piwik no script img

Wassersstoff-ImportstrategieNachhaltiger Handel auf Augenhöhe

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Wasserstoff-Import ist für die Transformation unentbehrlich. Wichtig ist, dass es grüner Wasserstoff ist und auch die Partner im Süden profitieren.

Eine Baustelle für eine Gas- und Wasserstoff-Pipeline der Energie Baden-Württemberg Foto: Bernd Weißbrod/dpa/picture alliance

E ndlich: Wasserstoff, das unsichtbare Zaubermittel für das Erreichen der Klimaneutralität, bekommt eine reale Dimension. Das Bundeskabinett hat die lange erwartete Wasserstoffimportstrategie verabschiedet. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich eine extrem wichtige Angelegenheit: Wasserstoff ist für den Umbau der Wirtschaft unverzichtbar. Die Stahlindustrie und die Chemiebranche zum Beispiel haben ohne diesen Energieträger kaum eine Chance, hierzulande zu überleben.

Die Produktion einfach einstellen ist keine Alternative. Das hätte extreme wirtschaftliche und gesellschaftliche Verwerfungen zur Folge. Bislang ist Wasserstoff aber eine Fiktion, denn es gibt kaum welchen – und in Deutschland wird in absehbarer Zeit sicher nicht genug hergestellt, um den künftigen Bedarf zu decken. Für die Eingeweihten in Industrie und Verbänden mag die Importstrategie der Regierung vielleicht nicht viel Neues enthalten. Für die Bür­ge­r:in­nen aber wird nun viel fassbarer, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen könnte.

Die Fiktion aus Sonntagreden wird Schritt für Schritt im wirklichen Leben ankommen – mit jeder Wasserstoffpipeline, die in Betrieb genommen wird, mit jedem neuen Speicher und Industrieanschluss mehr. Damit steigt die Akzeptanz für Klimapolitik. Der Widerstand dagegen ist oft darin begründet, dass man sich nicht vorstellen kann, wie die klimaneutrale Modernisierung aussehen könnte. Mehr Akzeptanz wird es allerdings nur geben, wenn den Plänen auch zügig Taten folgen und die Infrastruktur für Wasserstoff rasch aufgebaut wird.

Verzögerungen kosten nicht nur viel Geld, sondern auch Zuversicht ins Gelingen des großen Umbaus. Schade ist allerdings, dass die Ampel nicht ausschließlich mithilfe erneuerbarer Energien gewonnenen Wasserstoff einführen will, sondern auch klimaschädlich hergestellten. Zielführender wäre, wenn Deutschland den Bedarf an Wasserstoff von Anfang an sauber decken würde ohne faule Kompromisse und Übergangslösungen.

Die Gefahr ist zu groß, dass daraus Dauerlösungen werden. Auch dass verbindliche ökologische und soziale Standards für die Produktion in den Exportländern fehlen, ist zu bedauern. Wasserstoffimporte aus dem Globalen Süden dürfen nicht dazu führen, dass dort die Umwelt zerstört wird oder Menschen von ihrem Land vertrieben werden. Für die Exportländer kann die Lieferung von Wasserstoff eine enorme Chance sein, solange die Käufer nicht in kolonialer Manier auftreten, die Handelsbeziehungen fair sind und die Menschen vor Ort von den Gewinnen profitieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Mir fällt immer wieder auf, dass das Geschwätz von Wasserstoff aus der Wüste, Elektrofliegern samt Technologieoffenheit selbst in Kreisen verfängt, von denen erwartet wird, dass sie aufgeklärt wären. Es mangelt offensichtlich an Wirtschaftskompetenz verbunden mit der Angst, ohne Schwerindustrie und fortgeschrittene gingen für alle die Lichter aus. Wozu brauchen wir als (hungrige?) Verbraucher denn soviel Stahl, Technik und Plastik-Tralala, der letztlich unsere Umwelt vermüllt? Weniger ist mehr, wenn wir uns nicht von Geschäftemachern abhängig machen lassen, denen sowieso kaum noch etwas einfällt, was sie uns zuramschen dürfen! Für mich heißt Ökonomie: Was brauchen WIR (zum Überleben) und wie erreichen wir, dass jede/r dabei per Job beteiligt werden kann und ein Auskommen hat! Mehr nicht, wenn wir die nicht zu leugnenden Fortschritte des Kapitalismus allen zugänglich machen in Bezug auf ein nachhaltiges Auskommen, Abrüsten und Punkt!

    • @Dietmar Rauter:

      Fortgeschrittene Technik ist gemeint (EIN Netz würde ausreichen, wenn es nach Gemeinwohlbedingungen betrieben wird!)

  • Import ist die falsche Strategie. Wir haben eine Menge nicht speicherbaren Wind- und Solarstrom. Ein geringerer physikalischer Wirkungsgrad ist nicht so schlimm wie ein geringerer politischer Wirkungsgrad, weil man sich mit Despoten aus dem "Globalen Süden" einlässt. Niemand braucht ein zweites Desertec.

  • Wasserstoff ist das Zauberwort zur Einforderung von Subventionen in ungeahnter Höhe vom nicht-so-ganz technisch beschlagenen Steuerzahler. Mehr ist es aber auch nicht.



    Die Industrie hat keine Probleme, nicht funktionale Lösungen zu präsentieren, solange jemand anders zahlt.

    Alle Produkte und Dienstleistung, die mit diesem Wasserstoff erzeugt werden, sind nicht konkurrenzfähig, sie können es nicht sein.

    Und der Rest der Welt hat andere Probleme, hat andere Absichten.



    Da geht es um den Weg aus der Armut, da geht es aber auch um mehr und höhere Gewinne. Uns aber fehlen die Mittel, für die Lösung unserer Probleme, denn sie werden für Illusionen verschwendet.

  • Es wird aufgrund der Kosten keinen großflächigen Einsatz von H2 in Deutschland geben. In anderen Ländern schon. Warum? Es ist wesentlich günstiger vor Ort den Wasserstoff zu verwenden als ihn mehrfach umwandeln zu müssen um ihn in Deutschland zu verwenden.



    Saudi Arabien hat schon angekündigt, Stahl zu produzieren, in Indien stehen ja schon entsprechende Werke.



    Ähnlich ist es in der Düngemittelproduktion und der chemischen Grundstoffindustrie. Sorry, hat hier keine Zukunft.



    Auf jeden Fall, wenn man mit H2 aus EE produzieren will.



    Aber vielleicht will man das ja gar nicht. Sehen wir Mal.

  • In Ländern, in denen Energiearmut und Wassermangel herrschen, soll Wasserstoff aus Süßwasser hergestellt werden, in Anlagen, die nicht CO2-neutral zu errichten sind. Mit Energie, die teilweise CO2- neutral erzeugt werden soll. Die Herstellung dieser Anlagen wird jede Menge Rohstoffe verbrauchen. Dann wird der Wasserstoff, so klein, dass er nicht in herkömmlichen Behältern und Röhren transportiert werden kann, mit neu zur Serienreife zu bringenden Methoden hierher transportiert, oder vor Ort in Ammoniak umgewandelt, hier zurückverwandelt, wo die Industrie mit neuen Anlagen, deren Bau weitere Rohstoffe kostet und noch mehr CO2-Emissionen verursacht, den hoch explosiven Wasserstoff verwendet, der bisher nicht erschwinglich in großen Mengen produziert werden kann.



    Wird unter dem Strich eine Tonne CO2 gespart oder ein Erg Energie erzeugt oder werden die benachteiligten Verhandlungspartner für Nichts geschädigt?



    Ja, es wird Verwerfungen geben, wenn die Industrie kollabiert. Aber das wird sie. Die Klimakatastrophe ist hier, und nur städtisches Energiesparen kann die Welt retten.

  • Man kann doch nicht einfach hier eine Wasserstoff-Infrastruktur aufbauen, ohne sicher zu wissen, dass man dafür auch "sauberen" Wasserstoff bekommt! Wenn der nicht realistisch herstellbar und hierher transportierbar ist, sollte man den ganzen Plan sofort vergessen. Dann ist diese Idee nämlich enorm klimaschädlich, weil ja viel Energie bei der Transformation von fossilen Brennstoffen in Wasserstoff oder auch Sonnenenergie in Wasserstoff und von Wasserstoff in elektrische Energie verlorengeht.

  • Ach herje. Jetzt auch hier in der TAZ der feuchte FDP Traum vom grünen Wasserstoff? Dazu in sehr kurzer Form Harald Lesch:

    youtu.be/fI4IMjdwp-o

    Es gibt auch längere Erklärungen dafür, warum diese Illusion eben nur eine Illusion ist - zumindest für die nächsten vielen Jahrzehnte.

  • Glückerweise ist die Wasserstoffimportstrategie ja nicht Startschuss sondern eine weitere Hürde, die nun auf dem eingeschlagenen Weg genommen wurde.



    Es wurden mit anderen Ländern ja bereits Ankommen unterzeichnet.



    Die Utopie der grünen Knopfs muss der Realität weichen.



    Natürlich brauchen wir Übergangslösungen.



    Es wird ja derzeit noch kein grüner Wasserstoff produziert.



    Gas produziert im Verbrauch 1\3 weniger CO2 als Öl und ist die deutlich bessere Alternative zur Kohleverstromung.



    Klar brauchen wir Kompromisse und es erschließt sich mir nicht warum diese Grundlage unserer Demokratie zunehmend mit dem Adjektiv "faul" bezeichnet wird.



    Kompromisslos wäre beim Ausstieg aus Putins Gaslieferungen im Winter 2022 gewesen: wir drehen den Hahn jetzt zu und warten auf grünen Wasserstoff. Ihr dürft mit den Zähnen klappern!



    Glücklicherweise hat die Ampel für eine Übergangslösung gesorgt und andere Gasquellen aufgetan, so dass Niemand frieren musste.



    Menschheit und Umwelt wird immer Kompromisse bedürfen, denn , zu Ende gedacht, wäre die Natur, ohne uns Menschen, besser dran.

  • Konjunktiv oder Futur II wären hier wohl angebrachter, statt falscher 'Zuversicht ins Gelingen des großen Umbaus'.

    Mehr Nachhaltigkeit durch eine Wasserstoffwende wird eine Illusion bleiben. Herstellung, Lagerung, Transport und Verbrennung sind derartig aufwendig und energieintensiv, da könnte man glatt den halben Amazonas-Regenwald gleich mitverbrennen.

    Hätte es jemals einen fairen Handel auf Augenhöhe bei fortbestehen (post-)kolonialer Kräfteverteilung gegeben, werden wir nie über eine Dritte Welt geredet haben und würden heute noch die heimische Scholle mit Magd, Knecht oder Vieh beackern.