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Parkinson durch PestizideFehlgeleitete Bauern

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die Parkinson-Fälle durch Pestizide zeigen: Wenn Bauern von ihnen verursachte Gesundheits- und Umweltprobleme leugnen, schaden sie sich selbst.

In Frankreich wurde Parkinson durch Pestizide bereits 2012 als Berufskrankheit anerkannt Foto: Imago

D as Drama um die Tausenden von Bauern mit Parkinson-Syndrom legt Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft offen. Vor allem: Viele Landwirte leugnen einfach, dass ihre Branche große Schäden an Umwelt und Gesundheit verursacht. Der Bauernverband bezweifelt immer noch, dass Pestizide Parkinson auslösen können. Nur bei zwei inzwischen nicht mehr zugelassenen Mitteln räumt er dieses Risiko ein.

Obwohl Frankreich Parkinson durch Pestizide bereits 2012 als Berufskrankheit anerkannte. Obwohl der zuständige Ärzteausschuss beim Arbeitsministerium 2023 feststellte: Zahlreiche Studien belegen, dass Pestizide Parkinson auslösen können. Bei betroffenen Landwirten, die an mindestens 100 Tagen Mittel jeweils einer Wirkstoffgruppe eingesetzt haben, sollte eine Berufskrankheit festgestellt werden. Dann könnten sie großzügigere Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie von der Krankenkasse bekommen.

Doch der Bauernverband lehnt die Anerkennung als Berufskrankheit mit fadenscheinigen Argumenten ab. Er beruft sich auf das Gutachten einer Behörde, die selbst an Pestizidzulassungen beteiligt ist und damit einen Interessenkonflikt hat. Sie hat in ihrer Stellungnahme die wichtigsten Studien noch nicht einmal erwähnt. Der Bauernverband verrät die erkrankten Landwirte und das nur wegen eines kurzfristigen finanziellen Vorteils: Er will verhindern, dass die Höfe dauerhaft höhere Beiträge für die Unfallversicherung zahlen müssen.

Nur falls es bei der Anerkennung als Berufskrankheit bleibt, fordert der Verband, dass der Bund die Kosten für die Parkinsonpatienten übernimmt. Es ist legitim, dass eine Lobby höhere Sozialbeiträge abwehren will. Aber doch bitte nicht auf Kosten der Opfer, die unter einem schweren Schicksal leiden.

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Aus der Causa müssen Bauern Lehren ziehen: Sie sollten nicht Funktionäre wählen, die sich am Ende gegen sie wenden. Und: Sie müssen die Umweltprobleme ihrer Branche, zum Beispiel Pestizidschäden in der Natur, lösen – auch, weil sie ihnen irgendwann selbst schaden könnten.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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14 Kommentare

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  • Es geht vor allem um Lindan. Es gibt bereits zahlreiche Studien, die einen Zusammenhang bestätigen. Und wie immer nimmt der Staat sich aus der Verantwortung. Unfassbar.

  • Welche Wirkstoffgruppen stehen, über die zwei bereits verbotenen Mittel, in Verdacht, Parkinson auszulösen oder die Erkrankung neben anderen Faktoren zu begünstigen oder den Verlauf zu verschlimmern?



    Wenn es, laut Autor, dazu bereits zahlreiche Studien gibt, müssten diese ja auch konkret benannt werden können.

    Wenn von "Tausenden von Bauern mit Parkinson-Syndrom" gesprochen wird, warum ist der Anteil von an Parkinson Erkrankten laut Auskunft der LKK bei den Bauern nicht höher als in der übrigen Bevölkerung?

  • Ja, die einzig rel. gangbare Lösung wäre ja die gewesen,dass die EU Subventionen dazu hergenommen werden, den Bauern, die keine Industriellen sein wollen, die Möglichkeit zu geben, dafür bezahlt zu werden, dass sie als Retter der Umwelt, der Artenvielfalt und des Klimas beitragen, aber das wäre mal was demokratisches gewesen, nicht diese ständige corporate rule, also Unternehmens Herrschaft, die wir als Demokratie verkauft bekommen, denn dabei hätten die großen GenTech & Fossilen Düngemittel Industrien verloren und die werden uns auch noch als existenziell vorgebetet werden ( Bayer-Monsanto, BASF) wenn die ganze Ökologie und das Grundwasser, die Insekten und Vögel und der Rest hin sind, wir werden das kaum überleben, oder aber als seelenlose Anhängsel von unseren Computern, die ewig leben wollen...

  • Ab wann werden autoritäre Entwicklungen sozial pathogen: Nicht nur, dass der NS Volkskörperwahn ungebrochen zum Deportationswahn wird, der dann die für die hiesigen alten Leute gebrauchten migrantischen Pflegekräfte abschiebt, besonders bei den Bauern zeigt sich, wie autoritärer Kapitalismus zu sozialer auto-immun Krankheit wird: die Menschen rotten sich zusammen, um für sie selbst Gesundheits schädliche Entscheidungen zu erreichen. Evolutionär rückwärts in die Selbstzerstörung, oder öko-sozial und menschenrechtlich in eine nachhaltige Zukunft, also als Menschheit nicht als sich selber und andere vernichtende Nationen, die die Selbstzerstörung feiern und den Hass als Potenzmittel einsetzen, weil sie keine Liebe in sich haben, nicht für sich, nicht für andere und nicht für den Planeten. Lieber rasen sie mit ihren Ersatz potentenAutos in Menschenmengen, wenn ihnen diese Ersatz Potenz Impulshaft das verdrängte Leiden an sich selbst zu spüren droht. Als die Autonomen Linken sich noch versammelten, sagte ich immer : Ich bin Auto-los, damals hat den Witz niemand verstanden, aber : wir hängen alle voneinander ab zum überleben, das wäre ein Grund für Make Love-not war & für Agrar Ökologie

  • Studien belegen ja auch Zusammenhänge mit anderen Krankheiten. Bspw. 22 Pestizide, die mit Prostatakrebs in Zusammenhang stehen. Ich kenne einen Landwirt, der so begeistert von den Wirkstoffen war, dass er sie sogar in seinem Garten eingesetzt hat. Bis er dann Prostatakrebs hatte und sich alle gefragt haben, ob möglicherweise ein Zusammenhang besteht.

