Klöckner, Musk, Wagenknecht: Der Zirkus im Bundestag
Außerdem im Wochenrückblick: Beim BSW gibt es keine Brandmauer zur AfD und Deutschlands EM-Fußballerinnen machen Werbung für Thermomix.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Elon Musk will eigene Partei gründen.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Große Enttäuschung bei der AfD.
taz: Sollte der Reichstag ein bisschen mehr Zirkuszelt wagen?
Küppersbusch: Ist doch super gelaufen. Julia Klöckner hat in nur drei Monaten so viel Porzellan zerdeppert, dass sie definitiv nicht auch noch Bundespräsidentin wird. Die Regenbogenfraktion empört sich ebenso typgerecht, ohne eine Sekunde darüber innezuhalten: Mit der Beflaggung zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit am 17. Mai genießt sie bereits ein Privileg. Es ist die einzige Sonderbeflaggung des Reichstagsgebäudes. Natürlich wäre ein verlauster Schlafsack noch hübsch, um an die Wohnungsnot zu gemahnen, oder ein gelber Pullunder zum Gedenken an die FDP. Bevor wir da ins Träumen kommen: Es ging nicht um Debatte. Klöckner positioniert sich einmal mehr als rechtspopulistisches Fräulein Rottenmeiner, und die linke Fankurve liefert die gewünschte Wallung. Zirkus halt.
taz: BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sagt, die Brandmauerpolitik habe die AfD immer stärker gemacht. Wagenknecht ist offen für Gespräche mit der AfD. Hat sie recht?
Küppersbusch: Die Union hat ja gerade ausprobiert, wie man das zweitschlechteste Ergebnis der Parteigeschichte einfährt, wenn man sich der AfD annähert. Na dann los, Sahra! Sie übernimmt die AfD-Behauptung, es sei „undemokratisch“, wenn man eine Koalition ausschließt. Mit der Logik kann man auch Zwangsehen prima finden. Nein, es ist eben gerade demokratisch, auf Unvereinbarkeit zu bestehen. Das BSW teilt AfD-Positionen zu Russland, zu Migration, zu „Wokeness“. Die müssen keine Münchhausiaden über Demokratie erzählen, um sich gleich und gleich zu gesellen.
taz: Die Fußball-EM hat begonnen! Deutschlands Frauen zeigen uns vorher aber noch eben, wie man einen Thermomix richtig benutzt. Ist bei diesem Sponsoring etwas falsch gelaufen?
Küppersbusch: Der Vorwerk-„Kobold“ hatte Imageprobleme wegen der Dissertation „Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern“. Legendär auch Loriots „Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann“. Was auch immer man geraucht haben muss, um beim Zusammenschrauben vom Staubsaugern am Ende mit einem Schnellkochtopf dazustehen, wirbt zusätzlich Sympathie für die Marke ein. Also Vorwerk – alles richtig gemacht. Dass nun Nationalspielerinnen Küchengerät öffentlich streicheln sollen, ist natürlich entwürdigend. Aber hey – equal pay, equal Blödsinn.
taz: Donald Trump hat seine Big Beautiful Bill durchgebracht, das Gesetz streicht Steuern für Reiche und Sozialleistungen für Arme. Wie sieht die USA in 20 Jahren aus?
Küppersbusch: Wie ein Land, dem es scheißegal ist, wie es in 20 Jahren aussieht. Wir wohnen einem großen Menschenversuch bei, für den auch die viel erwogene Schublade Faschismus nicht viel Prognose abwirft. Faschos wollten einen starken Staat und regierten mit privaten Schlägerarmeen. Trumpismus demoliert den Staat zugunsten von Oligarchen und versucht, die Nationalgarde gegen Demokraten zu hetzen. Am Ende sind wenige ultrareich, das eint beide Herrschaftsformen. Der Faschismus brauchte den Zweiten Weltkrieg, um seine Industrie zu bereichern, Trump versucht’s erst mal so.
taz: FDP-Chef Dürr nennt die Sommerhitze „sehr schönes Wetter“ – interessiert eigentlich noch jemanden, was die FDP sagt?
Küppersbusch: Wenn es Gagschreiber gibt, die selbst für Mario Barth zu schlecht sind, eröffnet die traditionelle Arbeiterpartei FDP hier eine faire Chance. Dürr liest alles vor.
taz: Diskutiert Deutschland zu viel über Maxim Billers Kolumne und zu wenig über getötete Menschen in Gaza?
Küppersbusch: Die Zeit bestellt einen Autor, der für Geschmacklosigkeit, Verletzung von Persönlichkeitsrechten und „Hundert Zeilen Hass“ bekannt ist. Dann zieht sie seinen Text zurück, weil sich darin geschmacklose Witzchen, persönliche Diffamierungen und ungebremster Hass finden. Ein guter Deal, Biller kommt mal wieder vor, und die Zeit gibt ihrem Publikum ein frivoles Gefühlchen. Nur das Thema war halt ungeeignet.
taz: Dobrindt will mit den Taliban reden, um einen Abschiebedeal auszuhandeln. Was sollte er den Taliban von Ihnen ausrichten?
Küppersbusch: Hütet euch vor religiösen Fundamentalisten.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Die als prollig verschrienen „Jungs von der Hafenstraße“ Rot-Weiss gegen den „Lackschuhklub“ Schwarz-Weiß: Derby, zurzeit dritte gegen fünfte Liga, solides 5:1.
ist Journalist, Produzent und guckt Frauschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
ACAB-Streitgespräch mit Jette Nietzard
„Herr Bohnert ist kein Bastard“
Gesellschaft in der Klimakrise
Nicht Hitze führt zu Klimabewusstsein, sondern Hilfe
Tesla-Chef will Partei gründen
Elon Musk sagt Trump mit „Amerika-Partei“ den Kampf an
Aufarbeitung von NS-Verbrechen
Mit 60 Litern Benzin zur Synagoge
Bauministerin Verena Hubertz
Bauen first, Bedenken second
Fragen und Antworten zur Wohnkrise
Eine riesige Baustelle