piwik no script img

Höher, schneller, weiterPolitisch die Muckis spielen lassen

Baerbock präsentiert sich als sportlichste Außenministerin, JD Vance als skandalträchtig im US-Wahlkampf und der größte Gefangenenaustausch fand statt.

Kann sogar Salto: Annalena Baerbock auf dem Trampolin Foto: David Young

H err Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Eine Katastrophe zwischen Iran und Israel scheint fertig zubereitet.

Und was wird besser in dieser?

Das, was nicht passiert. Hoffentlich.

In Nordrhein-Westfalen soll künftig in Pressemitteilungen der Polizei die Nationalität von Tatverdächtigen genannt werden. Wie finden Sie das?

Halbherzig. Dann sollte da auch mitgeteilt werden, welcher Nationalität oder Herkunft der mitteilende Polizist ist. „Türkischstämmiger Beamter meldet: Deutscher Unternehmer hat schon wieder die Steuer hinterzogen“, mal sehen, was dann abgeht. Und abgeschrieben wird. Bisher und anderswo ist der Pressekodex Maßstab. Der wurde 2017 schon aufgeweicht von einem „begründbaren Zusammenhang“ zwischen Tatverdacht und Herkunft hin zu einem „öffentlichen Interesse“. Das unterstellt Innenminister Reul nun grundsätzlich, und künftig wird also rausposaunt, wen Polizisten gern verdächtigen. Das ist mindestens auch: eine Selbstauskunft über die Gesinnung der Polizei.

Was halten Sie von der US-Entscheidung, den Oppositionskandidaten Edmundo González Urrutia statt Nicolás Maduro in Venezuela als rechtmäßigen Wahlsieger anzuerkennen?

Das ging 2019 auch schön schief, als US-Präsident Trump statt Maduro den selbsternannten Interimspräsidenten Guaidó anerkannte. Auch Deutschland schloss sich an, am Ende brach der Widerstand trotzdem zusammen. Auch diesmal verweigert Maduro internationale Wahlkontrolle – die Opposition trägt Indizien für Fälschungen zusammen. Auf Basis einer Fälschung zu regieren ist ungefähr so übergriffig wie auf Basis eines Verdachts zu putschen. Die USA setzen sich dem Ruch aus, Demokratie und Venezuelas Erdölreichtum nicht so genau zu unterscheiden. Und liefern Putin ein schickes Beispiel, wie man „im eigenen Vorgarten aufräumt“.

Trumps Vize, J. D. Vance, sorgte mit abfälligen Provokationen in den letzten Tagen für Skandale. Wird er zur Belastung für Trump?

Reingelegt! Trump mag kalkuliert haben: Gegen einen vergreisenden Biden genüge ein possierlicher Kindertrump. In der Welt des Donald Trump kann etwas Besseres als Trump nur noch mehr Trump sein. So verpasste er die Chance, eine Frau, jemand Migrantisches oder gar einen demokratischen Republikaner auf Wählergruppen anzusetzen, die er selbst nicht erreicht. Vance müsste also keine zusätzlichen Probleme machen, er ist schon eins.

Und wieder gibt es keine Haushaltseinigung. Linken-Chefin Janine Wissler warnt die Ampel: „Statt auf weitere Sozialkürzungen zu drängen, sollte Lindner das Geld dort holen, wo es genug davon gibt.“ Coole Idee?

Oxfam und „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ legen Zahlen vor, wonach eine Vermögenssteuer, wie sie europäisch und global vorgeschlagen wird, alle Haushaltslücken schließen würde. Lindners notorische Drohung mit „Einsparungen im Sozialbereich“ hingegen sind stets nicht beziffert. Die Aufstellung Kompetenz gegen Ideologie stärkt nicht das Vertrauen in die Ampel.

Die Teillegalisierung von Cannabis ist in aller Munde. Berlin blockiert jedoch die Cannabis-Abgabe. Alles chillig in der Hauptstadt?

Das Tempo der Berliner Verwaltung wirkte auch vor dem Cannabisgesetz umfassend naturbekifft. Vermutlich als Kind in den Zaubertrank gefallen. Es fehlt eine zentrale Verwaltungsvorschrift, und man kann diskutieren, ob’s allgemeine Unfähigkeit ist oder politischer Wille. Aber diskutieren … puh … anstregend!

Außenministerin Baerbock präsentierte bei einem Paralympics-Termin spontan eine Salto-Show. Beeindruckend oder unpassend?

Mutig. Baerbock polarisiert, ein Video von einer vergeigten Übung wäre ein viraler No-Brainer. Jetzt müssen sich die Trolle ein paar Gedanken machen, wie sie es skandalisieren. Die Abrufzahlen sind ausnahmsweise übersichtlich.

Zwischen Russland, den USA und anderen Ländern hat der größte Gefangenenaustausch seit dem Kalten Krieg stattgefunden. Eine Sternstunde der Diplomatie?

Ein Kracher in Bidens Wahlkampf, ein „dicker Brocken“ für Kanzler Scholz und den deutschen Rechtsstaat, eine Bonus-Tragödie für Nawalny, für den der Deal angedacht war. Putin prahlt, dass mit ihm verhandelt wurde, Scholz beweist, dass es geht.

Paris ist im Olympia-Fieber. Welches Bild von den Spielen wird unvergessen bleiben?

Bundesliga, Pokal, EM und seit Samstag wieder Zweite Liga. Mehr geht in meinen Kopf nicht rein.

Und was macht der RWE?

Heimniederlage gegen Aufsteiger Aachen zum Saisonauftakt. Vor 19.200 Zuschauern. Das ist knapp unter Leverkusen oder Hoffenheim. Aber viel tapferer.

Fragen: Anastasia Zejneli, Mengna Tan

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und 14 Tage weg.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • ..."Selbstauskunft über die Gesinnung der Polizei"



    Das isses mal wieder