Bedrohte Vielfalt

Frankreich ist in den vergangenen Jahren immer mehr nach rechts gedriftet. Angriffe auf Mi­gran­t:in­nen und Jü­d:in­nen nehmen zu. Auch die Kulturszene leidet. Eine Spurensuche

Hochhäuser und Eingang zur Metro

Der Place du Banat liegt in einem Sozialbauviertel in Rennes. Hier leben vor allem Ma­ghre­bi­ne­r:in­nen Foto: Jean-Claude Moschetti/REA/laif

Aus Rennes und Lannion Christian Jakob

Der Place du Banat liegt in einer neuen Sozialbausiedlung am Rande von Rennes. Die Spielplätze sind am Nachmittag voller Kinder, auf den Wegen zur nahen Metrostation laufen Schwarze Menschen, Ma­ghre­biner:in­nen, Frauen mit Kopftuch. Wie überall in solchen Vierteln in Frankreich sieht man hier auch jetzt tagsüber Trupps der Nationalpolizei CRS, die in Mannschaftsstärke junge Männer umzingeln, sie durchsuchen, abgeschirmt von Koll­eg:innen mit großen weißen Pfefferspraykartuschen in den Händen, die misstrauisch die Umgebung beobachten. Das Bild solcher Kontrollen hat sich im kollektiven Bewusstsein Frankreichs festgesetzt: Die Banlieues mit ihrem hohen Migrantenanteil gelten als gefährliche Orte voller Delinquenz, womöglich Brutstätten von Extremismus, die die Härte des Staates verlangen. Keine Partei befeuert diese Vorstellung stärker als der Rassemblement National (RN), keine bekam bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag so viele Stimmen. Und auch wenn eine RN-Regierungsbeteiligung derzeit ausgeschlossen scheint, verschiebt sich durch sein Erstarken die Stimmung im Land weiter nach rechts.

Im Erdgeschoss eines der Hochhäuser hat Mohamed Iqbal Zaidouni einen Gemeinschaftsraum angemietet, hier gibt er Unterricht – Arabisch, Kultur, Mathematik für Jugendliche im Viertel. Es ist ein kalter Julitag, Zaidouni trägt eine dicke braune Fleecejacke. Er ist Präsident der islamischen Gemeinden in der Bretagne, Krankenhausimam, Gefängnisimam, Matheprofessor an der Universität von Rennes. Er bringt Tee in einer ziselierten silbernen Kanne, beim Einschenken zieht er den Arm weit nach oben, dann legt er Kekse neben den Becher, setzt sich, schaut durch seine Brillengläser und sagt: „Was willst du jetzt hören?“ Wie es den Mus­li­m:in­nen damit geht, dass eine Anti-Islam-Partei die meisten Stimmen bekommen hat. „Es geht mir gut, ich atme durch.“ Er atmet vernehmlich und breitet die Arme aus. „Und schau, ich empfange dich mit offenen Armen.“ Alles gut also? Frankreich sei „kein Land des Rassismus, sondern der Aufnahme“, sagt er dann. Es sei ein „kostbarer Motor Europas“. Wer dieses Land den Rechtsextremen überlasse, „zerstört es und zerstört Europa“. Das hätten viele verstanden und im zweiten Wahlgang „republikanisch“ gewählt.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Inflation – „die Menschen haben Angst, Medien und Populisten spielen damit“. Viele hätten das Vertrauen in die Po­li­ti­ke­r:in­nen verloren. Das Wahlergebnis sieht er in erster Linie als eine Absage an Macron.

Sein Telefon klingelt dauernd, er geht jedes Mal ran, läuft umher und bringt wie zur Entschuldigung auf Zahnstocher gespießte Pralinen. „Alle reden immer so viel“, meint er dann.

