Nato-Gipfel in Washington: Der Elefant im Raum

Die Nato-Staaten diskutieren noch bis Donnerstag über den Ukrainekrieg und Orbán – und bereiten sie sich auf einen möglichen US-Präsidenten Trump vor.

Schatten von Donald Trump, der eine Rede hält

Nicht selbst auf dem Nato-Gipfel, aber dennoch präsent: Donald Trump Foto: Yuri Gripas/imago

Wenn die Staats- und Regierungschefs der Nato-Mitglieder bis Donnerstag den 75. Geburtstag des Militärbündnisses in Washington feiern, wird ein Mann, der gar nicht eingeladen ist, für Gesprächsstoff sorgen: Donald Trump, möglicher nächster US-Präsident, ist so etwas wie der Elefant im Raum.

Denn: Trump hatte mehrfach lautstark ventiliert, dass die europäischen Staaten des Bündnisses mehr Geld für Verteidigung ausgeben müssen. Im Falle eines russischen Angriffs auf die Nato-Partner würden die USA nur dann helfen, wenn die Staaten sich auch mehr bei den Mitteln für die Abwehr beteiligen. Damit hatte Trump den Bündnisfall – nämlich die Unterstützung eines Mitgliedsstaats im Falle eines Angriffs – nach Artikel fünf des Nordatlantikvertrags in Frage gestellt. Nach irritierten Nachfragen aus den Bündnisländern relativierte Trump seine Aussage wieder. Aber es zeigt: Eine US-Administration unter Trump ist unberechenbar.

Und die ist mit einem schwächelnden US-Präsidenten Joe Biden nicht ganz unwahrscheinlich. Dessen Auftreten – zudem als Gastgeber des Gipfels – bei den öffentlichen Auftritten sowie den Treffen hinter den Kulissen wird argwöhnisch beäugt werden.

Auf der offiziellen Nato-Agenda weit oben steht die weitere Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor Wladimir Putin. Noch-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat es bisher nicht geschafft, alle Staaten auf langfristige Hilfen einzuschwören. Stattdessen wird auf bilaterale Sicherheitsvereinbarungen gesetzt, unter anderem mit Deutschland, Frankreich, ­Großbritannien und den USA. Erst am Montag unterzeichnete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein solches Papier mit Polen.

Für ordentliche Störfeuer im Vorfeld des Gipfels sorgte der ungarische Regierungschef Viktor Orbán. Hoch umstritten ist seine sogenannte Friedensmission 3.0, die ihn zuerst nach Kyjiw, dann nach Moskau und schließlich nach Peking führte. Seine Marschroute verärgerte die übrigen Nato-Mitglieder erheblich, war seine „Mission“ doch weder mit der EU noch mit der Nato abgesprochen. Pünktlich vor Beginn des Gipfels machte Putin mit einem brutalen Angriff auf ein Kinderkrankenhaus in Kyjiw mit mehr als 30 Toten unmissverständlich klar, dass eine Waffenruhe seinerseits nicht geplant ist – schon gar nicht, wenn die westlichen Verbündeten ihre Lieferungen an militärischem Gerät an die Ukraine hochgefahren haben.

Es wird Stoltenbergs letzter großer Auftritt auf internationaler Bühne, in wenigen Wochen übernimmt offiziell der Niederländer Mark Rutte. Die Liste globaler Konflikte ist lang: die russische Invasion in der Ukraine droht zum zermürbenden Stellungskrieg zu werden, im Nahen Osten verschärft sich die Kriegslage, es gibt Spannungen im Indopazifik. Rutte muss die Reihen schnell schließen und vor allem akut für mehr Luftverteidigung für die Ukraine sorgen.

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