Taylor Swift in Hamburg: Durch 40 Lieder geackert

US-Superstar Taylor Swift brachte ihre Fans in Hamburg auch im Regen zum Kreischen. Sie bot Glitzerbody, Werwolfaugen und Ohrwürmer.

Fans recken ihre Telefone vor der Bühe hoch, auf der Taylor Swift steht.

Hey, hey, we’re the Swifties: Taylor Swift und ihre Fans in Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

Drei Frauen stehen vor der Westkurve des Hamburger Volksparkstadions. Jede hält eine durchsichtige Tüte in den Händen, gut gefüllt mit Freundschaftsbändchen. „Hast du '1989’?“, fragt die eine. Die andere nickt. Willkommen im Taylorversum! Hier haben die überwiegend weiblichen Fans ihre ganz eigenen Regeln und Rituale. Sie tauschen Freundschaftsbändchen mit Song- oder Albumtiteln, viele haben eine 13 auf der Haut – Taylor Swifts Glückszahl.

Wenn die Swifties richtig aufdrehen, können sie Erschütterungen erzeugen, die einem Minibeben gleichkommen. So wie bei dem Auftritt des Superstars in Zürich. Beim ersten von zwei ausverkauften Konzerten in Hamburg dürften die Seismografen allerdings nicht angeschlagen haben. Die 50.000 Leute spielen nicht dreieinhalb Stunden verrückt. Vielleicht ist das der hanseatischen Zurückhaltung geschuldet.

Anderseits: Im Publikum wird oft Englisch gesprochen, Menschen aus aller Welt sind angereist, um an diesem Abend mit der Musikerin im Rahmen ihrer „Eras Tour“ Songs aus fast all ihren Alben zu zelebrieren. Mit 34 hat sie genügend Lieder für ein mehrstündiges Best-of-Programm – gespickt mit Hits. Allein das beeindruckt.

Bis auf die Haut durchnässt

Die ganze Sache hat nur einen Haken: Als die im US-Staat Pennsylvania geborene Künstlerin auf die Bühne kommt, fängt es an zu regnen, ach was, es gießt. Die Menge jubelt, so krassen Kreischalarm wie bei Harry Styles gibt es aber nicht. Dennoch genießt Taylor Swift diesen Empfang sichtlich. „Schön, euch zu sehen“, sagt sie auf Deutsch. Sie strahlt mit ihrem Glitzerbody um die Wette, als sie den Abend mit ein paar „Lover“-Stücken eröffnet. Dabei ist sie binnen weniger Minuten bis auf die Haut durchnässt.

Aber wie heißt es so schön: The show must go on … Für den Titel „The Man“ schlüpft Taylor Swift in ein Sakko und turnt in einem Büro herum. Die Aussage ist überdeutlich: Weder in der Arbeitswelt noch im Alltag werden Frauen und Männer wirklich gleichberechtigt behandelt.

Ins Auge sticht, dass Taylor Swift auf eine gigantische Ausstattung verzichtet. Gewiss hat sie Tän­ze­r:in­nen mitgebracht, doch die sind nicht ständig an ihrer Seite. Selbst wenn bei „Lover“ verliebte Paare um sie herumtanzen, liegt der Fokus immer auf ihrem Gesang. Der hat sich im Laufe der Jahre merklich gesteigert, das zeigt sich gerade bei den ruhigeren Liedern.

Etwa bei den Überraschungssongs. Da steht Taylor Swift allein am Ende des langen Laufstegs. Sie greift zu ihrer Gitarre, um sich bei einem Mashup aus „Teardrops on My Guitar“ und „The Last Time“ selbst zu begleiten. Danach setzt sie sich ans Klavier, um „We Were Happy“ zum allerersten Mal live zu interpretieren. Ein intimer Moment, wunderschön!

Krasser Bruch

Für den kurzen „Speak Now“-Part verwandelt sich Taylor Swift dann in eine Märchenprinzessin. Ihr cremefarbenes Abendkleid passt perfekt zu dem Song „Enchanted“. Nicht nur dieses Outfit ist stilvoll. Sogar wenn die Musikerin, die zu jedem Album etwas Neues trägt, im „Reputation“-Teil in einem schwarz-roten Glitzeranzug mehr nackte Haut zeigt, hat sie Klasse. Obwohl der Bruch von „Speak Now“ zu „Reputation“ krass ist.

Erst taucht man in eine Märchenwelt ein, danach poppen auf einer Leinwand laut klackernde Boots auf. So läutet Taylor Swift eine R’n’B-Phase ein, die sich am Schluss mit „Midnights“ fortsetzt. Bei „Vigilante Shit“ sitzt sie breitbeinig auf einem Stuhl oder twerkt ein bisschen – angelehnt an die Rapästhetik. Das passt irgendwie nicht so recht zu ihr, als All American Girl wie im „1989“-Block ist sie authentischer.

Ein Höhepunkt des Abends ist die „Folklore/Evermore“-Sequenz, bestückt mit Titeln der beiden Pandemie-Alben. Die Bühne verwandelt sich in einen Wald, „Cardigan“ intoniert Taylor Swift in einer Hütte. Mit „Folklore“, erzählt sie, habe sich alles verändert. Statt über sich zu schreiben, habe sie Charaktere erfunden.

Etliche „The Tortured Poets Department“-Tracks sind dagegen persönlichen Gefühlen entsprungen, für manche soll ein Expartner Pate gestanden haben. Wieder einmal. In dieser Episode steht Taylor Swift auf einem Podest, das über den Laufsteg fährt. Am Ende von „Who’s Afraid of Little Old Me?“ bekommt sie plötzlich Werwolfsaugen. Ein kleiner Effekt mit großer Wirkung.

Viel Brimborium ist gar nicht vonnöten. Taylor Swift kann sich auf die magische Wirkung ihrer fest im Mainstream verankerten Ohrwürmer verlassen. Wenn sie sich mit Hingabe durch mehr als 40 Lieder ackert, wirkt sie nahbar. Wie eine große Schwester oder eine gute Freundin, der man alles erzählen kann. Man hat eigentlich nie das Gefühl, dass ein unnahbarer Star vor einem steht. Gerade das verzaubert die Menschen, auch in Hamburg.

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