piwik no script img

Proteste von Landwirten gegen die AmpelBauern, Demo, Rechtspopulismus

Landwirte planen eine Kundgebung in Berlin: für die Agrardieselsubvention, gegen eine Bevorzugung von Asylbewerbern, voller Zweifel am Klimawandel.

Krude Mischung aus Friedenstaube und nationaler Rhetorik: Bauerndemo des Vereins „Hand in Hand“ im Januar 2024 in München Foto: Ehsan Monajati/dpa/picture alliance

Berlin taz | „I’ bin groad mit oinem Arm in der Kuh, weil wir groad a Koalb bekommen hoabn“, ruft Franz Huber ins Handy, als die taz ihn anruft. Huber ist Milchbauer aus Niederbayern – und Erster Vorsitzender des Vereins „Hand in Hand für unser Land“, der aus den Bauernprotesten im vergangenen Winter entstanden ist. Jetzt will er den Protest gegen die Ampelregierung fortsetzen:

Er hat eine Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin am 23. November mit 10.000 Teilnehmern und 1000 Traktoren, Lastwagen und anderen Fahrzeugen angemeldet. Aufgerufen sind nicht nur Landwirte, sondern „alle Bürger“. Da die Forderungen sehr anschlussfähig sind für Rechtsradikale, mobilisieren auch solche Kräfte zu der Versammlung. Huber guckt dem ahnungslos oder gleichgültig zu.

Der offizielle Aufruf sowie das Programm des Vereins enthalten neben dem Kampf gegen Bürokratie und zu hohe Steuern nationalistische Forderungen wie „Mehr nationale Selbstbestimmung“, „Vorrangig Investitionen im eigenen Land“ und die nach bezahlbarem Wohnraum, „mit Vorrang für die eigene Bevölkerung“.

Dazu kommt typisch rechtsradikale Rhetorik gegen „Frühsexualisierung und Genderfluch“ in der Bildung, und Kritik daran, dass „fleißige Beitragszahler“ häufig eine schlechtere Gesundheitsversorgung erhalten würden als „Menschen, die neu zu uns gelangt sind und entsprechend staatlich alimentiert werden“. „So genannte Asylbewerber“ würden auch bessergestellt bei „Wohnraum, Verpflegung und Taschengeld“ als die „eigene Bevölkerung“. In Wirklichkeit leben Asylbewerber oft in Gemeinschaftsunterkünften, in die kein „Deutscher“ freiwillig einziehen würde. Sie bekommen Leistungen, die allenfalls der normalen Sozialhilfe entsprechen.

Gegenüber Unterwanderungsversuchen durch Rechtsextreme zeigt sich Organisator Franz Huber ahnungslos

Zudem spielt der Verein dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände. Die „Finanzierung der Kriege in der Welt“ müsse beendet und der Forderung Nachdruck verliehen werden, „dass verhandelt werden muss über Frieden“, sagte Huber in einem Social-Media-Video. Und: „Wir müssen nicht kriegstüchtig werden.“ Bekanntlich hat nicht der Westen oder die Regierung in Kiew, sondern Putin den Krieg in der Ukraine begonnen und den diplomatischen Weg verlassen.

Populistisch klingen Punkte wie „Lückenlose Berücksichtigung des Wählerwillens“, „Mandatsträger müssen Qualifikationen und Praxiserfahrung nachweisen“, „Echte Meinungsfreiheit“, als ob es diese in Deutschland nicht gäbe. Genau wie viele Rechtsextremisten nennt Huber Medien wie die taz den „Mainstream“. Sein Verein fordert „ein Ende der Diskriminierung Andersdenkender“ in den Medien und „ebenso ein Einstellen der Verfolgung kritischer Stimmen im Internet“. In seinen Videos ruft Huber ruft zum „Widerstand“ auf. Dieser Begriff erinnert eher an das Aufbegehren gegen eine Diktatur als an Protest gegen eine demokratisch gewählte Regierung in einem Rechtsstaat.

Auch den Klimawandel stellt der Verein in Frage. „Was ist CO2? Wozu trägt CO2 bei? Führen wir wirklich eine ehrliche Diskussion diesbezüglich oder folgen wir vielmehr einem ideologisch zweifelhaften Narrativ?“ fragt er. Die Gruppe verlangt einen „Diskurs der ehrlichen Aufklärung unter Einbeziehung kritischer Stimmen“. Es sei „sinnbefreit“, „jeglichen Ausstoß von CO2 vermeiden“ zu müssen.

Im Programm findet sich denn auch kein einziger Vorschlag für Klimaschutz, aber gleich zwei Absätze mit scharfer Kritik an den „Klimaklebern“, diese sollten wegen „vorsätzlich gefährdenden Eingriffen in den Verkehr“ härter bestraft werden. Dabei ist bei Blockaden der Letzten Generation anders als bei der Trecker-Demo auf der Autobahn 66 am 10. Januar in Hessen niemand ums Leben gekommen.