  • Gut gebrüllt, Löwe. Nur: Sind wir nicht alle Bauern?

    Noch jeder Löwe, der brüllend zum großen Sprung abgehoben ist, ist früher oder später als Bettvorleger gelandet. Einfach deswegen, weil JETZT das ist, was wirklich zählt. Alles andere ist viel zu ungewiss.

    Lieber belügt ein Mensch, der die Wahl hat, sich selbst und seine Mitmenschen, als dass er auf eine ungewisse Zukunft setzt. Denn die Zukunft ja nicht wirklich ungewiss. Weil die (Macht-)Verhältnisse sind, wie sie nun einmal sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Widerstand bestraft wird, größer als die, dass er sich lohnt. Auch wenn die wenigsten Menschen das so formulieren würden - die Erfahrung machen wir alle. Jeden Tag wieder.

    Und: Nein „die Bauern“ MÜSSEN die Umweltprobleme ihrer Branche keineswegs lösen, denn niemand zwingt sie dazu. Die Mächtigen verdanken ihre Macht schließlich dem aktuellen Zustand.

    Zwang wirkt, weil Menschen Angst kennen - und Hoffnung. Erst wenn die Gegenwart mehr Angst macht als eine Zukunft, die noch nicht ganz gewiss, ändern Menschen ihr Verhalten. Ob sie nun Bauern sind, Journalisten oder Angestellte, spielt dabei keine entscheidende Rolle. Journalistische Arroganz ist in sofern echt albern.

  • Wie immer: Follow the money.



    Es gibt zu viele gierige Menschen eben auch beim Bauernverband, wen wundert es?



    Trotzdem ist es unklug von einem Verband, so zu handeln. Zumindest aus PR Gründen sollte man den Anschein von Solidarität wahren.

  • Der Bauernverband hat sich in den letzten 30 Jahren nicht verändert.

    2001 erhielt der damalige Präsident dieses Vereins, "Sonnleitner, den Negativpreis Dinosaurier des Jahres als Deutschlands größter Umweltsünder vom Naturschutzbund Deutschland. Begründet wurde die Preisvergabe mit seiner „konsequente(n) Bremsleistung in Sachen Agrarwende“, die sich unter anderem in seiner „bemerkenswert schlichte[n]“ Lobbyarbeit, seiner „ständige[n] Litanei gegen jeden noch so überfälligen Reformschritt vom Bundesnaturschutzgesetz bis zur Ökosteuer“ und seinem „permanente[n] Nein zu Verbesserungen bei der Tierhaltung und der Reduzierung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln“ äußere."

    Gnadenlos nicht nur gegen Natur und Umwelt sondern auch gegen die Bauern selber. Parkinson ist hammerhart.

    Längst meiden wir Bauernhöfe bei denen das Leid der Tiere unerträglich ist, z. B. die Anbindehaltung. Die Massentierhaltung. Die Tierindustrie ist der ultimative Horror.

    Danke übrigens dafür über 80 Prozent des Insektenbestands dieses Landes gekillt zu haben. Plus 80 Prozent des Vogelbestands vor 1980.

    Der Bauernverband ist ein Synonym für Krankheit und Tod.

    de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Sonnleitner

  • "Viele Landwirte leugnen einfach, dass ihre Branche große Schäden an Umwelt und Gesundheit verursacht."



    Danke, dass das in dieser Klarheit endlich mal benannt wird! Gedeckt werden sie durch die Politik und ihre Verbände. Gleichzeitig werden Grüne diffamiert und übergriffig attackiert.

  • Erst Jahrzehnte lang behaupten das es keine Probleme gibt und hinterher eines besseren belehrt und kein bißchen draus gelernt.



    Ich hab da wenig Mitleid.

  • Dieser Fall zeigt, dass so einiges in der Bauern-Lobby falsch läuft. Wird sich mit einem CSU-Minister-Darsteller wohl leider auch nicht ändern: Die stellen immer ihre eigenen Interessen über die der Bevölkerung und schwurbeln sich dann eine Rechtfertigung zurecht ...

    • @Christian Lange:

      Özdemir, so sehr ich ihn schätze, hatte da leider die letzten Jahre auch keine großen Erfolge für Tiere, Natur und Umwelt vorzuweisen.

      Aber klar, die CSU ist sehr schlimm für diese Bereiche. Gruselig, was da so mancherorts abläuft.

  • “Er beruft sich auf das Gutachten einer Behörde, die selbst an Pestizidzulassungen beteiligt ist und damit einen Interessenkonflikt hat.”

    Das Gehabe des Bauernverbandes mal dahingestellt: Den Satz müssten Sie dann doch mal erläutern, Hr. Maurin. Was für Interessenskonflikte hat denn bitte die Zulassungsbehörde eines demokratischen Staates. Natürlich darf man deren Gutachten inmate Detail kritisieren, aber mir fällt spontan keine Institution ein, der ich hier pauschal mehr Neutralltät zugestehen würde.

    • @bernd konfuzius:

      Wenn die Behörde die infrage stehenden Pestizide zugelassen hat, hat sie den Interessenskonflikt ihren einen Arsch zu retten.