TU-Präsidentin Geraldine Rauch: Gut, dass sie bleibt

Dass Geraldine Rauch TU-Präsidentin bleibt, ist richtig. Sie wird sich nun daran messen lassen müssen, wie sie gegen Antisemitismus vorgeht.

Menschen mit Transparent "Hochschulautonomie statt Hetze / Geraldine beibt!"

Rauchs Rückhalt unter den Studierenden dürfte noch deutlich sein als in der Pro­fes­so­r*in­nen­schaft Foto: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Es ist gut, dass Geraldine Rauch Präsidentin der Technischen Universität Berlin (TU) bleibt. Sie hat am Donnerstagabend erklärt, dass sie ihr Amt weiter ausführen werde. Dabei war der Druck auf sie groß: Im Akademischen Senat hatte sich am Mittwoch eine knappe Mehrheit für ihren Rücktritt ausgesprochen. Auch außerhalb der Uni hatten Amts­trä­ge­r*in­nen und Po­li­ti­ke­r*in­nen bis hoch zur Bundesebene ihren Rücktritt gefordert.

Die Uni ist offensichtlich gespalten in der Frage, ob Rauch weiterhin als Präsidentin tragbar ist. Doch deutlich geworden ist auch, dass Rauch in der TU einigen Rückhalt hat. So fiel das Stimmungsbild gegen sie denkbar knapp aus. Der Akademische Senat hatte dafür ein Meinungsbild unter seinen Mitgliedern eingeholt. Dabei sprachen sich 13 von 25 Mitgliedern für ihren Rücktritt aus, 12 dagegen. Das Gremium hätte auch einen Antrag auf Abwahl stellen können – doch die Mitglieder entschieden sich offensichtlich in nicht-öffentlicher Sitzung gegen diesen Schritt.

Damit solch ein Antrag überhaupt in den weiteren Gremien bearbeitet wird, hätten sich zwei Drittel der Mitglieder im Akademischen Senat für ihre Abwahl aussprechen müssen. Diese Mehrheit gibt es also aktuell nicht. Dass der Akademische Senat ihr dann 24 Stunden Bedenkzeit gab und die Entscheidung ihr überließ, ist ebenfalls ein Zeichen des Vertrauens. Auch Mit­ar­bei­te­r*in­nen und Stu­den­t*in­nen hatten mit einem Brief und einer Demo ihre Unterstützung für Rauch ausgedrückt, sie selbst sagte, dass viele sie aufgefordert hätten, zu bleiben.

Der Fall ist damit auch noch nicht vom Tisch: Am Montag wird das Kuratorium der Uni zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über Rauchs Likes auf X zu beraten. Auch dieses Gremium könnte noch mal die – mehrstufige – Abwahl beantragen, die dann allerdings wieder im Akademischen Senat landen würde. Geraldine Rauch selbst hat ein Disziplinarverfahren gegen sich beantragt, um die Sache juristisch zu klären.

Nur eins ihrer Likes eindeutig zu verurteilen

Unbestritten ist auch, dass das Like für den Post mit antisemitischer Abbildung ein schwerer Fehler ist, der einer Uni-Präsidentin nicht hätte passieren dürfen. Das Bild selbst allerdings ist ziemlich verschwommen. Es zeigt Netanjahu als Plakat bei einer Kundgebung in einem mit Blut und Hakenkreuzen beschmierten Hemd. Die antisemitische Bildsprache, die Rauch sofort hätte ins Auge springen müssen, ist erst bei genauerem Blick augenfällig. Allerdings ist es das einzige der nun angeprangerten Likes, das eindeutig und unbestritten zu verurteilen ist. Die anderen Posts, die in der Kritik stehen, sind Beiträge zu einer Diskussion und Auseinandersetzung, die in der Öffentlichkeit und auch gerade an den Unis unbedingt geführt werden muss.

In der Berichterstattung werden diese beiden von Rauch gelikten Beiträge nun oft verkürzt als „antisemitischen Posts“ bezeichnet. Es lohnt sich, sie noch mal genauer anzusehen. Der eine Accountinhaber sprach in seinem Post von einem „Völkermord in Gaza“, der andere stellte in Bezug auf Äußerungen von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die folgenden Fragen: „Wir sind Wertepartner mit Kriegsverbrecher? Wer ist wir? Und mit welchem Israel sind wir Wertepartner? Netanjahu? Gallant? Smotrich? Ben-Gvir? Der Zivilgesellschaft? Die Demonstranten auf der Straße in Tel-Aviv?“

Und auch, wenn Likes auf einer Plattform nicht der beste Ort dafür sind: Über die Aussage dieser beiden Tweets selbst lässt sich diskutieren und streiten. Vielleicht passiert es auch, dass zwei Ge­sprächs­part­ne­r*in­nen nach langer Diskussion darüber getrennter Meinung nach Hause gehen, vielleicht auch verärgert von den Ansichten der anderen Person, und vielleicht sogar verletzt, weil sie finden, dass die Gesprächspartnerin Betroffenheiten, Angst oder Sorge nicht genug mitbedacht hat. Vielleicht lässt es sich auch auseinandergehen mit dem bitteren Vorwurf, die Unterstützung einer dort geäußerten Ansicht sei antisemitisch.

Fehlerkultur und Maßnahmen gegen Antisemitismus

Es ist bezeichnend, dass der Druck ausgerechnet gegen eine mit 41 Jahren vergleichsweise junge Frau in dieser Position so hoch ist. Uni-Leitungen sind weiterhin zu zwei Dritteln von Männern dominiert. Und guckt man kurz rüber in die Politik, aus der nun an die eigentlich ja autonom agierende Universität so klare Forderungen kommen, dann ist klar: So mancher Freie Wähler-Politiker in Bayern und so mancher Verkehrsminister auf Bundesebene haben weit verheerendere Fehler einfach ausgesessen.

Geraldine Rauch stellt sich der Aufarbeitung. Sie hat den Fehler eingestanden, sie hat eine juristische Aufarbeitung in Gang gesetzt, sie bittet um Entschuldigung, sie sucht den Dialog mit Betroffenen und benennt fünf konkrete Punkte, wie sie in Zukunft gegen Antisemitismus an der Uni vorgehen wil. Sie wird sich daran messen lassen müssen, wie gut sie die angekündigten Maßnahmen gegen Antisemitismus an der TU nun umsetzt. Expertise hat sie mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) im Haus. Sie hat mehrfach gezeigt, dass sie die TU auch in gesellschaftliche Debatten einbinden will. Ihr Wille, den Schaden, den sie verursacht hat, zu reparieren, ist glaubhaft.

Eine Präsidentin einer Uni, die sich darum bemüht, Diskursräume offen zu halten, auch wenn es unbequem und gefährlich ist; die um Positionen ringt; der dabei auch Fehler unterlaufen; die aber wiederum im Umgang mit ihren Fehlern zeigt, dass sie bereit ist, zuzuhören und dazuzulernen; die fragt, was jüdische, israelische und palästinensische Stu­den­t*in­nen an ihrer Uni brauchen, um sich dort sicher zu fühlen; die daraus auch Handlungen ableitet und umsetzt: So eine Präsidentin könnte eine gute TU-Präsidentin sein.

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