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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs will Israels Regierungschef, den Ex-Verteidigungsminister und einen Anführer der Hamas vor Gericht bringen.

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Netanjahu, den früheren Verteidigungsminister Galant (l) und gegen einen Anführer der Hamas erlassen Foto: Shir Torem/ap

Weltstrafgericht erlässt Haftbefehle

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. Haftbefehle wurden ebenfalls gegen den früheren israelischen Verteidigungsminister Joaw Gallant und den Anführer der radikal-islamischen Hamas, Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (auch als Mohammed Deif bekannt) ausgestellt, wie der IStGH in Den Haag am Donnerstag mitteilte. Zu den vorgeworfenen Verbrechen gehörten Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen. Netanjahu und Gallant werde auch der Einsatz von Hunger als Kriegsmittel vorgeworfen.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, hatte die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant wegen der Kriegsführung im Gazastreifen und gegen mehrere Hamas-Anführer wegen des Überfalls der palästinensischen Extremistengruppe auf Israel beantragt. Israel erkennt den IStGH nicht an. Die Frage einer Umsetzung eines Haftbefehls gegen Netanjahu hatte in Deutschland eine scharfe Debatte ausgelöst. Israel hatte erklärt, Al-Masri bei einem Luftangriff getötet zu haben, die Hamas hat dies weder bestätigt noch dementiert.

Der Chefankläger hatte ursprünglich auch Haftbefehle für die beiden Hamas-Anführer Ismail Hanijeh und Jahja Sinwar erlassen. Nach der Bestätigung ihres Todes wurden sie inzwischen aber zurückgenommen. Bei Al-Masri will die Anklage aber nach Angaben des Gerichts noch bis zur endgültigen Bestätigung des Todes warten. (rtr)

Hamas-Ministerium: Opferzahl steigt auf mehr als 44 000

Im Gazastreifen sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums seit Beginn des Kriegs im vergangenen Jahr mehr als 44 000 Menschen ums Leben gekommen. Mindestens 104 268 weitere seien verletzt worden, teilte das Ministerium am Donnerstag mit.

Die Opferzahlen aus dem Gazastreifen sind nur schwer zu überprüfen. Laut dem Hamas-Ministerium dürften zudem noch viele Opfer unter Trümmern begraben und damit nicht in der Statistik erfasst sein. Mehr als die Hälfte der Toten sollen dem Ministerium zufolge Frauen und Kinder sein. Das israelische Militär tötete nach eigener Darstellung seit Kriegsbeginn mehr als 17 000 Extremisten im Gazastreifen. Auch für diese Zahl gibt es keine Belege. Auslöser des Krieges war der Terrorangriff der Hamas und anderer Extremisten auf Israel, bei dem rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 weitere verschleppt wurden. (ap)

Ein Toter bei Hisbollah-Raketenangriff auf Israel

Bei einem Raketenangriff der libanesischen Hisbollah-Miliz auf den nordisraelischen Küstenort Naharija ist ein Mann getötet worden. Der israelische Rettungsdienst Magen David Adom schrieb auf X, der etwa 30-jährige Mann sei leblos und mit Splitterverletzungen in der Nähe eines Spielplatzes gefunden worden. Sanitäter hätten nur noch seinen Tod feststellen können. Die Armee betonte, von den etwa zehn auf die Stadt abgefeuerten Raketen seien die meisten abgefangen worden. Die proiranische Hisbollah-Miliz teilte mit, sie habe Raketen auf die Region abgeschossen. Naharija liegt nur etwa zehn Kilometer südlich der faktischen Grenze zum Libanon. Bei Luftalarm haben die Menschen höchstens 20 Sekunden Zeit, um in einen Schutzraum zu gelangen, bevor es einen Einschlag gibt. (dpa)

Palästinenser: Zahlreiche Tote bei Angriffen im Gazastreifen

Bei neuen israelischen Luftangriffen im Norden des Gazastreifens sind nach palästinensischen Angaben zahlreiche Menschen getötet worden. Es seien mindestens fünf Wohnhäuser getroffen worden, in denen viele Menschen gelebt hätten, teilten Vertreter der Gaza-Gesundheitsbehörde am Donnerstag mit. Viele Opfer seien noch unter den Trümmern verschüttet. Medien der radikalislamischen Hamas-Organisation sprachen von 66 Todesopfern, von denen die meisten noch nicht geborgen worden seien. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht dazu. Sie hat ihr Vorgehen in dem nördlichen Gebiet um die Stadt Beit Lahija sowie die nahe gelegenen Orte Dschabalia und Beit Hanun seit Anfang Oktober verstärkt. Sie will damit nach eigenen Angaben eine Neugruppierung der Hamas-Kämpfer verhindern und Angriffe auf Israel unterbinden.

