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Indirekte Kritik an HabeckGrüne Jugend dringt auf Menschlichkeit in Asylpolitik

Ärger im Wahlkampf: Mit einem 10-Punkte-Plan reagiert die Nachwuchsorganisationen der Grünen auf einen 10-Punkte-Plan des eigenen Kanzlerkandidaten.

Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, spricht bei der Bundesdelegierten-Konferenz der Grünen Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin dpa | In Reaktion auf das Zehn-Punkte-Papier für eine „Sicherheitsoffensive“ von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck legt die Grüne Jugend ein eigenes Papier vor. In dem Plan mit dem Titel „Humanität durch Sozialstaat“ widerspricht der Parteinachwuchs dem Vizekanzler.

Sie verteidigt das Grundrecht auf Asyl, fordert eine Stärkung des Sozialstaats und Prävention. Unter anderem müsse „die zunehmende Radikalisierung junger Männer, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft (…) gesellschaftlich bekämpft werden.“ Hierzu brauche es spezielle Angebote, die „auf geschlechterbasierter Gewalt junger Männer ausgerichtet sind“, heißt es in dem Papier. Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet.

„Wer an Integration und Humanität in diesem Land interessiert ist, investiert in den Sozialstaat und beschließt keine rassistischen Anträge mit den Nazis im Bundestag“, sagte die Sprecherin der Grünen Jugend Jette Nietzard. Weiter sagte sie: „Ich bin es leid, dass einige Teile der Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt werden und möchte, dass wir endlich über Lösungen sprechen (…). Deshalb legen wir einen 10-Punkte-Plan vor, der Lösungen benennt, statt Menschen gegeneinander auszuspielen.“

Habeck hatte am Montag – pünktlich zum CDU-Parteitag – in der Bild-Zeitung eine „Sicherheitsoffensive“ lanciert. In dem 10-Punkte-Plan macht er sich unter anderem für mehr Abschiebungen stark. In dem dazugehörigen Papier fordert Habeck mit Blick auf offene Haftbefehle eine „Vollstreckungsoffensive mit Schwerpunkt auf Islamisten und anderen Extremisten“. Und: „Nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle müssen konsequent abgeschoben werden.“

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17 Kommentare

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  • „zunehmende Radikalisierung junger Männer“ Hier wird ein Teil der Gesellschaft unter Generalverdacht gestellt, incl. Transmänner.

  • Ich vermute, so kurz vor der Wahl wird Habeck die offene Konfrontation vermeiden.



    Nur muss er sich dann eben auch dazu erklären, wie er sich ggf. Verhandlungen mit der CDU vorstellt. Wenn er sich in dieser Frage nicht durchsetzt, sind die ganzen Verhandlungsangebote faktisch Schall und Rauch.



    Damit wird aber auch das strategische Interesse der Grünen an der AfD deutlich. Solange die CDU darauf verzichtet, ihre eigenen Anträge mit Hilfe der AfD durchzubringen, haben SPD und Grüne de facto ein Vetorecht. Es ist aber jetzt schon abzusehen, dass die CDU - allein schon aus Selbsterhaltungstrieb - künftig immer weniger Lust haben wird, ihre eigenen politischen Gestaltungsmöglichkeiten vom innerparteilichen Frieden der Grünen abhängig zu machen.



    Wollen Grüne und SPD tasächlich Szenarien wie in der letzten Woche vermeiden, werden sich beide daher wohl etwas mehr bewegen müssen.

    • @Schalamow:

      Merz will Kanzler werden. Dafür sollte man Partner haben.



      Nicht nur Redenschwingen und Opposition können, sondern auch Verlässlichkeit, Strategie und Verhandlung.



      Da ist Merz nur auf Platz 3, und da bin ich gerade noch nett.



      Als Union hätte ich einen Plan B in der Schublade. Günther oder sogar ein reaktivierter Laschet hätte deutlich mehr Erfahrung und Anschluss.

      • @Janix:

        Es bleibt die Frage, wie man Wähler von der AfD zurückgewinnt.



        Nur wird das eine "re- merkelte" CDU schwerlich schaffen. Bei der Debatte im Bundestag gingen die schärfsten Angriff der AfD gegen die Merz-CDU; beide Parteien kämpfen um die gleichen Wähler. Will die AfD wachsen, kann sie das nur in deren Feld.



        Auch das wissen alle Beteiligten. Deshalb können SPD und Grüne sich in der Hinsicht auch ganz enspannt zurücklehnen. Ihre zur AfD abgewanderten Wähler hat die SPD offenbar längst abgeschrieben. Politische Angebote an AfD-Wähler gibt es weder von ihr noch von den Grünen. Lieber betreibt man Symbolpolitik und hofft, dass der Spuk schon irgendwann von ganz alleine wieder verschwindet. Das gehört dann aber auch schon in den Bereich "magisches Denken".

  • Die grüne Jugend ist links, die Spitze rechts. Da wundert mich nur warum nicht noch mehr die Partei verlassen.

    • @TV:

      Weil Grüne Multikulturalität nur lieben, so lange sie jung sind und keine Kinder haben.

