EU-Gesetz gegen Abholzung: Waldschutz kommt später

Die EU-Kommission hat den Start der Entwaldungsverordnung verschoben. Umweltschützer kritisieren das angesichts der weltweiten Waldzerstörung.

Vogelperspektive auf den Amazonas, die hälfte des Waldes ist gerodet

Gerodetes Amazonasgebiet in Humaita, Brasilien: Zwischen 1990 und 2020 sind weltweit etwa 420 Millionen Hektar Wald verschwunden Foto: Adriano Machado/Reuters

Berlin/Brüssel taz/dpa/afp | Ab Ende Dezember sollte die europäischen Verordnung gegen Abholzung für große Unternehmen gelten. Nun hat die Europäische Kommission offenbar dem Druck nachgegeben und den Ländern 12 Monate mehr Zeit verschafft, „um eine ordnungsgemäße und wirksame Umsetzung zu gewährleisten“, heißt es in einer Mitteilung der Kommission am Mittwoch. Dem müssen noch das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten im Rat zustimmen.

Mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) soll sichergestellt werden, dass bestimmte Produkte wie Kakao, Papier oder Rindfleisch, die in der EU verkauft werden, nicht zum Abholzen von Wäldern innerhalb der EU und anderswo in der Welt beitragen. Große Unternehmen müssen dahingehend ihre Lieferketten überprüfen. Der Nachweis soll mit Hilfe von satellitengestützten Ortsdaten an die Kommission erfolgen.

Ein entsprechendes IT-System, in dem Unternehmen ihre Berichte abgeben müssen, soll im Dezember vollständig in Betrieb gehen, teilte die Kommission nun mit. Kri­ti­ke­r*in­nen hatten zuvor bemängelt, dass die Technologie so kurz vor Anlauf noch nicht bereitstünde. Auch die für Frühjahr angekündigten Leitlinien für Unternehmen veröffentlichte die Kommission erst am Mittwoch.

Mehrere Wirtschaftsbereiche hatten die geplante Verordnung wegen der mangelnden Vorbereitung kritisiert, darunter die Süßwarenindustrie und Zeitungsverleger.

Deutschland hatte Verschiebung gefordert

Die Kommission begründete ihre Entscheidung auch mit der Ablehnung der Regeln im Ausland: „Drei Monate vor dem geplanten Umsetzungstermin haben mehrere internationale Partner wiederholt ihre Besorgnis über den Stand ihrer Vorbereitungen zum Ausdruck gebracht“. Die Entwaldungsverordnung war zum Beispiel immer wieder Thema bei den Verhandlungungen mit den Mercosur-Staaten, die darin teils eine Bevormundung sahen.

Aber auch Kooperativen von Klein­bäue­r*in­nen etwa in Ghana oder El Salvador beklagenen, dass sie für die nötige Katografierung und Datensammlung keine zusätzlichen Ressourcen oder Unterstützung von Abnehmerunternehmen erhielten.

Besonders innerhalb der EU war der Druck groß. Einige EU-Mitgliedstaaten hatten einen Aufschub gefordert, darunter Deutschland. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte in der vergangenen Woche erneut eine Verschiebung des Gesetzes gefordert. Die Bundesregierung fürchtet eine „überbordende Bürokratie“ für deutsche Forstwirte. Bislang fehle eine Einstufung Deutschlands und anderer EU-Staaten als Länder mit einem niedrigen Risiko für den Waldbestand. Eine solche Einstufung solle Nachweispflichten für hiesige Unternehmen verringern.

Özdemir begrüßte dann auch die Verzögerung in der Umsetzung, stellte aber klar, die Verordnung selber müsse unangetastet bleiben. „Die EUDR ist und bleibt ein Meilenstein im internationalen Waldschutz und muss umgesetzt werden“.

„Ein frontaler Angriff auf die EU-Klimapolitik“

Als Trauerspiel bezeichnete hingegen die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini das Vorhaben. „Die Verschiebung passiert im Kontext der größten Waldvernichtung der letzten Jahre auf dem lateinamerikanischen Kontinent“. Das sei ein frontaler Angriff auf die EU-Klimapolitik.

Es müsse jetzt sichergestellt werden, dass mit der Verschiebung nicht die Büchse der Pandora geöffnet und das Gesetz nicht abgeschwächt werde. Die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt sagte, Sozialdemokraten würden alles dafür tun, dass Konservative um CDU und CSU das Verfahren nicht ausnutzten, um das Gesetz abzuschwächen.

Vehemente Kritik äußerten auch Umweltorganisationen. Der WWF teilte mit, Entwaldung sei die zweitgrößte CO2-Quelle nach der Industrie. „Ursula von der Leyen hätte genauso gut selbst die Kettensäge schwingen können“, sagte Sébastian Risso von Greenpeace. Die Menschen in Europa würden keine Produkte aus Abholzung in ihren Supermarktregalen wollen, aber genau das werde ihnen die Verzögerung bescheren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben