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Revival des 29-Euro-Tickets in BerlinKluge Sozialpolitik geht anders

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Der Nutzen des 29-Euro-Tickets ist absehbar gering. Mit der Einführung will die Berliner SPD lediglich politische Handlungsfähigkeit simulieren.

Mit dem 29-Euro-Ticket wollte die SPD 2023 bei den Wäh­le­r:in­nen punkten. Das hat bekanntlich auch nicht so gut geklappt Foto: Christophe Gateau/dpa

H urra, das 29-Euro-Ticket für alle kommt! Nach harten und zähen Verhandlungen konnte sich die SPD letztlich gegen ihren konservativen Koalitionspartner durchsetzen und eines ihrer zentralen Wahlkampfversprechen einlösen. Ab 1. Juli soll das vergünstigte Abo-Angebot für den Berliner Nahverkehr gelten, der Vorverkauf startet bereits in der kommenden Woche.

Doch niemand – außer eben der SPD – scheint das 29-Euro-Ticket so richtig zu mögen. Stattdessen hagelt es Kritik vom Bund, der Opposition und Fahrgastverbänden, aus unterschiedlichen Gründen und in einem Punkt mit Sicherheit zu Recht: Denn das 29-Euro-Ticket ist keine kluge Sozialpolitik, sondern ein plumper Versuch, sich zu profilieren.

Zunächst einmal ist unklar, für wen das 29-Euro-Ticket überhaupt gedacht ist. Laut SPD seien das „alle, für die das Deutschland-Ticket zu teuer“ ist. Das Konkurrenzprodukt, das derzeit mit 49 Euro pro Monat zu Buche schlägt, erlaubt die Nutzung des ÖPNV im gesamten Bundesgebiet. Und sicher, 49 Euro im Monat sind eine Menge Holz, besonders für Auszubildende, Studierende und Emp­fän­ge­r:in­nen von Sozialleistungen. Allerdings gibt es für all diese Gruppen schon vergünstigte Nahverkehrstickets.

Was bleibt, ist die Gruppe mit niedrigen und mittleren Einkommen, die kein ÖPNV-Ticket von ihren Che­f:in­nen bezuschusst bekommen, nicht im C-Bereich wohnen und auch sonst den AB-Bereich selten verlassen. Für viele dieser Menschen dürften, sofern sie bislang das Deutschlandticket beziehen, die 20 Euro im Monat weniger eine willkommene Ersparnis sein. Mehr Mobilität und Teilhabe bleibt dadurch aber auf der Strecke.

Berliner Sonderweg gefährdet das D-Ticket insgesamt

Die Schönheit des 9-Euro-Tickets aus dem Sommer 2022 und in geringerem Maße dessen 2023 eingeführten 40 Euro teureren Nachfolgers ist, dass es vielen Menschen Mobilität ermöglicht hat, die ihnen vorher verwehrt blieb. Selbst für Fahrten mit Regionalbahnen wird in Deutschland absurd viel verlangt, Wochenendausflüge ans Meer oder ins Umland sind für viele Familien mit wenig Haushaltseinkommen nicht drin, weil es günstiger ist, in Berlin zu bleiben.

Kluge Sozialpolitik wäre es also, für genau dieser Zielgruppe das Deutschlandticket herunter zu rabattieren. Dieser Weg wäre sogar deutlich günstiger als die 330 Millionen Euro, die Schwarz-Rot jährlich für das 29-Euro-Ticket veranschlagt hat. Ganze 1,25 Millionen Deutschlandtickets ließen sich mit dieser Summe auf 29 Euro subventionieren. Dabei gibt es in Berlin gerade einmal halb so viele Abonnent:innen.

