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Krise der AmpelLindner spielt das Angsthasenspiel

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Der Finanzminister stellt mit seinem Papier unerfüllbare Maximalforderungen. So handelt nur jemand, der längst mit dem Rücken zur Wand steht.

Rums ohne Sieger Foto: getty images

A uch im Finanzministerium dürfte ein Modell aus der Spieltheorie bekannt sein, das für die Analyse mancher Konflikte hilfreich sein kann: In einer Mutprobe fahren zwei Fahrzeuge – sagen wir, zumindest eines davon ist ein Porsche – mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Wer zuerst ausweicht, bewahrt zwar sein Leben, geht aber als Angsthase in die Geschichte ein, während der andere als mutiger Gewinner ewigen Ruhm davonträgt. Weichen beide Fahrer aus, teilen sie ihre Schmach, die folglich für beide weniger schwer wiegt. Weicht keiner aus, verlieren beide – ihr Leben.

Mit dem Angsthasenspiel können Situationen beschrieben werden, in denen kaltblütiges Handeln den größten individuellen Nutzen bringt, wenn man Gegnern Feigheit unterstellt. FDP-Chef Christian Lindner hat genug Grund zur Annahme, dass seine Koalitionspartner bei der Frage „Friss oder stirb“ – nichts anderes ist sein Wirtschaftspapier von Freitag – zu schlucken wissen werden.

Wie oft haben die Liberalen schon mit dem Ende der Koalition kokettiert und auf diese Weise sogar beschlossene Gesetze wieder infrage gestellt – aktuell ist genau das wieder in der Rentenpolitik zu beobachten. Von anderen Projekten, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind, ganz zu schweigen: Beim Demokratiefördergesetz, bei der Verschärfung des Waffenrechts, beim Gewalthilfegesetz, beim Tariftreuegesetz steht die FDP quer, und die Liste ließe sich lange fortführen.

Es heißt, Durchhalteparolen nutzen sich mit der Zeit ab, doch SPD und Grüne beweisen in ihrem Umgang mit der FDP das Gegenteil. Allen Umfrageergebnissen, dem Kopfschütteln und dem Zähneknirschen zum Trotz – die Regierung hält. Olaf Scholz möchte das als Besonnenheit verstanden wissen, Robert Habeck als Ausdruck staatspolitischer Verantwortung.

Ausgestreckter Mittelfinger

Für Christian Lindner kommt das aufs Gleiche raus: Ihm stehen Angsthasen gegenüber. Der Finanzminister hat mit seinem Wirtschaftspapier Maximalforderungen in den Raum gestellt, die sich vor allem in der Klimapolitik wie ein ausgestreckter Mittelfinger an die Grünen lesen. So handelt nur jemand, der längst mit dem Rücken zur Wand steht, weil er Druck von der eigenen Parteibasis verspürt.

Nimmt man das Angsthasenspiel als Analyseansatz, geht es dem Finanzminister um die eigene Nutzenmaximierung in einer vertrackten politischen Lage. Seine Gegner müssen demzufolge glaubhaft machen, dass auch sie bereit wären, Kurs zu halten. Dieser Kurs heißt Ampel-Aus. Für die FDP mit ihren 4 Prozent und Lindner, der die Partei einst in diese unbeliebte Koalition führte, könnte es dann sehr schnell sehr einsam werden.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP und die Union. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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13 Kommentare

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  • Gutes Bild, dass der gelbe Porsche auch noch von rechts kommt... Absicht?

  • Ich sehe hier eine win-win Situation für Lindner. Entweder, SPD und Grüne kommen ihm entgegen, dann kann er einen ersten Erfolg vorweisen in dieser Legislaturperiode. Oder die Koalition platzt, das wäre im Sinne der Mehrheit seiner Parteimitglieder.

  • "Der Finanzminister stellt mit seinem Papier unerfüllbare Maximalforderungen. So handelt nur jemand, der längst mit dem Rücken zur Wand steht."



    Der Wirtschaftsminister stellt mit seinem Papier unerfüllbare Maximalforderungen. So handelt nur jemand, der längst mit dem Rücken zur Wand steht.



    Was nun?

  • Bleiben wir mal bei dem Beispiel: Lindner fährt -was sonst?- Porsche, Scholz einen uralten VW -was sonst?- und Habeck ein Lastenfahrrad -was sonst?-. Vielleicht geht den KfZ der Sprit aus und dann? The winner is.... Oder beide zemalmen das schöne Fahrrad.

    • @Perkele:

      Oder um im Bild zu bleiben, dass Fahrrad und der VW bilden eine Fahrgemeinschaft, um das nächste Etappenziel doch noch zu erreichen.

  • ich denke, Lindner wollte seinen Ruf in der FDP retten. Aber, wenn er nur bellt und nicht beisst, dann wird auch das nichts. Er hätte ein Ultimatum stellen , und dann die Koalition verlassen sollen. Dann wäre wenigstens sein Ruf gerettet. Aber so ist er halt nur der Lindner Christian, der nichts auf die Reihe bekommt und wenns ernst wird kneift.

  • SPD und Grüne, könnten dem Finanzminister - durch die Wiederbelebung, der seit 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer, etwas unter die Arme greifen.



    Der Gesetzentwurf liegt dem Bundestag schon über 2 Jahrzehnten vor...



    Bei - in Deutschland fast 3 Millionen Millonären - laut UBS-Report und 249 Milliardären laut Manager-Magazin



    1 Milliarde Euro = 1.000 Millonen Euro



    Im Land, längst überfällig.



    In einer Solidargemeinschaft sollten nicht nur die Erwerbstätigen, die Rentner und die Bürgergeldempfänger, ins Visier genommen werden, wenn es um unseren Bundeshaushalt geht.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Was hat die Vermögenssteuer mit dem Bundeshaushalt zu tun?

  • Lindner spielt das Angsthasenspiel?



    ---



    Haben ALLE wichtigen Parteifreunde denn schon Ihre Anschlussverwendung in "trockenen Tüchern"?



    Geplant war doch erst Herbst 2025!



    Wenn das o.a. nicht komplett passt, könnte es auch eine Palastrevolution von Christians Gang geben!

    • @Sikasuu:

      Wenn es um unseren sozialen Frieden geht, kann man bei Lindners Politik wirklich zum Angsthasen werden.



      Von Verantwortung, den Bürgern im Land gegenüber, ist bei Lindner nichts zu spüren.



      Liberal setzt Linder wohl gleich mit



      " Freiheit für Frechheit " !

  • Union, B90/Die Grünen und die FDP haben der SPD den Wahlsieg bei der BTW 2021 bis heute nicht verziehen.



    Jamaika, wir kommen. Die sogenannten „Leihstimmen" werden die FDP wieder retten. Lindner weiß das und gibt Vollgas - obwohl Scholz mit Fahrrad antritt.



    --



    F reiheit



    D urch



    P orsche

  • So sieht`s aus. Lindner hat nichts mehr zu verlieren, die fdp Geschichte. Vor seinem Absprung in einen Aufsichtsrat haut er noch möglichst viele Lobbywünsche raus, irgendwas bleibt schon hängen und wird Realität. Rot und Grün wollen und können ja nicht aufgeben...

  • Guter Vergleich! Und es stimmt ja, wenn selbst Lars Feld zum Lindner-Papier sagt: „Die FDP ist in einem Dilemma“.



    FDP 2024 - Selbstmord auf Raten kann nicht schöner sein ...