Natürlich hätten auch die Mus­li­m:in­nen Angst. Ihre Dämonisierung habe schon zu IS-Zeiten zugenommen, sagt er, die Attentate seien allen Muslimen in die Schuhe geschoben worden. „Aber wer sind die Opfer des IS? Muslime!“ Was die Terroristen wollten, sei „exakt das Gegenteil dessen, was wir hier wollen“. Nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Überfalls der Hamas auf Israel, habe die Stigmatisierung zugenommen. Die einzige Partei, die dieses Gefühl durchbrochen habe, sei die linke La France Insoumise von Jean-Luc Mélenchon. „Er hat das Thema angesprochen und benannt, das alle Muslime umtreibt: den Genozid in Gaza, der gerade stattfindet. Das findet natürlich ein Echo bei den Muslimen“, sagt Zaiduni. Alle anderen Parteien hätten „Angst vor der Lobby“ und würden deshalb das Thema Gaza nicht anschneiden.

Er sei mit 22 aus Marrakesch nach Rennes gekommen, um in Mathematik zu promovieren. „Ich habe die Sprache, die Kultur Frankreichs gelernt, ich habe es lieben gelernt, hier geheiratet, hier meine Kinder großgezogen“, sagt er. Integration sei „eine Frage des Geistes“. Das sei die Art von Migration, die er sich vorstelle. „Nicht die unregulierte, bei der die Menschen im Meer ertrinken.“ Diese Migration, glaubt er, finde bei der Mehrheit der Franzosen Zustimmung. Auch der Islam passe gut zu Frankreich. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, das ist doch exakt das, was der Islam will.“ Zaidouni ist auch im Vorstand der Laizistischen Gesellschaft der Bretagne. Laizismus ist eines der Schlagworte, mit denen Konservative und Rechtsextreme gegen eine vermeintliche Islamisierung Frankreichs agitieren. Wie geht das zusammen? Er läuft umher, bevor er antwortet. „Laizismus ist wie ein rohes Stück Gold, aus dem der eine Schmuck macht und der andere ein Messer“, sagt er dann. Laizismus kann „Toleranz, Respekt und Freiheit bedeuten oder Schikane, Dominanz und Unterwerfung, wenn er missbraucht wird.“

Nun komme es darauf an, dass die Politik endlich Antworten auf die bestehenden Probleme finde, vor allem die Inflation, meint er. „Sonst geht es wieder gegen die Migranten.“

„Ich habe die Sprache, die Kultur Frankreichs gelernt, ich habe es lieben gelernt, hier geheiratet“

Mohamed Iqbal Zaidouni, Imam

Die Bretonen wählen traditionell Mitte-links, der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund ist vergleichsweise niedrig. Die Hauptstadt Rennes gilt dem Kommunalverband Eurocities als „europaweit führend“ bei progessiven Konzepten zur Aufnahme von Flüchtlingen und Mi­grant:in­nen. Trotzdem konnte der RN auch hier seinen Stimmenanteil gegenüber den vorherigen Wahlen etwa verdoppeln, in der ersten Runde der Parlamentswahlen auf rund 29 Prozent. Wie erklärt sich dieser Wandel – und welche Folgen hat er? Unter linken Ak­ti­vis­t:in­nen ist eine der Antworten auf diese Frage, dass Rechtsextreme sich bestärkt fühlten und deshalb ihre Hemmschwelle für Gewalt sinke. Gezeigt habe sich dies unter anderem in der Kleinstadt Lannion an der Kanalküste. Nach dem ersten Wahlgang verwüsteten Unbekannte hier in zwei Nächten in Folge ein Agrarprojekt von Sans-Papiers, also Menschen ohne Aufenthaltsstatus. Beteiligte wurden auf der Straße beschimpft und bedroht.

