Vorauseilender Jahresrückblick 2025: Alte reiche Männer tun Gutes. Wir sagen Danke! Danke! Danke!
2025 stehen Machtwechsel an, die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, und es schlägt die Stunde der Mäzene, die sich ein Denkmal setzen wollen.
1. Januar
Beim Neujahrsempfang im Hamburger Rathaus stolpert einer der in traditionelle Tracht gekleideten „Wasserträger“, sein Eimer kippt um und ergießt sich über die Rathaustreppe. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verzieht keine Miene, seine Stellvertreterin Katharina Fegebank (Grüne) kichert verstohlen. Gemäß einem lokalen Aberglauben bringt Wasserverschütten im Rathaus Unglück („Mors Mors“). In Bremen fällt der Neujahrsempfang im Rathaus aus, nachdem die Haushaltsnotlage festgestellt worden ist. Bremen wird unter Bundesaufsicht gestellt.
9. Januar
Beim Blankeneser Neujahrsempfang für die gehobenen Schichten im Hotel Grand Elysée kommt Friedrich Merz zu spät, weil sein Pilotenschein abgelaufen ist. FDP-Alteisen Wolfgang Kubicki drängelt sich vor, muss aber seine Rede abbrechen, als die Nachricht die Runde macht, dass die Enkelkinder des Hamburger Steakhouse-Oligarchen Eugen Block schon wieder entführt worden sind, diesmal im Auftrag ihres inzwischen auf den Seychellen lebenden Vaters. Die Mutter, Steak-Erbin Christina Block, verlässt den Raum mit einem abhörsicheren Handy, das sie aus einer versteckten Falte ihres kurzen Schwarzen zieht.
2. Februar
Die Hamburger Kulturbehörde zieht sich überraschend aus den Verhandlungen mit dem Milliardär und Hamburger Super-Mäzen Klaus-Michael Kühne zurück, der im Tausch gegen die alte, unter Denkmalsschutz stehende Staatsoper in der Innenstadt eine neue, viel größere und schönere Oper in der Hafencity bauen will. Aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, man habe sich über die Architektur nicht einigen können. Zum Ausgleich soll Kühne eine Fläche auf der Insel Neuwerk vor Cuxhaven bekommen, die nur mit Pferdekutschen über das Watt erreichbar ist. Da würden seine Pläne nicht weiter stören.
3. Februar
Klaus-Michael Kühne gibt eine Pressekonferenz, auf der er mitteilt, dass er an seinen Oper-Plänen für die Hafencity festhält. Das vorgesehene Grundstück, auf dem bisher nur Lagerhäuser stehen, habe er längst gekauft, über die Architektur, die dem Anker-Logo seines Logistik-Imperiums nachempfunden ist, lasse er nicht mit sich verhandeln. Die Bauarbeiten beginnen sofort, die Oper soll noch zu Lebzeiten des 87-jährigen „Herzens-Hamburgers“ mit Wohnsitz in der Schweiz fertig werden.
4. Februar
Den traditionellen ersten Spatenstich auf der Baustelle der Kühne-Oper nimmt der Mäzen persönlich vor, seine Frau Christine steht im Pelz daneben und klatscht. Aus der Stadtpolitik ist niemand geladen. Von der Elbe her weht ein eisiger Wind.
23. Februar
Bei der vorgezogenen Bundestagswahl gewinnt wie erwartet die CDU mit ihrem Kandidaten Friedrich Merz, an zweiter Stelle folgt überraschenderweise die SPD, noch vor AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht. „Das ist der verdiente Erfolg unserer konsequenten Abschiebepolitik“, freut sich der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Im Dezember hatte seine Übergangsregierung mit Hilfe der CDU den „Aktionsplan Rückführung“ verabschiedet, der das Asylrecht auf ein Jahr beschränkt.
27. Februar
Dieter Bohlen tritt in die Fußstapfen seines Vorbilds Elon Musk und wird von Friedrich Merz zum Berater berufen. Bohlen solle neuen Schwung in die Nationalhymne bringen, erklärt Merz. Der „Pop-Titan“ aus Tötensen verkauft sein dortiges Studio und mietet eine riesige Halle in Babelsberg an, um sich von der Nähe der Macht inspirieren zu lassen.
