Gefangenenlager in Israel: Kämpfe bei Sturm auf Kaserne

In Israel stürmen rechte Demonstrierende eine Kaserne und ein Gericht. Sie sind wütend wegen der Ermittlungen zu Foltervorwürfen in Gefängnissen.

Viele Männer, darunter auch ein Polizist, in einem Gebäude inmitten eines wütenden Handgemenges

Israelische Soldaten und Polizisten geraten mit rechtsgerichteten Aktivisten aneinander Foto: Ilia Yefimovich/dpa

JERUSALEM taz | Bei dem Sturm auf eine Kaserne im Süden Israels kam es am Montagnachmittag zu Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Anhängern ultranationaler Parteien. Diese hatten gegen die Verhaftung von neun Soldaten protestiert, die auf Anweisung eines Militärrichters verhört und abgeführt werden sollten. Die als Wächter in dem Militärlager Sde Teiman bei Be'er Scheva, südlich vom Zentrum des Landes, eingesetzten Soldaten sollen einen gefangengehaltenen Hamas-Kommandeur brutal gefoltert haben.

In den letzten Monaten sickerten immer wieder Berichte über sadistische Verhörmethoden von in Gaza Festgenommenen durch. Israelische Menschenrechtsorganisationen sprechen auch von unsäglichen hygienischen Zuständen in dem Lager. Mehrere hundert Palästinenser sollen seit dem 7. Oktober dort festgehalten worden sein, auch um an Informationen über noch kämpfende Hamas-Einheiten zu gelangen.

Für die meist jungen Demonstranten sind die Ermittlungen des Militärgeneralanwalts gegen israelische Soldaten inakzeptabel. Demonstranten aus dem ultrarechten politischen Spektrum greifen zwar im besetzten Westjordanland immer wieder Soldaten an, doch erstmals wurde nun eine Kaserne und im Lauf des Abends sogar ein Gericht gestürmt. „Die Untersuchung ist ein Verbrechen“, riefen die teilweise selber in Armeeuniformen erschienenen vermummten Jugendlichen.

Wut über Ermittlungen zu misshandelten Palästinensern

Herzi Halevi, der Kommandeur der israelischen Armee (IDF), warnte am Dienstag: „An der südlichen Grenze herrscht Anarchie.“ Er ließ mehrere IDF-Kompanien aus dem Westjordanland nach Beit Lid, den Sitz des zuständigen Militärgerichtes, verlegen. Dorthin waren auch die beschuldigten Soldaten zur Befragung gebracht worden. Obwohl auch Staatspräsident Isaac Herzog die Ausschreitungen gegen die Militärpolizei scharf kritisierte, kam es dann am Abend auch in Beit Lid zu Auseinandersetzungen.

Die Polizei teilte am Montagabend mit, der „Mob“ von Beit Lid sei von den Beamten schließlich durch den massiven Einsatz von Schutzschilden und Pfeffergas zerstreut worden. Festnahmen gab es keine, obwohl viele der uniformierten Demonstranten offenbar Reservisten im aktiven Dienst waren und immer wieder provokativ ihre Waffen zeigten. Letztlich wagten sie es jedoch nicht, ihre auf Videos festgehaltenen Gewaltandrohungen umzusetzen.

Regierungskritiker nehmen an, die Aktion sei eine gut vorbereitete Machtdemonstration der rechten Szene gewesen und kein ernsthafter Versuch, die Gefangenen zu befreien. Denn immerhin waren mehrere Regierungsvertreter nicht nur anwesend, sondern sogar Drahtzieher der Aktion.

Der rechtsgerichtete Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir, der Minister für Kulturerbe Amichay Eliyahu und der Minister für religiösen Zionismus Zvi Sukkot peitschten ihre Anhänger während des live auf sozialen Medien übertragenen Sturms auf die Kasernen auf. Mit „Kommt in Scharen“ hatte Sukkot Anhänger aus dem ganzen Land angelockt. Zusammen mit Eliyahu und Nissim Vaturi von der größten Regierungspartei Likud wurde er beim Betreten des IDF-Stützpunkts und im Gespräch mit der Menge gefilmt.

Rückhalt aus dem Parlament

IDF-Kommandeur Halevi zeigt sich vom Druck der Nationalisten zumindest öffentlich unbeeindruckt. Er unterstütze den auch zu weiteren Foltervorwürfen ermittelnden Generalmajor Yifat Tomer-Yerushalmi und die Militärpolizei und warnte die Demonstrierenden: „Wir haben Verstärkung nach Beit Lid geschickt, damit nichts Schlimmeres passiert.“

Die radikalen Kräfte glauben jedoch bereits, die Mehrheit im Land hinter sich zu haben. Bei einer Debatte von Parlamentariern über Foltervorwürfe bei Verhören blieb die Meinung von Hannoch Milwidsky vom Likud unwidersprochen. „Wenn es Terroristen sind, ist alles erlaubt“, sagte dieser.

Sollten die Foltervorwürfe aufgrund des Drucks der Radikalen nicht aufgeklärt werden, dürfte dies für Israels Position vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) und Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) schwere Folgen haben. Israel lehnt die laufenden Verfahren mit dem Argument ab, als einziges Land in der Region eine funktionierende und unabhängige Justiz zu besitzen. Wie sehr die Radikalen dieses Argument aushebeln, ist zumindest Armeechef Halevi klar: „Der Vorfall gefährdet unsere Demokratie und spielt unserem Feind in die Hände.“

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