An diesem Julitag ziehen schwere Wolken vom Atlantik herüber, es regnet ohne Unterlass in Lannion, nur wenige Tou­ris­t:in­nen durchstreifen den mittelalterlichen Stadtkern und suchen sich trockene Plätze in den Cafés, die Crêpes mit Salzbutter verkaufen. In einem Außenbezirk liegt eine ehemalige Gärtnerei: Vier turnhallengroße Gewächshäuser, die im vergangenen Jahr das antirassistische Kollektiv A4 übernommen hat. Der Initiator heißt Idriss, er stammt aus dem Sudan, ist Anfang 30, kam 2016 nach Lannion und arbeitete wie viele andere Geflüchtete mangels Alternativen ohne Arbeitsvertrag in der Landwirtschaft. „Scheißbedingungen“, sagt er dazu. „Wenn ich die französischen Bauern angezeigt hätte, hätten die Behörden mich abgeschoben.“ Er war frustriert, wollte nach Großbritannien, hatte dann aber eine Idee, die er 2020 auf einem Camp antirassistischer Gruppen in Nantes vorstellte: eine Art Berufsschule für landwirtschaftliche Tätigkeiten, offen für Sans-Papiers und Menschen mit unsicherem Aufenthalt, deren Abschlüsse sowohl nach einer Abschiebung nützlich sein können als auch beim Antrag auf einen französischen Aufenthaltstitel. Seit 2023 baut das Kollektiv hier Tomaten, Rote Beete, Ingwer und anderes Gemüse an. Sie vermitteln Schlafpätze an Sans-Papiers, laden die Be­woh­ne­r:in­nen des nahen Flüchtlingsheims ein, mitzuarbeiten. Auch eine Rechtsberatung soll es demnächst geben. Im Flüchtlingsheim gehe es zu wie in einem Gefängnis, meint Idriss: kein Recht zu arbeiten, reduzierte Sozialleistungen. „Nur schlafen, essen und Schluss.“ A4 wolle dies durchbrechen: „Wir wollen hier Begegnungen schaffen, die Menschen sollen Französisch lernen, ihre Fähigkeiten entwickeln.“

Im Februar hätten Unbekannte das erste Mal Möbel aus den Hallen auf eine benachbarte Brache gebracht und angezündet, berichtet Idriss. Am Dienstag nach dem ersten Wahlgang sei er morgens in die Gärtnerei gekommen und habe die Küche und die Felder verwüstet vorgefunden. „Wir haben Anzeige erstattet, die Polizei hat gut reagiert“, sagt er. Sie empfahl, Kameras anzuschaffen, bot Patrouillen an. Zwei Tage später: Wieder waren in der Nacht Unbekannte eingedrungen, verwüsteten die Gärtnerei, rammten Messer in die Tische, zerstörten eine Ausstellung, stahlen Fahrräder. A4 hat eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um die Schäden bezahlen zu können. Doch bei der Verwüstung blieb es nicht. Eine kamerunische Frau sei in jenen Tagen in der Nähe des Projekts mit Affenlauten beleidigt worden. An einem nahe gelegenen Verkehrskreisel sei ein Auto auf Idriss selbst zugefahren. „Die haben mich angebrüllt: Was wollt ihr hier? Haut ab nach Hause.“ Weil die Kennzeichen abmontiert waren, glaubt er, dass der Übergriff geplant war. „Sie hatten es wohl auf mich abgesehen, weil ich als Verantwortlicher für das Projekt bekannt bin. Das macht einem schon Angst.“ Es habe sich einiges verändert, seitdem der RN stärker wurde. Zu den Kundgebungen kämen immer weniger Menschen. „Und die, die gegen die Migration sind, sagen das nun immer offener.“ Die Ak­ti­vis­t:in­nen müssten sich besser organisieren. „Es gibt viel zu tun, man darf nicht schlafen.“ Dass viele französische Linke ihm sagten, sie würden nicht wählen, weil das nichts bringe, „finde ich total unlogisch“, sagt Idriss. „Es läuft ja alles über die Wahlen, wer ein Aktivist sein will, der muss doch wählen gehen.“ Das Erstarken des RN müsse auch die Fran­zö­s:in­nen umtreiben, glaubt er. „Das geht ja nicht nur gegen uns, der RN ist ja zum Beispiel auch gegen die Frauenrechte.“

Mohamed Iqbal Zaidouni ist Präsident der islamischen Gemeinde Foto: Christian Jakob

