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Eskalation zwischen Israel und HisbollahSiedlungspläne vom rechten Rand

Kommentar von Lisa Schneider

Israels Militär droht damit, in den Süden Libanons einzumarschieren. Eine rechte Organisation würde dort am liebsten Siedlungen errichten. Doch das ist unrealistisch.

Libanon, 07.06.2024: ein zerstörtes Gebäude in der Grenzregion zwischen Israel und Libanon Foto: Taher Abu Hamdan/dpa

N och ist nicht entschieden, ob Israels Militär tatsächlich in den Südlibanon einmarschieren soll – und ob so aus dem seit Oktober vor sich hinschwelenden Konflikt mit variierender Intensität doch noch ein ausgewachsener Krieg wird. Doch am rechten Rand Israels erheben sich bereits die Köpfe derer, die den Südlibanon gerne nicht nur erobern würden, sondern auch besiedeln.

Die Organisation Uri Tzafon lädt am Montag zur „ersten Konferenz zur Besiedelung des Südlibanon“ via Zoom ein. Besprochen werden sollen unter anderem „die Besiedelung des Libanon aus einer juristischen Perspektive“, „erfolgreiche Siedlungsmodelle der Vergangenheit“, sowie „der Libanon in der Bibel“.

Auch den Bewohnerinnen und Bewohnern des Südlibanon hat Uri Tzafon seine Pläne bereits kommuniziert – und in der vergangenen Woche nach eigenen Angaben Ballons und Drohnen in Richtung Südlibanon geschickt, mit Räumungsbescheiden auf Arabisch und Hebräisch.

Uri Tzafon argumentiert, eine Besiedelung sei nötig, um in Israels Norden Frieden zu schaffen. Abgesehen davon, dass die Konsequenzen für libanesische Zivilistinnen und Zivilisten verheerend wären, hält das Argument einer genaueren Betrachtung nicht stand. Das Westjordanland ist von israelischen Siedlungen durchkreuzt. Haben sie die Sicherheit der Menschen in Israel erhöht? Wohl kaum. Stattdessen wurde der Zyklus der Gewalt weiter angefacht, auch wegen der verständlichen Frustration der Palästinenserinnen und Palästinenser über Landnahmen, stundenlangem Warten an Checkpoints und der Siedlergewalt.

Angenommen, das Militär würde überhaupt im Libanon einmarschieren – ist eine Besiedelung realistisch? Eher nicht. Noch ist das zu sehr eine Position des rechten Randes. Dennoch verschiebt eine Konferenz, wie Uri Tzafon sie angkündigt hat, letztlich die Grenzen des Denkbaren. Betrachtet man Israels politische Landschaft, stellt man fest: Was vor zwanzig Jahren noch richtig rechts war, ist mittlerweile salonfähig. Und diejenigen, die diese Ansichten vertreten, sitzen nicht mehr nur in der Knesset, sondern in der Regierung.

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11 Kommentare

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  • Sie nehmen sich das Land auf der Westbank. Sie wollen eigentlich auch den Gaza - Streifen für Israel. Sie haben mit dem Golan ein Stück Syrien einkassiert. Und jetzt noch ein Stück Libanon dazu. Natürlich alles wegen der Sicherheit.



    Und in Israel wundern sich natürlich alle, warum das mit dem nachbarlichen Frieden seit Jahrzehnten nicht klappt...



    Hat Israel nicht genug Probleme ? Muss man jetzt noch ein Fass mit dem Libanon - und das heißt ja wohl mit Hisbollah und dem Iran aufmachen. Und die USA sorgen dafür dass dabei auch ja nix schief geht....?



    Ich raff es nicht...

    • @Monomi:

      "Und in Israel wundern sich natürlich alle, warum das mit dem nachbarlichen Frieden seit Jahrzehnten nicht klappt..."



      Stimmt. Warum will das Konzept Land für Frieden nicht funktionieren? Warum ist den palästinensischen Terrorgruppen der Frieden nie so wichtig wie der Wunsch, Israel ins Meer zu treiben?



      Vom Rationalen her völlig unverständlich.



      "Ich raff es nicht..."



      Ja, das geht vielen so.

  • "Was vor zwanzig Jahren noch richtig rechts war, ist mittlerweile salonfähig."



    Dieser Satz gilt ja wohl nicht nur für Israel, sondern für so ziemlich alle westlichen Gesellschaften. In Deutschland verschiebt die afd das Sagbare weit nach rechts, in den USA tut dies Trump, im restlichen Europa sind andere dafür verantwortlich.



    Es wird sich auf Sicht nicht zum Besseren wenden.

