Regierung streitet über Waldgesetz: Nur jeder fünfte Baum ist gesund
Die Wälder leiden unter der Dürre, Hitze und dem Schädlingsbefall der vergangenen Jahre. Die Ampelkoalition streitet über ein neues Waldgesetz.
Der Verband „Die Waldeigentümer“ (ADGW) teilte diese Sichtweise: Mit Blick auf die aktuelle forstpolitische Diskussion sei zu betonen, „dass nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen die Ursache für die Waldschäden sind, sondern der Klimawandel und dessen Folgen“. Das geltende Bundeswaldgesetz habe sich bewährt und sei auch in den kommenden Jahren eine gute Grundlage für die Waldbewirtschaftung. „Wir brauchen Pragmatismus, keine zusätzliche Regulierung, die den notwendigen klimaresilienten Waldumbau lähmt“, so die Waldeigentümer.
Die Umweltverbände sehen das anders: Sie warnen, Landwirtschaftsminister Özdemir schiebe „den schlechten Zustand der Wälder vor allem auf die Klimakrise. Er unterschlage damit aber seine „Verantwortung der von ihm regulierten Forstwirtschaft“, kritisierte etwa Greenpeace. Das laxe Waldgesetz habe der industriellen Forst- und Holzwirtschaft jahrzehntelang einen Freifahrtschein ausgestellt, um wertvolle Wälder rücksichtslos auszubeuten – auf Kosten von Umwelt und Klima, erklärte die Umweltorganisation.
Auch der WWF sieht Wetterextreme als Dauerproblem – und forderte daher „umgehend einen Paradigmenwechsel hin zu naturnahen Wäldern, die mit der Erderhitzung besser umgehen können“. Mit der Novelle des Bundeswaldgesetzes, die derzeit im Bundestag vorbereitet wird, biete sich dazu eine große Chance. „Das neue Waldgesetz muss die Wälder fitter machen“, so der WWF.
Waldgesetz lässt auf sich warten
Das Bundeswaldgesetz aus dem Hause Özdemir sollte ursprünglich in diesem Sommer verabschiedet werden. Allerdings hängt das Gesetz, das unter anderem die Bewirtschaftung, aber auch die Freizeitnutzung der Wälder regeln soll, bislang in der Ressortabstimmung der Bundesregierung fest. Einen Zeitplan kann das Bundeslandwirtschaftsministerium derzeit nicht nennen.
Dabei herrscht eigentlich Zeitdruck: Die seit Mitte der 80er Jahre erhobenen Zahlen zum Waldzustand sind alarmierend: Nur noch jeder fünfte Baum war 2023 gesund. „Gesund“ bedeutet, dass die Bäume im Untersuchungszeitraum Juli und August über dichte, geschlossene Kronen verfügen. Die Gutachterteams, die im Auftrag der Länder unterwegs sind, haben in 5-Prozent-Schritten die Abweichung der Bäume von einem voll benadelten oder voll belaubten Baum eingestuft. Weicht ein Baum mehr als 25 Prozent von einer dichten Krone ab, leidet er unter einer „deutlichen Kronenverlichtung“.
Die Krone als „Photosyntheseorgan“ benötigt der Baum für seinen Stoffwechsel; fehlen Blätter, schwächt das den Baum. Verluste von bis zu einem Viertel der Blatt- oder Nadelfläche können Bäume dabei kompensieren, ab 25 Prozent wird es schwierig. „Sie sind dann nicht mehr so wehrhaft gegen Schädlinge oder Trockenheit“, sagt Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde. Buchen besäßen die Fähigkeit, sich nach Trockenheit zu regenerieren, Fichten seien dazu nicht in dem Maße fähig, so Wellbrock.
Während sich der Zustand aller Baumarten im vergangenen Jahr verschlechtert hat, hat sich der der besonders hitzeanfälligen, aber trockenheitstoleranten Kiefern gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert. Allerdings: So gut wie 2017 geht es dem Nadelbaum nicht. „Das gilt für alle Arten“, sagt Wellbrock, „vor den drei Hitze- und Dürrejahren 2018 bis 2020 ging es allen Baumarten besser, sie haben sich davon nicht erholt“.
Mittelfristig ein anderes Waldbild
Die Waldökologin Wellbrock gehört nicht zu den Wissenschaftlern, die davon ausgehen, dass sich „Wald“ in einigen besonders vom Klimawandel betroffenen Regionen Deutschlands – etwa dem Harz oder Brandenburg – nicht mehr halten lässt. „Es gibt ja auch in mediterranen Gebieten Wald“, sagt sie, „wir werden mittelfristig ein anderes Waldbild bekommen“. Der Wald werde niedriger und lichter sein und aus anderen Baumarten bestehen.
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