Es sind nicht nur die Rechte der Frauen bedroht. Eine halbe Million Jü­d:in­nen leben in Frankreich, mehr als in jedem anderen europäischen Land. Laut dem jüdischen Dachverband Crif sind die antisemitischen Vorfälle in Frankreich nach dem 7. Oktober „explodiert“, der Verband registrierte einen Zuwachs um 1.000 Prozent. RN-Chefin Marine Le Pen versucht, sich als Anwältin der Jü­d:in­nen zu geben, ihre Partei als Kämpferin gegen den Antisemitismus zu zeigen. Ihre Auftritte beginnt sie bisweilen mit dem Satz: „Ich grüße die Christen und die Juden Frankreichs.“ Vor der Wahl sagte Israels Diasporaminister Amichai Chikli, es wäre „hervorragend“, wenn Le Pen an die Macht käme. Und auch das berühmte Nazijägerpaar Serge und Beate Klarsfeld äußerte sich so. Gleichzeitig ist beim RN ständig von klar antisemitischen Ideen zu hören, wie dem „großen Austausch“ oder der Notwendigkeit, gegen die „globalistische Elite“ zu kämpfen.

Seit 2002 gibt es in Rennes eine Synagoge. Sie liegt in einem Wohngebiet weit außerhalb der Innenstadt. Auch während der Öffnungszeiten sind die Fenster verrammelt, Kameras filmen die Außenflächen, vor der Tür sind Gitter. Einige Mitglieder der Gemeinde betreiben Sholem – „Frieden“ – einen Verein für jiddische Kultur. Dominique Ertel, eine ältere Dame mit wallendem silbernem Haar, ist die Präsidentin. Es sei „sicher, dass die Lage der Jü­d:in­nen problematisch ist, viele sind verunsichert, und der Antisemitismus nimmt zu“, meint sie. Doch es gebe sehr unterschiedliche politische Positionen innerhalb der jüdischen Gemeinde. „Ich habe keine Ahnung, was die Klarsfelds geritten hat, sich so zu positionieren“, sagt sie. Und viele Jü­d:in­nen seien den Klarsfelds in ihrer Hinwendung zum RN gefolgt. Sie selbst sei „natürlich froh, dass die extreme Rechte nicht gewonnen hat“, sagt Ertel. Sie habe Angst vor einem Sieg Le Pens gehabt, auch wenn diese versuche, sich „als Freundin der jüdischen Community darzustellen und sie gegen die Migranten zu benutzen. Aber wir wissen sehr genau, wofür die extreme Rechte steht.“ Gleichzeitig hoffe sie, dass sich innerhalb der Linken nicht Jean-Luc Mélenchon durchsetze und eine führende Rolle bekomme.

„Wenn ich die französischen Bauern angezeigt hätte, hätten die Behörden mich abgeschoben“

Idriss, Gründer des Kollektivs A4

Der 7. Oktober sei für viele Jü­d:in­nen in Frankreich ein traumatisierendes Ereignis gewesen, sagt Ertel. „Man fühlte sich wie 80 Jahre zuvor, hatte den Eindruck, isoliert zu sein.“ Sehr schnell habe sich der Diskurs verändert. Man habe nicht über die Massaker sprechen können, ohne als anti-palästinensisch zu gelten. „Ich habe mich vorher nie als Jüdin stigmatisiert gefühlt. Seit dem Beginn des Gazakriegs ist das anders.“ Ertel beklagt eine tiefe Polarisierung. Die Linke habe versagt, eine Haltung zu finden, die das Leid von Israelis und Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen angemessen berücksichtige. Man war entweder für die israelischen Geiseln oder für die Be­woh­ne­r:in­nen von Gaza, „niemand brachte es fertig, die Dramen beider Seiten zu benennen. So haben sich die Jü­d:in­nen verraten gefühlt“, sagt Ertel. Der Einzige, der es vielleicht geschafft habe, eine Position des Ausgleichs zu finden, sei der Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann. Die Lage sei vertrackt. Sie hoffe, dass das linke Bündnis NFP die soziale und ökologische Situation verbessern könne, und „diese Linke zu ihren alten Werten der Solidarität“ zurückfinden werde.