    • @MednaGora:

      Hin- und Herverschiebungen des Sagbaren

      Zitat MednaGora: “Was vor zwanzig Jahren noch richtig rechts war, ist mittlerweile salonfähig."
Dieser Satz gilt ja wohl nicht nur für Israel, sondern für so ziemlich alle westlichen Gesellschaften. In Deutschland verschiebt die afd das Sagbare weit nach rechts“

      Im Grunde handelt es sich nicht nur um „Verschiebungen des Sagbaren“ von rechts in die Mitte, sondern auch von der Mitte nach Links, etwa wenn Sigmar Gabriel verkündet, den Krieg nach Rußland tragen zu wollen, wenn Putin sich nicht unterwirft.

      Das erinnert an Äußerungen wie die des langjährigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger, die den Angriff Deutschlands gegen die Sowjetunion 1941 „nicht grundsätzlich falsch fanden“ (vgl. K. Nelhiebel: Der braune Faden. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2010). Das zwischenzeitlich unter W. Brandt und H. Schmidt Unsagbare hat sich inzwischen wieder ins Sagbare verschoben, diesmal unter tatkräftigen Schubkraftverstärkung durch Seeheimer-SPD und (Oliv)Grüne, und dominiert die Mitte. Die Stahlhelmfraktion läßt grüßen.

  • Die beabsichtigte Landnahme durch israelische Siedler ist genau so zu verurteilen, wie die Besetzung des Südlibanons durch radikale Palästinenser. Während man das erste sicher verhindern kann, muss man die zweiten allerdings erst wieder vertreiben. Insofern bleibt die Frage, wer dazu willens und in der Lage ist.

    • @vieldenker:

      So wie man die Landnahme durch israelische Siedler im Westjordanland in den letzten Jahrzehnten verhindert hat? Na dann können die Menschen im südlichen Libanon wohl schon mal anfangen die Sachen zu packen, denn vom Westen können sie diesbezüglich keinen Beistand erwarten. Es gab ja nicht mal Sanktionen wegen diesem zigfachen Völkerrechtsbruch.

      • @Momo Bar:

        Dass besonders der Westen die israelischen Völkerrechtsverstöße seit Jahrzehnten nicht nur hinnimmt, sondern deckt und unterstützt, gehört zu den grundlegenden Fehlern in diesem Konflikt. Im Jetzt ist dieses Versagen besonders aktuell, wird doch Russland (zurecht) für seine illegalen Landnahmen sanktioniert, Israel hingegen wird für seinen Raub auch noch mit Waffenlieferungen belohnt.



        So offenbaren sich Israel und der Westen als Totengräber des Völkerrechts und der selbst so vehement propagierten "regelbasierten Weltordnung". Der Umgang mit Israel entlarvt diese "Regeln" als ein politisches Instrument, hinter dem keine Werte, sondern reine Selbstsucht stehen.

  • Merkwürdig, dass der systematische Landraub seit Jahrzehnten so wenig thematisiert wird. Mittlerweile ist er doch wohl das Haupthindernis für einen dauerhaften Frieden. Leider haben auf beiden Seiten die Radikalen das Sagen, die jeweils das ganze Gebiet für sich beanspruchen.

  • Unrealismen

    Zitat: „Eine rechte Organisation würde dort am liebsten Siedlungen errichten. Doch das ist unrealistisch… Das Westjordanland ist von israelischen Siedlungen durchkreuzt. Haben sie die Sicherheit der Menschen in Israel erhöht? Wohl kaum.“

    Es geht hier nicht um „realistisch“ oder „unrealistisch“ oder die „sicherheitsrelevante Zweckmäßigkeit“ solcher Siedlungsprojekte, sondern um ihre völkerrechtliche Legitimität, die diesem Bericht zufolge offensichtlich wieder religionsmythischen Legenden des Alten Testaments untergeordnet werden soll, vergleichbar mit der Forderung der israelischen Nationalreligiösen nach Landnahme von Eretz Israel in seiner gesamten biblischen Ausdehnung.

    Man stelle sich vor, Putin käme auf die Idee, auf Rügen slawische Siedlungen errichten zu wollen mit dem Argument, dort hätten schließlich schon vor 1000 Jahren Slawen gesiedelt, sei folglich „urrussisch“. Außerdem sei dies für die Sicherheit Rußlands unabdingbar. Man würde diese Schnapsidee wohl kaum mit dem euphemistischen Attribut „unrealistisch“ abtun.

    • @Reinhardt Gutsche:

      "Man stelle sich vor, Putin käme auf die Idee, auf Rügen slawische Siedlungen errichten zu wollen mit dem Argument, dort hätten schließlich schon vor 1000 Jahren Slawen gesiedelt, sei folglich „urrussisch“. "



      Bringen Sie den Mann nicht noch auf Ideen...

  • Ich erinnere an "UN Security Council Resolution 1701", eigentlich wäre es an der internationalen Community die Hezbollah zu zerschlagen, da der Staat die Resolution nicht umsetzt.

    Dass sie dies nicht tut lastet Israel das Versagen der Internationalen Community, das Versagen des libanesischen Staates und das Versagen der Arabischen Liga an.