2. März
Die SPD gewinnt zwar die Hamburg-Wahl, aber die Grünen schmieden mit CDU, Volt, Linkspartei und BSW eine Anti-SPD-Regierung, Fegebank wird Erste Bürgermeisterin.
3. März
Peter Tschentscher erfährt bei Gyros/Pommes in seinem Barmbeker Stammrestaurant per SMS, dass er nach Berlin gerufen wird, um Finanzminister der neuen Merz-Regierung zu werden. „Beim Gyros mag ich ja die Würze – und so schmeckt mir auch die Vorstellung, den Berliner Dilettanten nun endlich mal ordentliches Regieren vorzuleben“, erklärt er kauend seiner ihm gegenüber sitzenden Frau.
17. März
Die Hamburger SPD ist durch die ungewohnte Rolle in der Opposition in der Krise und intern zerstritten. Olaf Scholz kehrt zurück, weil es in Berlin für ihn nichts mehr zu tun gibt. „Ihr habt Führung bestellt, ihr kriegt sie auch“, sagt er vor der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, die allerdings noch nicht vollzählig aus der Mittagspause zurück ist, andere weilen noch in den Hamburger Skiferien. Scholz schreibt die Namen der Abwesenden auf eine Giftliste, vergisst deren Inhalt jedoch sofort.
1. April
Nach dem Rückzug des Konsortiums um den Hamburger Investor Dieter Becken ist die Zukunft des Hamburger Elbtowers wieder ungewiss. „Zähneknirschend“ stimmen die regierenden Hamburger Grünen dem Vorschlag ihres Koalitionspartners CDU zu, die vom österreichischen Investor René Benko hinterlassene Ruine zur Zwischenlagerung von Atommüll in Castor-Behältern zu nutzen.
15. April
Bevor die ersten Castortransporte gen Hamburg rollen, kommt den Grünen eine bessere Idee für den Elbtower: Weil bei den fragilen Mehr-Parteien-Koalitionen in Bund und Ländern eh zu erwarten ist, dass dauernd gewählt werden muss, wird er zur dauerhaften Zentralen Stimmzettelzählstelle erklärt. Der Volt-Schulsenator verpflichtet alle Gymnasiallehrer*innen zum Zähldienst, die Schule fällt dort vorerst flächendeckend aus.
1. Mai
Der HSV steigt unter Trainer Bruno Labbadia erneut nicht auf. Die frühere Trainerin der Werder-Mädchen Marie-Louise Eta übernimmt; Klaus-Michael Kühne will seine Anteile verkaufen, erhält aber keine Angebote.
10. Mai
Der schwedische Konzern Northvolt kündigt an, seine Batteriefabrik bereits ein Jahr früher als geplant im Herbst fertigstellen zu wollen. Die Dithmarscher Arbeitskräfte seien nach der Abschaffung aller Lohnvorschriften durch die Merz-Regierung so billig, dass sich der Export der Batterien nach China lohne.
17. Mai
Die Container-Reederei MSC übernimmt auch die restlichen Anteile am Hamburger Hafen und führt den vollautomatischen Containerumschlag ein. 2.000 Hafenarbeiter*innen verlieren ihren Job. Mit dem eingesparten Geld kauft der „MSC Hafen-Hamburg“ die Terminals in Bremerhaven und Wilhelmshaven auf. „Es kommt nun endlich zur Hafenkooperation, so wie sich das alle gewünscht haben“, sagt MSC-Chef Søren Toft, der auch zum Hamburger Wirtschaftssenator ernannt wird.
23.Juni
Göttingen ist endgültig pleite, schlappe 50 Millionen fehlen in der Stadtkasse, aber niemand gibt der abgehalfterten Universitätsstadt noch Kredit. Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) macht darum ihre Drohung wahr, das autonome Jugendzentrum Juzi zu schließen, das im Jahr 50.000 Euro kostet. Die Autonomen wehren sich drei Tage lang mit brennenden Barrikaden gegen die polizeiliche Übermacht, dann ziehen sie sich zurück.