In dem bombardierten Wohnviertel hätten mindestens 200 Menschen gelebt, erklärte der Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses in Beit Lahija, Hussam Abu Safija. Viele würden noch vermisst. Sanitäter behandelten Verletzte vor Ort, da keine Krankenwagen für den Transport in Krankenhäuser zur Verfügung stünden. Und auch in den Krankenhäusern könne das Leben von Verletzten nur schwer gerettet werden, da dort ein Mangel an medizinischen Versorgungsmitteln und spezialisierten Chirurgen herrsche. Israel habe die meisten medizinischen Mitarbeiter festgenommen oder ausgewiesen, sagte Abu Safija. (rtr)

Aktivisten: 71 pro-iranische Kämpfer in Palmyra getötet

Bei den israelischen Luftangriffen auf die syrische Stadt Palmyra sind laut Aktivisten 71 pro-iranische Kämpfer getötet worden – die höchste Zahl seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs. Wie die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag erklärte, waren darunter 45 Kämpfer pro-iranischer syrischer Gruppen und 26 ausländische Kämpfer – unter anderem vier Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz. Am Mittwoch hatte die Beobachtungsstelle noch von mindestens elf getöteten Kämpfern berichtet.

Das syrische Verteidigungsministerium hatte von 36 bei den Angriffen am Mittwoch getöteten Menschen gesprochen. Laut dem Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahmane, handelte es sich um den Angriff mit der größten Zahl an getöteten pro-iranischen Kämpfern in Syrien seit Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 2011. Der Organisation zufolge trafen insgesamt drei israelische Angriffe Palmyra, unter den Zielen sei ein Waffenlager im Industriegebiet der Stadt gewesen. Die meisten Kämpfer seien bei einem Treffen pro-iranischer Gruppen getötet worden. (afp)

Israelischer Historiker bei Feldstudie im Südlibanon getötet

Ein in Israel bekannter Historiker für jüdisches Leben in der Region ist bei einer Feldstudie im Südlibanon während eines Feuergefechts getötet worden. Zeev Erlich habe am Mittwoch in Begleitung israelischer Soldaten eine alte Festung nördlich der Grenze besichtigt, als die Gruppe in dem vermeintlich bereits gesicherten Gelände in einen Hinterhalt geraten sei, berichteten israelische Medien. Bei dem Feuergefecht mit Kämpfern der Hisbollah-Miliz wurde auch ein israelischer Soldat getötet und zwei weitere erlitten Verletzungen, wie die Armee bestätigte. Zwei Hisbollah-Kämpfer seien ebenfalls getötet worden.

Unklar war, wieso der 71-jährige Historiker in die Kampfzone durfte. Die Armee habe mitgeteilt, Erlich sei als Zivilist ohne Genehmigung höchster Stellen im Libanon gewesen, berichtete das Nachrichtenportal Ynet. Seine Familie habe dies bestritten. Er sei als Major der Reserve im Libanon gewesen. Die Armee teilte auf Anfrage mit, der Vorfall werde untersucht. (dpa)

US-Senat gegen Blockade einiger Waffenlieferungen

Der US-Senat hat sich mit großer Mehrheit gegen eine Blockade von Lieferungen bestimmter Waffensysteme an Israel ausgesprochen. Dabei ging es konkret um einige Munition für Panzer-Geschütze und Granatwerfer sowie Lenk-Vorrichtungen für Bomben. Die drei Resolutionen wurden von einer Gruppe von Demokraten und dem mit ihnen Verbündeten unabhängigen Senator Bernie Sanders eingebracht, die mit der Position des ebenfalls demokratischen Präsidenten Joe Biden unzufrieden sind.

Den Vorschlägen wurden schon vor der Abstimmung keine Erfolgschancen eingeräumt. Selbst wenn sie den Senat passiert hätten, wäre eine Ablehnung im Repräsentantenhaus mit der republikanischen Mehrheit so gut wie sicher. Sanders hatte argumentiert, angesichts der Opfer in der Bevölkerung in Gaza verstießen die Lieferungen der Waffen an Israel gegen US-Recht. Im Senat mit insgesamt 100 Sitzen stimmten für die Resolutionen jeweils knapp 20 Abgeordnete der Demokraten. (dpa)

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13 Kommentare

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  • User "Jim Hawkins" hat Recht mit dem ersten Teil seines Kommentars: Netanjahu gehört ins Gefängnis. Seine Einlassungen zum Thema Antisemitismus und was er als "Fingerübung" bezeichnet, sind mir jedoch um einiges zu schlicht und zudem am Thema des Beitrags vorbeigehender Whataboutism.

    Auch wenn im zweiten Teil des Beitrags über Opfer auf beiden Seiten des Gaza-Krieges und damit in Zusammenhang stehende Ereignisse berichtet wird, geht es im Beitrat doch gar nicht um Antisemitismus. warum also dann im Kommentar dazu?

    Was "Jim Hawkins" als "Fingerübung" bezeichnet, ist wiederum von so schlichter gedanklicher Qualtität wie der klassische Vergleich von Äpfel mit Birnen. Nur weil unterschiedliche Personen der gleichen Dinge beschuldigt werden, sind sie nicht auch gleich "gleich". Wir sollten besser differenzieren, statt - wie hier erneut - versucht, nicht vergleichbares miteinander in einen Topf zu rühren und eines von beidem zu relativieren/exkulpieren.