      Wenn sie denn erstmal Eltern sind, achten sie sehr genau darauf achten, wo sie wohnen und in welche Schulen ihre Kinder gehen.

      Baerbock wohnt ja auch in Potsdam und nicht in Neukölln.

      Ob das nun gleich rechts ist, bezweifle ich.

    • @TV:

      Aktuell sind wieder 5000 Menschen bei den Grünen eingetreten aber so lebt halt jeder in seiner Realitität.

      • @Gesunder Menschenverstand:

        Das bezog sich auf die große Gruppe die vor wenigen Monaten die grüne Jugend verlassen hat um sich weiter links aufzustellen. Dass Nietzard und Kollegen nun doch ähnliche Positionen vertreten, aber nicht ausgetreten sind, ist irritierend, aber immerhin sympathisch.

  • Was gilt denn nun, Habeck oder grüne Jugend?



    Vielleicht sollten die Grünen sich mal einig werden, welcher Plan nun für den Wähler entscheidend ist, der von Habeck oder der von den grünen Jugend. Davon machen sicher viele ihre Entscheidung abhängig.

  • Wunderbare Wahlunterstützung für die mögliche Schwarz/Rote -Koalition.

    … andererseits ist es sehr lobenswert, dass den Wähler:innen transparent und glaubhaft aufgezeigt wird, wie „Humanität“ umgesetzt werden soll.

    • @Tepan:

      Wozu braucht man Grüne, die die selbe asoziale Menschenrechtspolitik, die selbe Verweigerung zum Umweltschutz und die selbe Umverteilung hin zu den Milliardären machen wie die CDU?



      Richtig, die braucht niemand! Von daher ist derjenige, der am meisten Wahlwerbung gegen die Grünen macht, Robert Habeck!

  • Gut so GRÜNE Youngsters! Das ist sehr, sehr gut und auch zu diesem Zeitpunkt!!

  • Beides: Es sind leider auch bei diesem Thema eher die jungen Männer aller Herkunft, die auffällig werden. Teils auch die Familienväter aller Herkunft.



    Die jetzt gleich stigmatisieren? Besser nicht. Aufmerksam sein und gezielte Maßnahmen reichen.

    Habeck ist sehr bedacht und klug unterwegs gewesen. Er will die Union in der Sackgasse nicht komplett bloßstellen und ihr den Rückweg öffnen.



    Aber nicht die Nettigkeit übertreiben: Falsches Framing wird bitte schon aus Prinzip nicht übernommen.

  • Schwierig ist die Simplifizierung dieses sehr komplexen Themas. Dort Habeck, der scheinbar wahllos abschieben will. Was natürlich nicht geht, zum zehntausendsten Mal. Dort wo es geht sollte es aber gemacht werden. Dass man aber offene Haftbefehle gegen Extremisten vollstreckt, was kann man dagegen haben?



    Frau Nietzard, die schon öfter durch schräge Einwürfe aufgefallen ist, setzt hier an der falschen Seite an. Natürlich muss integriert werden, aber nur dort wo Integration möglich ist, Islamisten müssen bekämpft werden, natürlich auch durch den Rechtsstaat. Wer das tut ist noch kein Kumpan der Nazis, sondern tut, was geboten ist. Frau Nietzard kann man hier zurecht Naivität und Weltfremdheit vorwerfen.

  • Wo gehts denn zum Generalverdacht? Auch so, sie selbst! "Hierzu brauche es spezielle Angebote, die „auf geschlechterbasierter Gewalt junger Männer ausgerichtet sind"."

    • @Tom Farmer:

      Es hat eine gewisse Komik, wenn man den einen Generalverdacht durch den anderen ersetzt und sich dann für voll differenzierend hält.

  • "Mehr Menschlichkeit in der Asylpolitik."

    Wir leben in einem globalen Dorf. Wir wissen, dass über 100 Millionen Flüchtlinge unterwegs sind. Wir wissen auch, dass 800 Millionen hungern, davon 300 Millionen hart hungern. Wir wissen, dass weltweit Kinder unter sieben Jahren im 10-Sekunden-Takt verhungern.

    Die UNHCR arbeitet mit einem Jahresbudget von 10 Milliarden Dollar fünfzigmal effektiver als wir hier in in unserem Migrationssystem mit 50 Milliarden Euro. Habe mal eine ARTE-Doku über die Arbeit der UNHCR gesehen. Die machen einen Top-Job.

    Mit drei Milliarden Euro rettet man drei Millionen Kinder vor dem Verhungern.

    Vielleicht wäre das mal eine Überlegung für die jungen Grünen weg von der nationalen Flüchtlingspolitik auf international zu schalten und für einen 10-Milliarden-Dollar-Scheck für die UNHCR zu plädieren.

    In den Fußgängerzonen so mancher Städte in Deutschland arbeiten wirklich tolle junge Leute und sammeln für die Flüchtlingsorganisation der UNHCR. Mein größter Respekt.

    Und die Welthungerhilfe könnte auch weit mehr Geld gebrauchen.

    Wake up, Grüne Jugend!