SS-Lieder und Rechtsrock: Antifa verhindert Nazi-Aufmarsch in Berlin
Blockaden verhindern im Stadtteil Friedrichshain einen Aufmarsch von rund 850 Neonazis. Die Polizei nahm mindestens 85 Personen fest.

Im Laufe der Veranstaltung nahm die Polizei nach eigenen Angaben insgesamt 85 Personen fest, mehrheitlich Teilnehmende der rechtsextremen Versammlung. Als Grund nannte sie verfassungsfeindliche Symbole, das Zeigen des Hitlergrußes und Verstöße gegen das Vermummungsverbot.
Eigentlich wollten die Neonazis rund 7 Kilometer quer durch den Stadtteil marschieren. Vom Ostkreuz sollte es über die Stralauer Allee, die Warschauer Straße und die Frankfurter Allee in die Rigaer Straße gehen. Diese ist für ihre teils linksradikalen Wohnprojekte bekannt. Vorab wurde die Demoroute behördlich jedoch auf den westlichen Teil der Rigaer Straße beschränkt.
Doch nicht einmal dorthin haben die Neonazis es geschafft. Denn Antifaschist*innen, laut Polizei Berlin waren es mehrere Tausend, blockierten die Nazi-Demo – und das auf vielfältige Weise: Ab 12 Uhr starteten an verschiedenen Orten entlang der Nazi-Route Gegenkundgebungen und Protestzüge. Angemeldet waren insgesamt elf Gegenveranstaltungen, zum Beispiel von den Gruppen Ostkreuz bleibt bunt, Omas gegen Rechts, Geradedenken und Queermany Berlin.
Entlang der Demoroute hatten sich Hunderte postiert, um dem rechten Aufmarsch lautstark zu begegnen. Auf dem Dach des Clubs About Blank waren Banner angebracht, mit Aufschriften wie „Antifa. Weiter. Machen“ und „FCK Nazipack“. Auch bei den Gegendemonstrierenden kam es laut Polizei zu Festnahmen, etwa aufgrund des Vorwurfs des Landfriedensbruchs.
Kleine Gruppen mit großem Hashtag
Vorab hatten sich verschiedene rechtsextreme Gruppen angekündigt. Wie der Tagesspiegel berichtete, waren darunter etwa die „Gersche Jugend“ aus Thüringen, die „Chemnitzrevolte“, die vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet wird. Erstmals mobilisierte auch eine Gruppe, die sich im Netz als „Kampf Brigade Berlin“ inszeniert und dabei ungeniert den Hashtag „Nationalsozialisten“ verwendet.
Gekommen war auch die klassische Neonaziklientel. Sie trugen Thor-Steinar, eine beliebte Szene-Marke, und Shirts mit Aufschriften wie „Good Night, Antifa Scum“. Ihr Anheizer und Ex-AfD-Politiker Ferhart Sentürk gibt sich gern bürgerlich. Mit Parolen wie „Ob Ost, ob West, nieder mit der roten Pest“ und „Antifa, Hurensöhne“ heizte er seine überwiegend jugendlichen Anhänger an.
Diesmal bewarb der Möchtegern-Führer Sentürk den Aufmarsch auch mit einem Auftritt des rechtsextremen Musikers Hannes Ostendorf der Rechtsrock-Band „Kategorie-C“. Der Verfassungsschutz Bremen stuft die Band seit 2010 als „gewaltbereite Rechtsextremisten“ ein.
Erst am vergangenen Wochenende wurde in Sachsen-Anhalt ein Konzert der Band noch vor Beginn polizeilich verboten. In der gewaltbereiten neonazistischen Szene ist Ostendorf schon lange aktiv. 1991 war Ostendorf an einem Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Bremen beteiligt.
Dann spielte Sentürk auch noch das Lied „SS marschiert im Feindesland“ (Grüne Teufel). Sentürk's „Lieblingslied“, wie er sagte. Die Polizei prüfte das Lied. Verboten sei das laut einer Polizeisprecherin jedoch nicht, da es sich um eine abgewandelte Version handele.
Polizei eskortiert Neonazis
Schließlich durfte die Neonazi-Demo doch einige Meter laufen. Nach 50 Metern war jedoch wieder Schluss. In Kleingruppen wurden die Teilnehmenden zum Ostkreuz eskortiert. Der Veranstalter löste den rechtsextremen Aufmarsch nach etwa vier Stunden selbst auf.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Gruppierung um Sentürk im Friedrichshain aufmarschiert. Bereits Mitte Dezember vergangenen Jahres beteiligten sich rund 60 junge Neonazis an einem Aufmarsch in Berlin Friedrichshain. Antifaschistische Proteste samt Straßenblockaden sorgten dafür, dass der Aufmarsch im Dezember frühzeitig beendet wurde. Mehrere Tausend beteiligten sich auch damals an Gegenprotesten. Im Zusammenhang mit dem Aufmarsch im Dezember steht auch ein mutmaßlicher Neonazi-Angriff auf SPD-Mitglieder an einem Wahlkampfstand in Lichterfelde-Ost.
Im Februar dieses Jahres mobilisierten Sentürk und seine Gefolgschaft rund hundert junge Neonazis nach Berlin-Mitte. Ungestört verlief auch dies nicht. Die rechte Provokation wurde auch hier von Gegenprotesten und Straßenblockaden begleitet.
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