Doch stattdessen geht Berlin einen Sonderweg, der zudem auch noch das Projekt Deutschlandticket insgesamt gefährdet. Denn die meisten Nut­ze­r:in­nen des 29-Euro-Tickets werden sicherlich keine Neu­kun­d:in­nen sein, sondern von der bundesweiten ÖPNV-Flat rüberwechseln. Mit sinkenden Abon­nen­t:in­nen schwindet aber auch der Rückhalt für das Deutschlandticket. Und bei den angekündigten Preissteigerungen dürften in den kommenden Jahren noch einmal mehr Leute abspringen.

Worum geht es der SPD also eigentlich? Die wahrscheinlichste Antwort ist, dass die Partei mal wieder so etwas wie politische Handlungsfähigkeit simulieren will. Mietenpolitisch hat die SPD quasi aufgegeben, die Verkehrspolitik weitgehend den Auto-Fantasien der CDU überlassen. Sozialpolitisch geht es in der angespannten Haushaltslage nur noch darum, welche Projekte vor dem Rotstift gerettet werden können. Sich jetzt für das 29-Euro-Ticket selbst abzufeiern, ist in dieser Hinsicht kaum mehr als ein leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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7 Kommentare

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  • Die SPD wollte halt auch mal ein wenig Steuergeld nach oben verteilen. In dem Fall an Berufstätige, die sich sonst das teurere Umweltticket holen und von der Steuer absetzen um zur Arbeit zu kommen.

  • Erst mal sehe ich das 29-Euro-Ticket für Berlin als Angebot des dortigen Verkehrsverbundes. Hat also mit dem Deutschlandticket nichts zu tun. Und laut Artikel gibt es in Berlin ca. 600000 Deutschlandticket-Abonenten, von denen mit Sicherheit viele nicht zum 29-Euro-Ticket wechseln werden, aufgrund dessen Einschränkung auf Berlin. Kann sein, dass sich die Hälfte sagt, ich wechsle. Wären also 300000, vom 10 Millionen DT-Abonenten bundesweit, was 3 Prozent entsrpechen würde. Wäre aus meiner Sicht erstmal verschmerzbar.



    Andernorts ist der ÖPNV übrigens kostenlos. Das will ich jetzt nicht gleich für uns hierzulande verlangen, schon aus der Sicht, dass etwas, was ich nutze, mir auch etwas wert sein muss. Aber es zeigt, dass die ÖPNV-Preise bei uns viel zu hoch sind. Das klang ja im Artikel bereits an. Da müssen wir ansetzen.

  • Große Sprünge mit leerem Sack.



    Ich bin immer wieder erstaunt welche Unsummen in Berlin trotz leerer Kasse einfach auf Pump gemacht werden. Mit jeder Neuverschuldung wird Berlin wieder ein Stück unregierbarer, aber das scheint niemanden zu interssieren. Dass die Geberländer dabei einen dicken Hals bekommen, und ich meine nicht nur Bayern, darf doch keinen mehr wundern.

  • Vielleicht sollte man das Thema mal von seriösen, gut ausgebildeten Wissenschaftlern analysieren und konzeptionieren lassen.

    Ex-Promovierte sind da wohl kaum qualifiziert.

  • Ein Affront für die Pendler aus dem C-Bereich, z.B. Potsdam. Eine der Folgen wird sein, dass viele der arbeitenden Menschen zu Bahnhöfen im AB-Bereich mit dem Auto fahren, um das 29,- Euro Ticket nutzen zu können. Die Randberliner werden jubeln.

    • @Trabantus:

      Wer einigermaßen rechnen kann, wird sich sicher nicht wie Sie vermuten ins Auto setzen. Für die 20 Euro Ticketersparnis kommt man mit dem Auto nicht sehr weit.

    • @Trabantus:

      Wenn ich das richtig verstanden habe, dann würde ein in Zone C gekauftes Ticket für 49€ die Zonen A+B auch beinhalten, nur umgekehrt nicht.

      Wenn aber das 29€ Ticket nur für Berlin intern gültig ist, wieso sollte es dann überhaupt im Topf der Bundesweiten Gültigkeit mit abgerechnet werden dürfen?