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Die WahrheitGott zahlt keine Steuern

Wie durch ein Wunder verwandeln sich Kneipen in Irland zu Gotteshäusern, verwandelt sich Wein zurück in Weihwasser. Magisch oder eher nicht?

I rland ist die Insel der Widersprüche. Ein feuchtes Land mit zu wenig Wasser, ein Land mit mehr als 15.500 Obdachlosen und 160.000 leer stehenden Häusern. Mithilfe einer Steuer von 3 Prozent auf den Marktwert von Grundstücken, die ungenutzt bleiben, obwohl sie für den Wohnungsbau ausgewiesen sind, will die Regierung jetzt dem Horten von Ländereien entgegenwirken.

Die Erzdiözese Dublin hat sich in Dutzenden von Eingaben an den Stadtrat gewandt, um bis zu 32 leer stehende Kirchen und Gemeindezentren von dieser Steuer zu befreien. Die Anträge wurden von einer Holdinggesellschaft der Erzdiözese eingereicht, die treuhänderisch Immobilien im Auftrag von Kirchengemeinden besitzt.

Dabei hätte man sich einfach in England erkundigen können, wie man am besten Steuern hinterzieht. Dort gibt es einen Trick, der es Vermietern ermöglicht, Gewerbesteuern zu umgehen, indem sie sich auf religiöse Nutzung berufen. Wie durch ein Wunder können dadurch Kneipen zu Gotteshäusern werden, wo sich Wein in Weihwasser zurückverwandelt.

Das ehemalige Wirtshaus Duke of York in Clapham zum Beispiel ist in einem erbärmlichen Zustand. Die Fenster sind zugeklebt, das Holz ist verrottet, Unkraut sprießt durch das Pflaster. Doch auf der Rückseite hat jemand ein Stück Papier an die Tür geheftet, das Passanten einlädt, „eine private religiöse Andacht abzuhalten“. Der Aushang enthält die Kontaktdaten von Faithful Global, einer interreligiösen Organisation, deren Website „die Kraft der Gemeinschaft, der Verbindung und der Inklusion“ predigt.

Die Mission von Faithful Global ist aber eher weltlicher, also finanzieller Natur. Tatsächlich ist die Organisation der Dreh- und Angelpunkt eines Unternehmensnetzwerks, dessen Hauptziel Steuervermeidung ist – auf Kosten der klammen Gemeinden.

Gewinnstreben für göttliche Zwecke

Faithful Global preist sein Geschäftsmodell als geniale Möglichkeit an, das unternehmerische Gewinnstreben für göttliche Zwecke zu nutzen. Die Gewerbesteuern bringen den Gemeinden jährlich 25 Milliarden Pfund ein. Es gibt aber eine Sonderregelung für Immobilien, die Glaubensgemeinschaften für religiöse Aktivitäten überlassen werden. Einen Raum besteuern, in dem Menschen beten? Das wäre ja so, als ob man Gott besteuern würde!

Die Sonntagszeitung ­Observer hat 370 Immobilien in Großbritannien als angeblich „sichere und zugängliche Gebetsstätten für Menschen aller Glaubensrichtungen“ ausfindig gemacht. Die Bandbreite reicht von winzigen Einzelhandelsgeschäften über Bürogebäude bis hin zu Lagerhallen. Die 240 Millionen Pfund, die den Gemeinden dadurch jedes Jahr entgehen, fließen in die Taschen von Faithful Global und seinen Vermieter-Kunden.

Ob das auch für die Grundsteuer in Irland gilt? Ich werde im Garten eine Bank aufstellen und Passanten auffordern, sich kurz für ein Gebet zu setzen.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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5 Kommentare

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  • Wahrheit in Englands, wo Kneipen Kirch Weihe erlangen „Gott zahlt keine Steuern“ sind gegen Wahrheit, was in Deutschland Alltag ist Peanuts, wie WDR-»Monitor« 2015 über Kirchenfonds Aachener Siedlungsgesellschaft berichtet. Diese erwirtschafte »gute Gewinne, die werden kaum ausgeschüttet, sondern verbleiben im Konzern. So wächst das Vermögen im Verborgenen«. Die Aachener Siedlungsgesellschaft rechne sich arm »anstatt ihr Vermögen auszuweisen« und sei Beispiel dafür, »wie deutschen Bistümer ihr Vermögen systematisch kleinrechnen«. Dass der aus Gebührengeldern finanzierte WDR als Medienhaus Unabhängigkeit gegenüber der Institution Kirche wahren muss, mit seinen Mietzahlungen an den Fonds des Konzerns Aachener Siedlungsgesellschaft dessen Vermögen mehrt. Da Kirchen lt. Restitutionsgesetz 1919 neben Befreiung von Kapitalertragssteuern bei Kauf, Verkauf von Ländereien, Grundstücken, Immobilien, entpflichteten Kirchen befreit sind, über Steuerprivileg verfügen, gelten Kirchenfonds für privates Kapital als legale Steueroase an deren Steuerbefreiung zu profitieren, ohne das wie Kirchen bilanzieren zu müssen. So bekamen Gebiete Adels s. der Bismarcks Sachsenwald gemeinefreies Steuerprivileg

  • Hatte denn nicht noch wer Probleme mit der Steuerbehörde? Karel ... Gott?

  • Religionen sind dazu da, Geld einzunehmen, nicht um Steuern zu zahlen 😀

  • In dem Fall kann ich als gläubiger Atheist mich mal wieder für ein Stoßgebet durchringen.



    Schöne Geschäftsidee - Slainte

  • Der Klerus (wie der Adel) war traditionell steuerfrei.

    JC hatte aber nicht mal den Esel, auf dem er einritt. Er wies seine Jünger an, eigentlich kein Eigentum zu haben. Vielleicht könnten die Zöllner von heute ja mal darauf verweisen?