Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg: Eine Mauer gegen soziale Probleme

Der Berliner Senat will unbedingt den Zaun um den Görlitzer Park, der Bezirk nicht. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Drogenpolitik.

Fahrradfahrer und Fahrradfahrerinnen im Görlitzer Park

Berlin, 13. Juli, Fahrraddemo im Görlitzer Park: nicht alle wollen eben den Zaun Foto: Toni Petraschk

Berlin hat ja so seine Erfahrungen, was den Bau von Mauern betrifft. Dass Mauern und Zäune mehr Probleme schaffen, als lösen, scheint man im Berliner Senat jedoch vergessen zu haben. Allem Widerstand zum Trotz wollen CDU und SPD die Mauern am Görlitzer Park in Friedrichshain-Kreuzberg durch Zäune ergänzen, um die als Drogenhotspot geltende innerstädtische Grünfläche komplett abzuriegeln und nachts zu schließen.

Dagegen protestieren nicht nur An­woh­ne­r*in­nen und stadtpolitischen Ak­ti­vis­t*in­nen, die von Donnerstag auf Freitag zu einer Kiezversammlung inklusive Pyjamaparty im „Görli“ einluden. Auch die grüne Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann will das nicht zulassen. Schließlich liegt der Park mitten in einem Wohngebiet, und Probleme lassen sich nicht einfach wegschließen. Ein Zaun würde die Kriminalität nicht verringern, sondern lediglich in die umliegenden Straßen, Hausflure und Hinterhöfe verdrängen, so die Kritik. Statt Law-and-Order brauche es soziale Lösungen für soziale Probleme.

So weit, so nachvollziehbar. Doch den Regierenden Bürgermeister Kai Weg­ner (CDU) ficht das nicht an. Ihm ist die Symbolpolitik ohne praktischen Nutzen nicht nur rund 2 Millionen Euro plus jährlich 800.000 Euro laufende Kosten wert, sondern auch eine handfeste gerichtliche Auseinandersetzung: Weil Friedrichshain-Kreuzberg sich weigert, den Zaun gegen den Willen der An­woh­ne­r*in­nen zu bauen, hat der Senat kurzerhand das Eingriffsrecht ausgeübt. Damit kann er den Zaun trotzdem bauen, „im dringenden gesamtstädtischen Interesse Berlins“.

Das kann der Bezirk wiederum nicht erkennen, klagte im Eilverfahren dagegen – und erlitt eine Schlappe. Die Berliner Verwaltung könne nicht gegen sich selbst juristisch vorgehen, so die Argumentation des Gerichts. Am Dienstag legte der Bezirk nun Beschwerde dagegen ein, und der Streit geht in die nächste Runde.

Es geht um mehr als den Park

Dabei geht es längst um mehr als nur einen Park: Der Bezirk sieht sich „politischer Willkür vonseiten des Senats ausgeliefert“, sagt Bürgermeisterin Herrmann im Interview mit der taz. Denn es ist nicht das erste Mal, dass die seit gut einem Jahr regierende schwarz-rote Landesregierung in Gutsherrenmanier Planungen kurzerhand an sich zieht, wenn ihr die Entscheidungen der gewählten Be­zirks­ver­te­te­r*in­nen anderer politischer Parteien nicht gefallen.

Erst vor einem Monat wurde der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg beim umstrittenem Bauvorhaben „Urbane Mitte“ entmachtet, nachdem er Änderungen am jahrzehntealten und längst nicht mehr zeitgemäßen Bauplan forderte. Der sieht für die 24.000 Qua­drat­meter vor allem Büros vor – und das, obwohl in der Hauptstadt bereits jetzt über eine Million Quadratmeter Bürofläche leerstehen und Wohnraum dringend benötigt wird. Doch der Senat stellte sich auf die Seite des Investors und zog die Planung an sich.

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Auch andere Bezirke sind von der autoritären Regentschaft betroffen: Im September vergangenen Jahres zog Schwarz-Rot ein Bebauungsplanverfahren in Neukölln an sich, damit ein privater Investor den 3,9 Hektar großen „Em­maus­wald“ für Eigentumswohnungen roden kann. Vor einem Monat übernahm der Senat die Planungen für den Olympiapark am Olympiastadion in Charlottenburg-Wilmersdorf, um auf eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2036 vorbereitet zu sein – ein weiteres Projekt gegen den Willen der Mehrheit der Berliner Bevölkerung.

Da fragt man sich schon: Wenn der schwarz-rote Senat seine beziehungsweise die Interessen von Investoren gegen die Bezirke und die Bür­ge­r*in­nen durchsetzt – ist das noch Demokratie oder kann das weg?

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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