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Nach Compact-VerbotJetzt erst recht

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Das gekippte Compact-Verbot beweist, dass die Bemühungen um ein AfD-Verbot sinnlos wären? Im Gegenteil: Es liefert umso mehr Argumente dafür.

Jürgen Elsässer, Compact-Chefredakteur: Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen Magazins „Compact“ aufgehoben Foto: Hendrik Schmidt/dpa

D as Compact-Verbot ist gescheitert, wirkt aber trotzdem. Zwar konnte der Rechtsextremist Jürgen Elsässer mit seiner Systemsturzpostille vor Gericht das von der früheren SPD-Innenministerin Nancy Faeser verhängte Vereinsverbot kippen. Doch in der dem Magazin fast schon parteispendenverdächtig nahen AfD sorgt das Urteil interessanterweise für Unruhe. Einige reden von einem „Pyrrhussieg“ und fürchten ein erhöhtes Risiko für ein Parteiverbot.

Das liegt vor allem an der Urteilsbegründung, die wohl auch das erstaunlich laute Schweigen der AfD-Spitze zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erklärt. Wirklich brisant für sie dürfte die Passage zum Rechtsextremisten und Kopf der Identitären Bewegung Martin Sellner sein. Das Gericht führt darin dezidiert aus, dass Sellners „Remigrationskonzept“ (sprich Vertreibungskonzept) gegen die Menschenwürde und das Demokratieprinzip verstößt, da es Deutsche erster und zweiter Klasse schafft. Compact feiere Sellner als „Helden“ und verbreite dessen verfassungsfeindliche Konzepte.

Warum wurde das Magazin dann trotzdem nicht verboten? Weil in der Fake-News-Schleuder noch genug anderer Bull­shit steht, der aber nicht illegal ist. In der Gesamtschau sind dem Gericht Sellners Rassismuskonzepte nicht „prägend“ genug. Bei Vereinsverboten greift das Verwaltungsrecht, und da gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nach dem Aussagen möglichst wohlwollend auszulegen sind.

Doch hier liegt das Problem für die AfD: Ein bisschen verfassungsfeindlich gibt es hier schon länger nicht mehr. Die Vielzahl an Belegen für Verletzungen der Menschenwürde macht ein Verbot wahrscheinlicher. Die völkische Linie Sellners prägt die Partei schon längst. AfD-Politiker reden vom „schleichenden Genozid an Deutschen“, hetzen gegen Minderheiten und nehmen rechte Gewalt dabei billigend in Kauf. Vor allem mit Blick auf den Minderheitenschutz bleibt es deswegen auch weiterhin richtig, ein Verbotsverfahren ernsthaft zu prüfen und vorzubereiten.

Die AfD ist mehr als eine rechte Propagandazeitung

Einen fanatischen Putin-Anhänger mit eigener Propagandazeitung muss die wehrhafte Demokratie wohl aushalten. Bei einer bedrohlich stärker werdenden rechtsextremen Partei sieht das Grundgesetz explizit anderes vor – aus historischen Gründen. Trotz der Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch von einem Verbotsantrag abzusehen – ja, ihn nicht einmal zu prüfen –, bleibt daher politisch fahrlässig. Auch wenn der Verbotsantrag nach dem Compact-Urteil politisch tot zu sein scheint, sollte die Demokratie prüfen, ob sie ihre Zersetzung weiter mit Steuergeldern finanzieren will.

Die Strategie, die AfD „politisch zu stellen“, scheitert, solange sie sich auf das Kopieren rassistischer Inhalte beschränkt und eine Abkehr von Jahrzehnten neoliberaler Politik, die soziale Ungleichheit und politische Entfremdung verstärkt hat, ausbleibt. Diese Entwicklungen bereiten den Boden für autoritäre Verschiebungen. Die Demokratie darf dem nicht tatenlos zusehen.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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1 Kommentar

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  • Und dennoch wird es keinen Verbotsantrag geben, zumindest nicht von der Bundesregierung oder aus dem Bundestag heraus. Die SPD ist zu feige und die Union möchte sich zum einen einen möglichen Koalitionspartner nicht verprellen und zum anderen benötigt sie die AfD zur Rechtfertigung ihrer eigenen unmenschlichen Migrationspolitik.