Neubau der Strecke Hamburg-Hannover: Die Bahn will an die Autobahn
Der Konzern hat bekanntgegeben, dass er eine neue Strecke entlang der Autobahn A7 bauen will. Bislang galten andere Vereinbarungen.

Außerdem bringt der Neubau laut Bahn zusätzliche Potenziale für neue Nahverkehrshalte wie zum Beispiel im Heidekreis. Auf der bestehenden Trasse zwischen Hannover und Hamburg werde so Platz für ein besseres und zuverlässigeres Nahverkehrsangebot geschaffen.
Etwa 240 Personen- und Güterzüge sind an jedem Tag zwischen Hamburg und Hannover unterwegs. Das heißt: Alle sechs Minuten passiert ein Zug die 130 Kilometer lange Strecke. Die Auslastung liegt nach Angaben eines Bahnsprechers bei 147 Prozent. Die Überlastung zeigt sich auch in der Pünktlichkeit, die bundesweit im Juli 2024 bei 62 Prozent lag. Auf der Strecke Hannover–Hamburg fällt der Wert noch schlechter aus: Nur 56 Prozent aller Züge waren pünktlich.
Sollte der Neubau realisiert werden, hätte sich das Schienenverkehrsprojekt Alpha-E erledigt. Es sah den Ausbau verschiedener Bahnstrecken in Niedersachsen vor. 2015 war das Projekt im Dialogforum Schiene Nord als Alternative zur damals geplanten Y-Trasse mit großer Mehrheit der Beteiligten beschlossen worden.
Beirat: Bahn will Fakten schaffen
Der noch bestehende unabhängige Projektbeirat Alpha-E verweist auf die damals erzielte Einigung. Wohl um Fakten zu schaffen, starte die Bahn jetzt eine Ausschreibung für die Raumverträglichkeitsprüfung einer Neubaustrecke, bemängelt der Beirat. Damit drohe der Ausbau „direkt an die Wand“ gefahren zu werden: „Wir fragen uns, auf welcher politischen Beschlusslage diese Ausschreibung beruht. Bisher wurde keine Entscheidung für eine Neubaustrecke getroffen.“
Hinzu kommt dem Beirat zufolge, dass aktuell die finanziellen Mittel an allen Ecken fehlten. Viele Projekte der dringend notwendigen Generalsanierung seien finanziell nicht abgesichert: „In dieser Situation weitere Ressourcen in eine Neubauplanung zu stecken, obwohl klar ist, dass keine finanziellen Mittel zur Realisierung vorhanden sind, ist unverantwortlich.“ „Bei Stuttgart 21 war schließlich so viel Geld investiert, dass sich niemand mehr traute, das Projekt noch abzubrechen“, sagt Beiratssprecher Peter Dörsam. Vielleicht gebe es bei der DB Entscheidungsträger, „die auf etwas Ähnliches spekulieren.“
Auch Offizielle im Kreis Harburg sind über die Ankündigung der Bahn wenig amused. „Dieser Vorstoß der Bahn ist eine klare Missachtung aller bisherigen Vereinbarungen“, erklärt Landrat Rainer Rempe (CDU) und sieht sich dabei im Einvernehmen mit örtlichen Bundes- und Landtagsabgeordneten. „Bei einem Neubau würden Naturräume und Siedlungsgebiete brutal durchschnitten und einige Orte inselartig zwischen Autobahn und Bahn eingeschlossen“, greift Rempe auch Bedenken von Umweltschützern auf. Betroffene fürchteten die Belastung durch Schnellzüge vor ihrer Haustür, die Zersiedlung von Landschaften und jahrzehntelange Baustellen. „Die Weiterverfolgung der Neubaustrecke würde immense Nachteile für die Region bedeuten“, so Rempe.
Zustimmung aus der SPD
In Harburgs Nachbarkreis Lüneburg kann die Bahn dagegen auf Verbündete zählen. Die SPD-Abgeordneten Jakob Blankenburg (MdB) und Philipp Meyn (MdL) begrüßen das Neubauvorhaben und sprechen von einem „Befreiungsschlag für den norddeutschen Bahnverkehr“. „Die Entscheidung der Bahn bringt endlich Klarheit und ermöglicht echte Fortschritte“, sagt Blankenburg. Mit der Sanierung der Bestandsstrecke werde die bestehende Infrastruktur fit gemacht. Gleichzeitig schaffe die Neubautrasse entlang der A7 dringend benötigte zusätzliche Kapazitäten. Nur diese Variante könne die prognostizierten Verkehrsbedarfe abdecken.
Zustimmung für die neuen Pläne kommt auch von Adis Ahmetović, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Hannover: „Die heutige Entscheidung der Bahn ist ein klares Bekenntnis zur wirtschaftlichen Zukunft unseres Landes“, sagt er. „Wer Mobilität, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zusammen denken will, muss genau solche Projekte jetzt entschlossen voranbringen.“
Die Landtagsgrünen mahnen für die Planungen Transparenz und Mitsprache an. Sie treten dafür ein, dass Details der Umsetzung zügig in einem Beteiligungsverfahren geklärt werden. Hierfür eigne sich ein Bürger:innenrat mit Vertreter:innen aus den direkt und indirekt betroffenen Regionen.
Auch die Bahn kündigt Bürgerbeteiligung an. Das Projektteam will im Herbst eine Tour durch die Region starten, um den Landkreisen und Kommunen detaillierte Karten und Inhalte etwa zum Lärmschutz) vorzustellen und die Meinungen der Menschen in der Region aufzunehmen. Der nächste große Schritt im Planungsprozess solle noch in diesem Jahr die parlamentarische Befassung des Bundestages sein.
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