der rote faden
: Kann ich was für Geld machen?

Durch die Woche mit Silke Mertins

Die Teenagerin, die zu meiner Hausgemeinschaft gehört, ist in ständiger Geldnot. Also heißt es zum Wochenende hin fast immer: „Kann ich was für Geld machen?“ Einmal war die Lage so verzweifelt, dass sie sogar Unkraut gejätet und die Terrasse von Grünspan befreit hat. Seitdem kommt der Zusatz: „Nicht draußen.“ Die Tätigkeit sollte also möglichst sauber, bequem und im Idealfall in halb liegender Position zu erledigen sein.

Zum Glück unterrichte ich einen Integrationskurs, und da gibt es immer jede Menge Material für Memory und andere Spiele auszuschneiden, zu bekleben und zu laminieren; bei 25 Teil­neh­me­r*in­nen jeweils in vierfacher Ausführung. Wir sind gerade im Teil „Leben in Deutschland“. Nach 100 Stunden müssen im Test 300 Fragen beantworten werden können. Darunter: „Was bedeutet die Abkürzung SPD?“

Integrationskurs

Nach der Sommerpressekonferenz von Olaf Scholz diese Woche kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen: SPD steht für Supertollste Partei Deutschlands. Denn der Bundeskanzler hat seine Sache so großartig gemacht, dass er auf jeden Fall 2025 noch einmal als Kanzlerkandidat antreten möchte. Natürlich spielt auch hier der Fachkräftemangel eine nicht zu unterschätzende Rolle. Boris Pistorius muss erst mal seinen Wehrdienst ableisten. Malu Dreyer ist im Ruhestand. Und Angela Merkel will nur noch Dinge tun, die ihr Spaß machen.

Fachkräftemangel

Erfolg in der SPD verhält sich umgekehrt proportional zu den Wahlergebnissen. Deshalb ist Olaf Scholz ein sehr erfolgreicher Bundeskanzler. Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt seine Partei 25,7 Prozent, bei den Europawahlen im Juni 13,9 Prozent, und in den aktuellen Umfragen steht die Scholz-Partei in der Wählergunst bei 14 bis 16 Prozent. Aber Umfragen sagen ja bekanntlich nichts darüber aus, ob einer der Beste ist.

Harris is brat

US-Präsident Joe Biden ist beispielsweise auch der Beste, das hat er selbst noch einmal in seiner Rede an die Nation diese Woche betont. Denn was sagen Versprecher wie „President Putin“ statt „President Zelensky“ schon über die geistige Verfasstheit oder die Altersschwäche eines*einer viel beschäftigten Politiker*in aus? Die herausragende deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ist beispielsweise 40 Jahre jünger als Biden und würde dennoch jeden Verhaspelungswettbewerb gewinnen, sogar gegen Biden. Dabei entstehen so wunderbare Wortschöpfungen wie „Maffenvernichtungswaffen“, „präsidenzlos“, „360-Grad-Wende“ oder „bacon of hope“ (statt „beacon of hope“ – Speck der Hoffnung statt Hoffnungsschimmer). Danke, Annalena! Es hat uns alle bereichert.

Netanjahus Föhnfrisur

Gleichen Unterhaltungswert kann man in dieser Hinsicht von Kamala Harris leider nicht erwarten. Sie stellt die Frage „Was kann ich für Geld machen?“ völlig fehlerfrei an ihre potenziellen Spender. Eine Wahlkampagne kostet schließlich viele, viele Millionen. Obwohl, die Sängerin und Songwriterin Charli XCX wirbt beispielsweise völlig kostenfrei für die neue Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. „Kamala is brat“, verkündete sie in den sozialen Medien. „Brat“, Göre, steht hier für cool, denn auch Charlis neues Album heißt „brat“ und ist grün. Deswegen also überall Harris mit Grünfilter. Harris’ Coolnessfaktor konnte die Teenagerin auch aus der Tiktok-Welt bestätigen. Mir persönlich gefällt besonders, dass Harris mit 59 Jahren als „junge“ Alternative zu Donald Trump bezeichnet wird.

Allerdings gibt es auch alterslose Po­li­tiker*innen. Mit der Frage „Kann ich was für Geld machen?“ hat sich diese Woche der israelische Ministerpräsident Benjamin „Bibi“ Netanjahu an den US-Kongress gewandt. Das wirklich Erschreckende: Bibi trägt dieselbe Frisur wie vor 30 Jahren. Und immer gleich geföhnt! „Comb-Over“ nennen es die Amerikaner, wenn verbliebenes Haar gnadenlos mit Seitenscheitel über schüttere Kopfregionen gekämmt wird. Die Teenagerin könnte da fix Flexibilität ins Haar bringen, so sie es „für Geld machen kann“. Allein mit etwas Farbe und Lockenstab könnte das Ganze ziemlich „brat“ aussehen.

Nächste Woche: Gunnar Hinck