Das hofft auch Bertrand Segalen. Der Theatermacher stammt aus Rennes, vor zwei Jahrzehnten zog er ins Umland. „Anfangs gab es in meinem Dorf drei Bars, ein Restaurant und eine Post. Heute ist noch eine Bar übrig“, sagt er. Aber es gibt das Collectif Mobil Casbah, ein Netzwerk alternativer Kulturprojekte, das Segalen und andere in der Region aufgebaut haben: Kleinkunst, Clownerie, Akrobatik, Musik, das Kollektiv veranstaltet Low-Budget-Shows auch da, wo es sonst keine Kulturangebote gibt. 237 der 587 Stimmen in seinem Dorf gingen diesmal an den RN – weit mehr als je zuvor. „Dabei gibt es dort nur einen einzigen Marokkaner und sonst nur Weiße“, sagt Segalen. Es sei eine Mischung aus Angst, das alles sich ändert, und einem „Gefühl des Verlassenseins“: Viele ziehen in die Städte, nur wenige Junge bleiben mit den Alten zurück. Viele seiner älteren Nach­ba­r:in­nen würden das Ausland nur aus dem Fernsehen kennen, eine Fahrt in die 25 Kilometer entfernte Kreisstadt „ist für die schon eine Reise“. Nachdem der RN in Segalens Bezirk im ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekam, machte der Theatermann Wahlkampf für die NFP, ging mit Flugblättern von Tür zu Tür. „Meine Nachbarn sagten: ja, wir haben hier noch keine Probleme, aber wir wollen nicht, dass das, was wir im Fernsehen sehen, hierherkommt.“ Es seien vor allem die privaten Medien des Milliardärs Vincent Bolloré, die – ähnlich wie Fox News in den USA – permanent und absichtsvoll angsteinflößende Schreckensnachrichten aus den großen Städten verbreiteten.

Idriss stammt aus dem Sudan. Nach Stationen in der Landwirtschaft gründete er das Qualifizierungsprojekt A4 in Lannion Foto: Christian Jakob

Das Fernsehen gibt es schon lang. Warum aber hat sich die Stimmung jüngst so verändert? Segalen glaubt an eine „Offensive“, mit der Bolloré diesmal gezielt Le Pen unterstützt habe. Das sehen viele in Frankreich so. Doch schon viele Jahre zuvor hätten Konservative Positionen des RN zumindest teilweise aufgegriffen und so den Eindruck erweckt, dass diese legitim seien. „Das ging schon mit Chirac los, der gesagt hat, dass es ‚stinkt und lärmt‘, wenn Migranten als Nachbarn einziehen. Und das zog sich so durch, bis heute, bis Macron“, sagt Segalen. Dazu komme die Inflation, die trotz guter Arbeitsmarktzahlen die Angst vor Verarmung schüre. Für Kulturschaffende sei die Entwicklung bedrohlich. Dort, wo Projekte wie seine Mobil Casbah ihre Shows und Festivals veranstalten, habe sich der Staat schon lange mit eigenen Kulturangeboten verabschiedet. Die verbliebene freie Kulturszene sei auf Subventionen angewiesen. Doch dafür hätten sich die Bedingungen verschlechtert.

Im Jahr 2022 führte Macron den Vertrag über republikanisches Engagement (CER) ein. Er soll Emp­fän­ge­r:in­nen staatlicher Förderung stärker auf „republikanische Werte“ verpflichten. Der RN seinerseits verfolge „extrem liberale Ideen“ von weniger Staat und demnach auch von weniger Subventionen. Kultur akzeptiere er nur, wenn sie „rechtsextrem oder traditionalistisch“ sei, sagt Segalen. Bereits Macron habe die Polizei immer stärker aufgerüstet, gehe mit schwerer Gewalt gegen Demonstranten vor, sei „hyperpräsent“. Diese neue Sicherheitsdoktrin sei umso gefährlicher, falls es eines Tages einen rechtsextremen Innenminister gäbe.

Immerhin: Im zweiten Wahlgang hat in seinem Wahlbezirk die Kandidatin des NFP gewonnen. „Mal sehen, was jetzt passiert“, sagt er.