Einsatz westlicher Waffen in Russland: Strategischer Balanceakt
Was die Ukraine braucht, sind schnelle Entscheidungen. Dass sich selbst angekündigte Waffenlieferungen verzögern, ist fatal für die Verteidigung.
N un ist sie da. Die Angst vor der Eskalation. Und die Furchtspirale wird sich in den kommenden Tagen wohl noch mächtig weiterdrehen. Washington und Berlin erlauben der Ukraine, mit westlichen Waffen russisches Territorium anzugreifen. Natürlich begrenzt – so etwa im hart umkämpften Gebiet um die Millionenstadt Charkiw unweit der russischen Grenze. Und selbstredend soll das ganze nur im Rahmen des Völkerrechts stattfinden. Eine Eskalation soll in jedem Fall vermieden werden.
Während Frankreich und Großbritannien bereits in der Vergangenheit schlagkräftiges Gerät schickten – zum Beispiel Marschflugkörper vom französischen Typ Scalp und vom britischen Typ Storm Shadow –, zögerte vor allem die Bundesregierung. In der Taurus-Diskussion ist es derzeit still. Aber es dauerte Wochen, bis Bundeskanzler Olaf Scholz sich mit einem Nein eindeutig positionierte.
Ganz zu schweigen von einem Einsatz nationaler Bodentruppen, den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ins Spiel brachte, wenngleich in verklausulierter und vager Form. Doch der Vorstoß sorgte für einen Debattenstrudel, der von der eigentlichen Problematik ablenkte. Nämlich dem simplen Fakt, dass die Verbündeten der Ukraine ihre Zusagen militärischen Geräts zwar vollmundig verkündet haben, aber die Lieferungen an die Front auf sich warten lassen.
Selbst die tschechische Initiative, mehrere Hunderttausend Schuss für die Artillerie an die Ukraine zu schicken, schleppt sich dahin. Geld ist offenbar da – auch Deutschland hat einen Großteil zugesagt –, allein der Schritt von der Theorie in die Praxis lässt in der gewünschten Dimension auf sich warten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg drängte in dieser Woche die Nato-Länder, den Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium zu erlauben.
Keine Zeit für Verzögerungen
Und noch bevor sich die Zögerlichkeitsdebatte ordentlich breitmachen konnte, reagierten die USA und Deutschland. Offenbar hat man aus dem Kommunikationsdebakel vergangener Hickhacksituationen gelernt. Natürlich muss jede Entscheidung abgewogen werden – aber diese Abwägung gehört hinter verschlossene Türen.
Angesichts der dramatischen Lage in der Ukraine – und des bedingungslosen Versprechens –, dem Land, das sich verzweifelt gegen die russische Invasion wehrt, braucht es schnelle Abstimmungen, eine klare Haltung und gemeinsame Entscheidungen. Jegliche Verzögerung ist letztlich auch ein gefundenes Fressen für die Akteur:innen an den extremen politischen Rändern, die einen Frieden fordern, der die Ukraine zwingen würde, auf eigenes Territorium zu verzichten.
Das würde ganz unmittelbar Diktator Wladimir Putin in die Hände spielen. Er ist Meister in der hybriden Kriegsführung und nutzt jede Schwäche der Verbündeten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen