Krieg im Ostkongo: EU als Sündenbock für geplatzte Friedensgespräche
Kongos M23-Rebellen nutzen EU-Sanktionen, um Teilnahme an Friedensgesprächen mit der Regierung abzusagen. Ruanda bricht Beziehungen mit Belgien ab.

Für diesen Dienstag waren in Angolas Hauptstadt Luanda die ersten direkten Verhandlungen zwischen der Regierung der Demokratischen Republik Kongo und den M23-Rebellen angesetzt, die im Osten des riesigen Landes entlang der Grenze zu Ruanda einen Landstrich erobert und zwei wichtige Handelsmetropolen unter ihrer Kontrolle haben.
Angolas Präsident João Lourenço ist von der Afrikanischen Union (AU) vergangenes Jahr offiziell zum Mediator zwischen den Konfliktparteien ernannt worden. Kongos Präsident Felix Tshisekedi hat eine fünfköpfige Delegation unter der Führung von Ex-Verteidigungsminister Jean-Pierre Bemba nach Luanda entsandt. Es ist das erste Mal seit Beginn des Krieges 2021, dass er Bereitschaft zeigt, mit den Rebellen zu verhandeln, die er bislang als „Terroristen“ bezeichnet hat. Bislang hat Tshisekedi nur Gespräche mit seinem ruandischen Amtskollegen Paul Kagame geführt, dessen Armee die M23 militärisch unterstützt.
Die M23 hat ebenso eine Delegation nach Angola geschickt, bestätigte M23-Präsident Bertrand Bisimwa gegenüber der taz. Sie wird von Benjamin Mbonimpa angeführt, dem M23-Exekutivsekretär. Bisimwa selbst hält sich in der von der M23 eroberten ostkongolesischen Millionenstadt Goma auf und konnte nicht reisen, da Kongos Regierung auf ihn und weitere M23-Führer ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt hat.
M23: „Sanktionen machen Fortschritte zunichte“
Als Grund für die Absage nennt die M23 in einer Erklärung nun offiziell die „Sanktionen, die sukzessive gegen unsere Mitglieder verhängt werden, vor allem diejenigen, die zur Vorbereitung der Luanda-Gespräche beigetragen haben“. Sie „unterminieren ernsthaft jeglichen direkten Dialog und machen jeglichen Fortschritt zunichte.“
Gemeint sind damit die Sanktionen, die die Europäische Union (EU) am Montag gegen zahlreiche Akteure des Kongo-Krieges verhängte. Darunter M23-Präsident Bisimwa, M23-Geheimdienstchef Oberst John Nzenze oder Joseph Bahati, der von der M23 in der Provinz Nord Kivu als Gouverneur eingesetzt wurde, eine „illegale Verwaltung, die von der M23 unter Verletzung von Kongos Souveränität“ installiert wurde, so die EU-Erklärung.
„Gegen die benannten Personen gilt ein Reiseverbot und das Einfrieren ihrer Vermögenswerte. Zudem ist es EU-Bürgern und Unternehmen untersagt, ihnen finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen“, heißt es von Seiten der EU.
Sanktioniert wird auch die ruandische Gold-Raffinerie Gasabo in Ruandas Hauptstadt Kigali, die „für den illegalen Import von Gold aus von der M23 kontrollierten Regionen verantwortlich“ sei. Dies trifft Ruanda besonders hart, das einen Großteil seiner ausländischen Devisen mit dem Goldexport erwirtschaftet.
EU-Sanktionen auch gegen Ruanda
Zudem stehen auf der Sanktionsliste drei ruandische Offiziere, darunter Generalmajor Ruki Karusisi, der bis vor wenigen Tagen die ruandischen Spezialeinheiten befehligte, die im Kongo stationiert sind. Ruandas Präsident Kagame hat die EU-Sanktionen wohl kommen sehen, er hat Karusisi erst vor wenigen Tagen ersetzt.
Im Gegenzug hat Ruandas Regierung am Montag den belgischen Botschafter aus dem Land geworfen und alle diplomatische Beziehungen zu Belgien abgebrochen. Als Grund nennt die Regierung in ihrer Erklärung Belgiens „jämmerliche Versuche, die neokolonialen Wahnvorstellungen aufrecht zu erhalten.“ Damit spielt Kigali auf die Rolle Belgiens innerhalb der EU an, die Sanktionen gegen die M23 und Ruanda voranzutreiben.
Verwiesen wird in der ruandischen Erklärung ausdrücklich auf Belgiens „destruktive historische Rolle, den ethnischen Extremismus anzuheizen“, der 1994 in einem Völkermord gegen die Tutsi-Minderheit in Ruanda gipfelte.
Belgien hatte zur Zeit der Kolonialherrschaft in Ruanda die ethnischen Kategorien „Hutu“ und „Tutsi“ in den Personalausweisen eingeführt und die Hutu-Armee später unterstützt, die den Völkermord an den Tutsi plante und befehligte. Bis heute halten sich zahlreiche mutmaßliche Völkermörder ungestraft im Exil in Belgien auf.
Trotz Waffenstillstands gehen jetzt die Kämpfe weiter
Die M23 macht also nun die EU für die gescheiterten Friedensgespräche verantwortlich. Darauf reagiert der ehemalige EU-Botschafter in der DR Kongo, Jean-Marc Châtaigner – jetzt zuständig für einige Länder Westafrikas – auf der Onlineplattform X entrüstet: „Die Sanktionen der Europäischen Union verbieten absolut nicht die Teilnahme einer Delegation der Rebellenbewegung M23“, so Châtaigner. „Dies ist ein schwacher Vorwand, um sich dem Druck der diplomatischen Verhandlungen zu unterziehen und eine Lösung für das Problem in #RDC zu finden.“
Derweil wird im Ostkongo weitergekämpft, trotz eines Waffenstillstands, den Angolas Präsident am Sonntag ausgerufen hat, um die Friedensgespräche zu unterstützten. Die M23 sind auf dem Vormarsch auf die Bezirkshauptstadt Walikale, wo die US-Firma Alphamin Zinn fördert. Die Firma hat vergangene Woche alle Bergbauarbeiten aus Sicherheitsgründen eingestellt.
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