbirgt sich hinter den Forderungen von Branchenverbänden, das Vetorecht des Umweltbundesamts (UBA) bei der Zulassung sogenannter Pflanzenschutzmittel zu streichen. Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) und Umweltressortchef Carsten Schneider (SPD) dürfen diesem unverantwortlichen Ansinnen nicht nachgeben.
Erstens stimmt es nicht, dass Bauern in Deutschland zu wenige Pestizide zur Verfügung hätten. Hierzulande waren 2024 laut Umweltbundesamt sogar mehr Wirkstoffe regulär zugelassen als etwa in den Niederlanden oder Polen. Es gibt hier also keinen Wettbewerbsnachteil für deutsche Landwirte – trotz anderer Behauptungen.
Zweitens weist das Umweltbundesamt zu Recht darauf hin, dass die Auswirkungen von Pestiziden auf die Natur vernachlässigt werden. Die Risiken für Amphibien und Reptilien zum Beispiel würden gar nicht erst bewertet für die Zulassung. Untersuchungen haben aber laut UBA gezeigt, dass Frösche durch Übersprühen mit den üblichen Pestizidmengen direkt sterben können. Daher sei es wahrscheinlich, dass die Landwirtschaft derzeit stark zum Rückgang der Amphibien in der Agrarlandschaft beiträgt.
Den Preis zahlt die Umwelt
Auch Insekten, die übersprühtes Pflanzenmaterial fressen, sind der Behörde zufolge nicht Teil der Bewertung. Dasselbe gilt für den Verlust von Ackerwildkräutern, die zahlreichen Insekten und Wirbeltieren als Futter und Lebensraum dienen. Kein Wunder, dass nach UBA-Angaben beispielsweise der Bestand an Feldlerchen und an Rebhühnern drastisch zurückgegangen ist.
Diese Lücken in der Pestizidgesetzgebung sind ein Skandal. Das UBA versucht wenigstens, sie zu schließen, indem es das Beste aus dem defizitären Recht herausholt. Wenn ausgerechnet diese Behörde jetzt geschwächt wird, zahlt am Ende die Natur den Preis.
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