piwik no script img

Organspende bei HerzstillstandDie Definition von Tod

Kommentar von Amelie Sittenauer

Es gibt zu wenig Spenderorgane. Helfen würde es, den Herz- statt den Hirntod als Grundlage zu nehmen. Berechtigte Sorgen müssen ernst genommen werden.

Organspende wird in einem Krankenhaus abgeholt Foto: Soeren Stache/dpa

W ann ist ein Mensch tot? Eine schwierige wie ernste Frage – die die FDP neu definieren will, zumindest für Organspenden: Statt des Hirntods soll künftig der Herz-Kreislauf-Stillstand die Grundlage sein, um als Or­gan­spen­de­r:in infrage zu kommen. Ein Vorschlag, der diskutiert werden sollte.

Organspenden sind in Deutschland dringend nötig. 2023 standen 8.400 schwer kranke Menschen auf Wartelisten, die rasch eine Niere, eine Leber, ein Herz benötigten. Im selben Jahr gaben 965 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe für andere frei. Zu wenige. Doch viele Verstorbene kommen nicht in Frage, weil es zu aufwendig ist und zu lange dauert, den gesetzlich geforderten Hirntod, den unumkehrbaren Ausfall der Hirnfunktionen, festzustellen.

Ginge es nach der FDP, sollen deshalb medizinische Hürden für die Organspende gesenkt werden. Statt des Hirntods soll der Herztod ausreichen. Verkehrt ist das nicht, das entspricht einer medizinischen Realität. Denn nur wenige Pa­ti­en­t:in­nen erleiden auf der Intensivstation einen Hirntod, die meisten sterben an Herz-Kreislauf-Versagen.

taz.de mit neuem Layout

Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.

Der Blick in die Nachbarländer zeigt: In Österreich, der Schweiz, den Niederlanden werden seit Jahren Organe nach dem Herztod erfolgreich transplantiert. Seither gibt es in diesen Ländern mehr Organspenden. Das könnte auch in Deutschland so sein: Eine Or­gan­spen­de nach dem Herztod ließe sich auf dem Organspendeausweis vermerken.

Wie lassen sich Patienten dabei schützen?

Gleichzeitig ist es verständlich, wenn die FDP-Idee Ängste weckt und Fragen aufwirft. Wie unterscheiden sich Hirn- und Herztod? Wie wird sichergestellt, dass ein Herz-Kreislauf-Tod nicht fehlerhaft diagnostiziert wird? Und kann man darauf vertrauen, dass weiterhin alles getan wird, sollte jemand einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden?

Verfolgt die FDP ihren Vorschlag weiter, braucht es jetzt Vertrauensbildung und Aufklärung. Ungeachtet des Potenzials muss klar werden, wie der Herz-Kreislauf-Stillstand eine sichere Grundlage für die Entnahme von Organen sein kann. Niemand sollte fürchten müssen, dass dem Körper Organe entnommen werden, solange es noch eine Chance auf Leben gibt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Hirntod heißt :da ist nichts mehr zu machen. Herztod als Kriterium für die Organentnahme bedeutet den trade-off zwischen Versuch der Reanimation und den Organen. Und damit ist das Geld und der Markt im Spiel.



    Oh Wunder, daß der Vorstoß von der FDP kommt.

  • Wenn ich es in meinem Organspenderausweis vermerken könnte, ob ich Hirntod oder Herztod als Definition verwenden möchte, ist doch alles gut.

    Das sehr geringe Risiko, für Herztod erklärt zu werden obwohl man möglicherweise mit einer super niedrigen Wahrscheinlichkeit im Sarg doch nochmal aufgewacht wäre, mag vorhanden und Real sein.

    Aber der ein oder andere Mensch würde trotz diesem Risiko vielleicht trotzdem sich dafür entscheiden, weil es nützlich ist und weil dieser Mensch einfach darein vertraut, dass das für ihn Richtige passiert. Warum soll man das nicht ermöglichen?

  • Sollte das so beschlossen werden entsorge ich meinen Spender-Ausweis. Eine Steilvorlage für den Missbrauch.

  • Ich lese die Argumente aber ich verstehe, ich fühle sie nicht.



    Wir in Österreich haben seit Jahrzehnten die Widerspruchsregel: Widerspricht jemand nicht zu Lebzeiten, ist er automatisch Organspender. Ich finde das gut und richtig so!

    Was spricht also wirklich dagegen? Was ist die deutsche Angst davor?

  • Die FDP als um Menschenleben besorgter Moralapostel? OK

    Privatisierte Krankenhäuser bekommen dann wie viel pro Vorgang? Angehörige können ja im Nachhinein klagen, falls etwas nicht stimmt. Dann dürfen die im Nachgang sogar detailliert selbst beweisen, was die Krankenhaus GmbHs zu welchem rechtswidrigem Zeitpunkt gemacht haben.

    Die Realität ist, dass die meisten Menschen nicht spenden wollen.



    Anscheinend will die Politik das auf keinen Fall akzeptieren. Seltsam wichtiges Interesse.

  • Damit gehen dann die Spendewilligen wieder nach unten.

    Das Gesundheitsministerium selbst beschreibt den Zustand: www.bundesgesundhe...islauf-stillstand/

    Und schreibt:" In knapp der Hälfte der Fälle sind Familienangehörige, Passanten oder Arbeitskolleginnen und -kollegen in der Nähe, die sofort Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten könnten. Eine unverzüglich begonnene Herzdruckmassage verdoppelt bis verdreifacht die Überlebenschancen der Betroffenen."

    Und jetzt will die SPD erzählen ein Herz-Kreislauf Stillstand alleine soll nun eine Spende ermöglichen?



    Das soll das Vertrauen in Spenden erhöhen?

    "Wir haben direkt am Unfall Ort Herz-Kreislaufstillstand attestiert und den Spenderausweis zum Patienten gelegt."

    Wird die Angst aller Spender sein. Und die die noch Wackelig waren Lassen es dann ganz