1. Juli
Göttingens Oberbürgermeisterin fährt mit ihrem Dienstwagen an dem von ihr geräumten Jugendzentrum vorbei und entdeckt ein Transparent, das dort hängen geblieben ist: „Nehmt ihr uns das Juzi, nehmen wir euch das Rathaus“. „Gar keine blöde Idee“, denkt Broistedt – und beschließt, ihr Büro ins Jugendzentrum zu verlegen und das Rathaus teuer unterzuvermieten.
3. Juli
Noch vor ihrem ersten Arbeitstag im neuen Büro im Juzi wird die Göttinger Oberbürgermeisterin von einem Fahrrad angefahren. „Jetzt reicht es“, sagt Broistedt und beschließt ein stadtweites Fahrradverbot. „Ich wusste schon, warum ich vergangenes Jahr mit allen Mitteln gegen den Radentscheid agitiert habe“, denkt die in einer warmen Therme sitzende Bürgermeisterin während der Reha im Kurstädtchen Bad Lauterberg im Harz.
15. Juli
Die Göttinger Antifa schlägt zurück und besetzt für eine Nacht das von der Oberbürgermeisterin geräumte Rathaus. Dann geht den Autonomen das Bier aus und sie fahren nach Hause, nicht ohne vorher ein Foto zu verbreiten, das drei Punks mit hochgereckten Daumen im Amtszimmer der Oberbürgermeisterin zeigt.
27. August
Der in die Krise geratene VW-Konzern setzt jetzt ausschließlich auf die Produktion von Straßenbahnen, so wie es Klimaaktivist*innen schon länger fordern – die Straßenbahnen werden ein Welterfolg, das Land Niedersachsen als VW-Anteilseigner verdient sich dumm und dämlich und lässt seine Staatskanzlei vergolden.
30. August
VW bietet an, auch ein Straßenbahnwerk in Hamburg aufzubauen, aber die Grünen sind dagegen, sie favorisieren nach wie vor den Bau von U-Bahnen, die frühstens im Jahr 2050 fertig werden.
10. September
Die Block-Enkel werden freigelassen, es geht ihnen gut. Sie hätten viel Eis gegessen, erzählen sie. Die Entführer werden von einem Killerkommando liquidiert. Sie habe damit nichts zu tun, versichert die Mutter, die eiserne Steakhouse-Erbin Christina Block. Als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber den Hamburgern für die gezeigte Solidarität reduziert sie den Preis für ein Ribeye-Steak für 24 Stunden um 3 Prozent, es kostet jetzt nur noch 23,67 Euro.
30. September
US-Präsident Donald Trump besucht in Begleitung seines Beraters Elon Musk das Auswandererhaus in Bremerhaven, um die Spuren seiner Familie zu finden. „Hier irgendwo fuhren sie los“, erklärt Trump und blickt auf das graue Meer, über dem die Möwen kreisen. Musk schlägt vor, die Fahrt mit einem gepanzerten Elektro-U-Boot nachzustellen, Trumps Toupet macht bei dem starken Wind den Abgang.
5. Oktober
Trotz der Haushaltsnotlage ballert Bremen weiter fröhlich Geld raus, vergisst aber, die maroden Weserbrücken zu sanieren. Eine nach der anderen stürzt ein, der Verkehr kommt zum Erliegen, die Stadt ist geteilt. Es werden Neuwahlen angesetzt.
7. Oktober
In Hamburg zerbricht die Koalition aus Grünen, Volt, CDU und BSW, wegen ihrer Farbenvielfalt auch „Jamaika auf LSD“ genannt, als das Bündnis Sahra Wagenknecht auf einem E-Auto-Verbot besteht. Es muss neu gewählt werden.