  • Das ist eine gute Entscheidung. Endlich mal! Die gehören vor Gericht, ebenso wie die Burschen der Hamas oder Hizbola. Gleiches Recht für ALLE!

  • Im Fall von Hr. Netanyahu werden sich genügend helfende Hände und Staaten finden, um ihn vor den Weltenrichter zu zerren.



    Bei Hr. Al-Masri bin ich mir da viel weniger sicher.

  • Haftbefehl gegen Netanjahu: Längst überfällig. Was bei Putin richtig ist, ist auch bei Netanjahu richtig.

  • 'Laut dem Hamas-Ministerium dürften zudem noch viele Opfer unter Trümmern begraben und damit nicht in der Statistik erfasst sein.'

    (1) die Verkürzung 'Hamas-Ministerium' hätte ich jetzt eher in der BILD zu lesen erwartet

    (2) die Annahme, dass unter den Trümmern in Gaza bis zu 10.000 weitere Opfer begraben sein könnten, stammt mW nicht (nur) aus dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium, sondern von Nicht-Konfliktparteien (der UN oder Mediciens sans Frontiers, soweit ich mich erinnere)

  • Keine Atempause, Geschichte wird gemacht.

    Natürlich gehört Netanjahu in den Knast, allerdings in einen israelischen.

    Das Gericht hat allerdings nicht Netanjahu im Visier, sondern den Staat Israel.

    Wundern tut mich eigentlich gar nichts mehr.

    Der Antisemitismus ist eine äußerst kreative, gleichwohl eklektizistische Ideologie. Israel, als Platzhalter für alle Jüdinnen und Juden kann man einfach alles vorwerfen und jeweils das Gegenteil noch dazu.

    Das hier ist allerdings nur eine Fingerübung:

    Netanjahu gleich Mohammed Deif. IDF gleich Hamas. Beide Seiten sind böse und müssen von der sich sorgenden internationalen Gemeinschaft an die Kandare genommen werden.

    • @Jim Hawkins:

      "Das Gericht hat allerdings nicht Netanjahu im Visier, sondern den Staat Israel....Netanjahu gleich Mohammed Deif. IDF gleich Hamas"

      Das ist nichts als ein polemische Behauptung. Und natürlich haben beide Seiten Dreck am Stecken, so sehr kann man gar nicht wegsehen. Das schließt überhaupt nicht aus, dass die Hamas mit dem Massaker vom 7.Oktober Urheber der aktuellen Eskalation ist und Israel jedes Recht hat, sich in einem bestimmten Rahmen zu wehren. Wer allerdngs die GrundvVersorgung der Zivilbevölkerung be- bzw. verhindert ist ein Verbrecher, völlig wurscht unter welcher Flagge und mit welcher Begründung er das tut.



      Und es trägt nicht ansatzweise zu Glaubwürdigkeit bei, jede Kritik an der Kriegsführung zu struklturellem Antisemitismus zu verklären.

    • @Jim Hawkins:

      Es ist schon erstaunlich, dass Kritik an Personen Israel, oder Staat bzw. dessen Handeln mit der Religion vermischt wird. Ich würde empfehlen, nochmal etwas nachzudeenken und versuchen, zu differenzieren..

      • @Anton Rotfuß:

        Leon Poliakov nannte Israel den "Juden unter den Staaten".

        Die von ihnen kritisierte Vermischung ist Wohl und Wehe zugleich. Israel ist, trotz des 7. Oktobers, der sichere Hafen für jüdisches Leben.

        Gleichzeitig stellt er, heute mehr denn jemals zuvor, für die Antisemiten der Welt das Ziel ihres Hasses auf Juden schlechthin dar.

        Ich wünsche mir, ich könnte weniger nachdenken, als ich es mich gezwungen sehe zu tun.

    • @Jim Hawkins:

      Israel ist in den letzten Jahrzehnten immer maßvoll vorgegangen und hat sich weitestgehend an das Völkerrecht getan.



      Das Problem beim IStGH war in der Vergangenheit, dass Anklagen oft aus politischen Gründen erhoben oder nicht erhoben wurden. Das stärkt jedoch nicht die Glaubwürdigkeit. Deswegen ist die Anklage richtig. Wir als Westen sollten einsehen, dass wir nicht von anderen fordern können das Völkerrecht einzuhalten, wenn wir selber selektiv vorgehen. Recht sollte nicht optional - weder für Russland noch für westliche Staaten zu denen Isreal zählt.

      • @Alexander Schulz:

        Zusatz; anders als in der Vergangenheit ist Isreal unter N. nicht maßvoll vorgegangen.

    • @Jim Hawkins:

      Danke. Sie bringen es auf den Punkt.

  • "Weltstrafgericht erlässt Haftbefehle"



    Endlich!