In der Landwirtschaftspolitik geht es „Hand in Hand“ vor allem um den Erhalt der Subventionen für den klimaschädlichen Agrardiesel, mit dem Bauern zum Beispiel ihre Traktoren betreiben. Die strengeren Regeln in der Düngeverordnung gegen Überdüngung, die das Wasser schützen soll, lehnt Huber ebenso ab wie die Vorschriften im Rahmen des EU-Klimaschutzprogramms Green Deal.

All das können auch Rechtsradikale unterschreiben. Zur Demo rufen konsequenterweise etwa Accounts beim Kurzmitteilungsdienst X auf, die sonst gegen Muslime hetzen, für Trump werben und die NS-Zeit durch Gleichsetzung mit dem angeblichen „Grünen Reich“, also der aktuellen Bundesregierung, verharmlosen.

Huber unternimmt wenig gegen solche Unterwanderungsversuche. „Was willst Du tun dagegen, wenn da irgendjemand aufruft?“, sagt Huber der taz. Er werde aber nochmal in einem Video klarstellen, dass „wir auf demokratischem Wege protestieren wollen“. Er wolle auch ein Alkoholverbot bei der Demo. Das dürfte Rechtsextreme nicht daran hindern, friedlich und nüchtern auf der Veranstaltung für sich und ihre Ziele zu werben.

Andere Bauern für Einschreiten gegen Rechtsextreme

Gegen Galgen-Symbolik – die auf früheren Bauerndemos für Kritik gesorgt hatte – wolle er per Durchsage von der Bühne einschreiten, sagt Huber. Aben Sier was würde er machen, wenn ein Landwirt auf einem Traktor ein Plakat von der NPD, die jetzt „Die Heimat“ heißt, zeigt? „Gar nichts“, antwortet Huber. „Weil ich das gar nicht kenne.“ Ihm seien nicht alle Symbole bekannt. „Das muss die Polizei machen.“ Die wird aber kaum „Heimat“-Flugblätter verbieten, weil die Partei ja nicht verboten ist. Und wenn die AfD Flugblätter verteilen würde? „Das muss ich mit der Polizei klären“, antwortet Huber.

Martin Schulz, selbst Bauer und Vorsitzender der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dagegen fordert, dass die Veranstalter einschreiten, wenn auf ihren Demonstrationen rechtsextreme Parolen und Symbole auftauchen.

Huber aber sagt, ihm sei auch nicht die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Identitäre Bewegung bekannt, die ebenfalls schon bei Bauerndemos vorstellig wurde. Nicht einmal die schwarze Fahne der gewalttätigen Bauernbewegung „Landvolk“ aus den 1920er Jahren will Huber kennen, die ein Wegbereiter der NSDAP war. Dabei wird über die Fahne mit weißem Pflug und blutrotem Schwert seit Jahren in der Bauernszene und Medien kontrovers diskutiert.

„Warum soll ich Ihnen jetzt Schmoarrn erzählen“, sagt Huber dazu. „Normoalerweise würd’ i’ bei Google schauen, woas doas is’“. Aber mit seinem Smartphone könne er gerade nur telefonieren. Denn als das Kalb geboren wurde und die taz anrief, erzählt der Bauer, sei sein Handy in die Gülle gefallen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Auf demokratischen Wege" wird demonstriert. Wie demokratisch wird das Land sein, wenn die Wünsche der Demonstranten erfüllt werden? Ist es dem Organisator wirklich gleichgültig, wenn Rechte die Reihen der Traktoren auffüllen? Oder ist er gar ahnungslos? Könnte es nicht sein, dass die Schnittmenge zwischen den dort demonstrierenden Landwirten und Rechten groß sein wird? Bei diesen Ideen und Forderungen?



    Meinungsfreiheit heißt, dass ich meine Meinung äußern darf. Andere dürfen mir genauso frei ihre entgegengesetzte Meinung sagen, mich unterbrechen oder anschreien.

  • "Dabei ist bei Blockaden der Letzten Generation anders als bei der Trecker-Demo auf der Autobahn 66 am 10. Januar in Hessen niemand ums Leben gekommen."



    Im Gegensatz zu den "Klimakleber", war die Traktoren-Demo angemeldet und genehmigt. Steht auch so im verlinkten Artikel. Es war ein Unglück, was nur sehr mittelbar mit den Bauern zu tun hatte, sondern eher mit misachteten Abstandsregelungen.

    Wenn die Bauern so argumentieren würden, dann würden sie ihnen Populismus vorwerfen. Bitte sorgfältiger arbeiten.

  • Auch das ist Politik: jemand hat ernsthafte Probleme, regt sich auf und protestiert, wird in einem Unterkapitel zum Aktivisten. Aber er hat keine Zeit und Motivation, sich tief fachlich einzuarbeiten. Er kennt nur seine Arbeit. Über Kühe, Gras, oder Trecker wird er eine tiefe Expertise haben.

    • @Christoph Strebel:

      @Christoph Strebel: Unglaubwürdig. Solange der Demo-Aufruf über Kühe, Gras und Trecker geht, könnte man das vielleicht noch erklären, aber ein Aufruf an "alle Bürger", der zig unzusammenhängende Themen enthält, lässt erwarten, dass eine breite Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen und Implikationen vorausgegangen ist sowie eine profunde Kenntnis des politischen Umfelds vorliegt.