10. Oktober
Die vielen Neuwahlen sorgen für Papiermangel in Deutschland, der Bund kauft zur sicheren Durchführung der nächsten Wahl alles vorhandene Papier überteuert auf – nun beginnt das wirklich große Zeitungssterben. Nur die Neue Osnabrücker Zeitung erscheint weiter, ihrem nach rechts abgedrifteten Herausgeber Jan Dirk Elstermann gehört die Druckerei Meinders & Elstermann, die dem Bund für seine Wahlen nichts verkaufen will. Als Zeichen für die durch den Staat bedrohte Pressefreiheit gewährt Elstermann der Jungen Freiheit kostenlos bei ihm drucken zu dürfen.
17. Oktober
Auf Beschluss von Bundeswirtschaftsminister Jens Spahn bekommen alle Zeitungen staatliche Zuschüsse für die digitale Transformation – nur die taz nicht, die seit heute unter der Woche nur noch online erscheint. „Die linken Zecken haben das doch ganz gut alleine hingekriegt“, lobt Spahn den Unternehmergeist aus der Friedrichstraße in Berlin-Kreuzberg.
31. Oktober
Trump wird zusammen mit Musk vor dem Bremer U-Boot-Bunker Valentin gesehen, ohne seine Haare hätte man ihn fast nicht erkannt. Die Bremer Immobilienpreise schießen sofort in die Höhe.
1. November
Auf der Autobahn bei Bremen-Mahndorf wird Dieter Bohlen mit 270 geblitzt.
3. November
Der österreichische Spekulant René Benko klagt erfolgreich gegen seine Insolvenz und bekommt den Elbtower zurück – just in dem Moment, in dem dort die Wahlauszählung zur neuesten Hamburgwahl stattfindet. Benko macht umgehend sein Hausrecht geltend, eine Hundertschaft des SEK räumt das Gebäude, Wahlzettel fliegen in die Elbe. Es muss noch mal gewählt werden.
10. November
Kühne-Oper: Kurz vor der für 1. Dezember vorgesehenen Fertigstellung reißt eine Sturmflut das 60 Milliarden teure Opernhaus weg – Kühne ist pleite, sogar seine Villa auf Mallorca wird gepfändet. Von seiner vor der Côte d’Azur liegenden Yacht aus ruft er bei seinem alten Freund, dem österreichischen Investor René Benko an, um zu fragen, was zu tun ist.
13. November
Die Batteriefabrik von Northvolt in Dithmarschen ist fertiggestellt, die Einweihung findet bei starkem Wind statt. Bundeskanzler Merz konnte mit seinem Flugzeug wegen des Wetters nicht starten, darum legt Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) den Schalter um und löst damit einen Kabelbrand aus, der die gesamte Fabrik in Flammen setzt. Der Feuersturm über Dithmarschen lässt die Windräder rotieren wie nie, das Stromnetz bricht zusammen.
10. Dezember
Als den Präsident*innen der niedersächsischen Hochschulen die jährlichen Weihnachtsgrußkarten zum Unterschreiben vorgelegt werden sollen, fällt auf, dass es in ganz Niedersachsen keine Hochschul-Präsident*innen mehr gibt. Keine der vakanten Stellen war neu besetzt worden und es war niemandem aufgefallen.
24. Dezember
Bei einer Pressekonferenz in Bremen kündigt Kühne an, mit dem neu gegründeten Kühne+Benko-Konsortium eine Oper in Bremen zu bauen, direkt am Weserufer und in Sichtweite der alten, inzwischen abgewrackten Kühne+Nagel-Zentrale. Bedingung: Der Bremer Senat muss das von der taz mitinitiierte „Arisierungs“-Mahnmal abreißen lassen, das auf die Naziverstrickungen seiner alten Firma hinweist. „Das ist ja jetzt Schnee von gestern“, so Kühne zur versammelten Weltpresse aus taz und Weser-Kurier.
31. Dezember
RTL kündigt eine neue Testosteron-Show mit Dieter Bohlen an: „Heul doch, Baby“, in der die abservierten Ex-Freundinnen von Prominenten auseinandergenommen werden. Elon Musk verspricht, die Show auf X live zu kommentieren: „Das wird ein Spaß“, freut sich Bohlen.
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