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Rechtsextreme und ReichsbürgerÜber 1.000 Nazis haben Waffenschein

1.051 Rechtsextremisten haben einen Waffenschein oder eine ähnliche Erlaubnis. Die Linke fordert, dass die Ampel endlich das Waffenrecht verschärft.

Die Linke forderte nach den neuesten Zahlen ein „konkretes Handeln der Behörden gegen bewaffnete Nazis und Reichsbürger“ Foto: dpa

Berlin taz | 181 mutmaßliche Rechtsextremisten haben im Jahr 2022 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen bekommen oder nach Druck der Behörden zurückgegeben. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Linken-Abgeordneten hervor, über die das Redaktionsnetzwerk Deutschland am Freitag berichtete und die bereits vom Bundestag veröffentlicht wurde.

Demnach waren Ende 2022 insgesamt 1.051 mutmaßliche Rechtsextremisten und etwa 400 sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter bekannt, die Inhaber mindestens einer waffenrechtlichen Erlaubnis waren. Abschließende Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor.

Für Ende 2021 hatte die Regierung in einer früheren Antwort noch 1.561 Rechtsextremisten und etwa 500 „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ mit waffenrechtlichen Erlaubnissen genannt. Allerdings hatte sie damals auch darauf hingewiesen, dass die Zahlen unter anderem aufgrund der „kontinuierlichen Aktualisierung entsprechender Datensätze in den Dateien der Verfassungsschutzbehörden“ ständig variierten.

Die Regierung schreibt, seit der Einrichtung des Phänomenbereichs „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ im November 2016 bis zum 31. Dezember 2022 seien etwa 1.125 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen worden. „Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Menschen zu.

Die Linken-Abgeordnete Martina Renner sagte dem RND angesichts der Zahlen, es brauche „konkretes Handeln der Behörden gegen bewaffnete Nazis und Reichsbürger“. Es sei gefährlich, dass die Bundesregierung „die notwendigen Maßnahmen im Waffenrecht nicht voranbringt und zu scheitern droht“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im Januar vergangenen Jahres nach den Silvester-Krawallen und den aufgeflogenen Putschplänen einer „Reichsbürger“-Gruppe einen internen Entwurf für eine Verschärfung des Waffenrechts vorgelegt. Die FDP lehnt eine Änderung des Waffenrechts bisher ab und setzt stattdessen auf eine bessere Durchsetzung des geltenden Rechts.

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20 Kommentare

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  • Wichtig wäre erstmal zu erläutern wie in diesem Zusammenhang "Rechtsextremisten", bzw. "Reichsbürger" definiert werden. Also was muss ein Bürger tun, um entsprechend gespeichert zu werden. Auf welche Speicherungen stützt sich diese Kategorisierung? Sind es polizeiliche Erkenntnisse? Sind es nachrichtendienstliche Erkenntnisse? Reicht ein Anfangsverdacht? Reichen Informationen von Hinweisgebern? Wissen die Betroffenen Waffenbesitzer überhaupt davon? Solange die Datenlage unbekannt ist, sollte jede PolitikerIn sowie JournalistIn vorsichtig im Umgang mit Begriffen und Zahlen sein. Wer sich schon mal ernsthaft mit der Datengrundlage in Bezug auf sogenannte "untergetauchte Rechtsextremisten " befasst hat, weiß dass bei solchen Themen nicht immer das drin ist was drauf steht.

  • btw - bei der Abgebildeten Waffe handelt es sich um eine Schreckschuss - steht auch klar drauf (PTB Kennzeichnung und Kaliber 9mm P.A.K./ Pistole Automatik Knall). Ich vermute das im Artikel scharfe Schusswaffen gemeint sind, oder?

    • @Lead Coffee:

      Wenn im Artikel ausschließlich scharfe Schußwaffen gemeint wären, hätte man diese auch so bezeichnet (Waffenschein, Jagdschein, Waffenbesitzkarte).

      Unter "waffenrechtliche Erlaubnisse" fällt auch der "kleine Waffenschein" zum Führen z.B. der abgebildeten Schreckschusspistole.

      Ich fürchte, der Autor oder die Autorin, oder die Kontaktperson in der Bundesregierung hat es bewusst unbestimmt gelassen, um eine höhere Zahl nennen zu können, um damit einer größere Gefährlichkeit der Reichsbürger/Selbstversorger/Rechten zu suggerieren.

      Nur: Wenn Politik oder Medien schummeln müssen, um die Gefahr größer erscheinen zu lassen - was bedeutet das hinsichtlich der echten Gefahr?

      • @leichtbier:

        Das wäre ja aber genau die Frage der es sich journalistisch lohnen würde nachzugehen. Meine Vermutung ist nicht das da jemand schummelt sondern das da viel Unwissen bezüglich der Begriffe, Abgrenzungen usw. im Waffenrecht vorliegt. Aber anstatt das unbestimmt zu lassen würde ich mich bei solchen Artikeln freuen wenn die Autor_innen gucken was ist da gemeint. Ich denke das wir alle der Ansicht sind dass Nazis als Legalwaffenbesitzer ein Problem sind. Gerade vor dem Hintergrund ist ja die Frage interessant, um welche Formen der Erlaubnis es sich handelt und warum eine solche Erlaubnis noch nicht Wiederrufen wurde. Gibt es Meldeverzug von Seiten des VS? Ist die Waffen/Jagdbehörde im Verzug? Die Gerichte die über den Wiederspruch entscheiden? Welche Rolle haben Vereine und Verbände und wie können demokratische Strukturen in ihnen gestärkt werden? Das ärgerliche an dem Artikel (und ja auch nicht das erste mal das dass innerhalb der Taz bei dem Thema kritisiert wird) ist, dass hier ganz viel zusammengeworfen wird und der Themenkomplex verschwimmt bis keine_r mehr weiß um was es eigentlich geht. Ich würde mich freuen wenn hier in Zukunft etwas nachgebessert wird, so das wir als Gesellschaft eine Diskussionsgrundlage haben.

  • Wer die Bevölkerung entwaffnen möchte und die Gefahr des unsachgemäßen Gebrauch von Waffen gegenüber Mitmenschen, den Waffenbesitzer (suizid) oder gegen friedlebende Tiere minimieren möchte kommt nicht drum herum an die Jagdgesetzgebung und unser Jagdregime rann zu gehen. Der Jagdschein ist die Zutrittsberechtigung um im den Club der Lang- und Kurzwaffenbesitzer einzutreten und diese Waffen dann auch im Haushalt zu lagern.



    Nie war es einfacher in diesen Club einzutreten, die Lizenz zum töten und somit die Erlaubnis zum Waffenbesitz gibt's nach 14 tage Schnellkurs - zum Leid unserer Wildiere, Mitmenschen oft auch der eigenen Familien. Die Anzahl der Jahdscheininhaber und damit Waffenbesitzer steigt von Jahr zu Jahr - töten zu können und wehrhaft zu sein ist anscheinend geil und wird von der Gesellschaft akzeptiert oder ignoriert. Wird sich wohl auch so schnell nicht ändern in einem Land wo sich der Finanzminister damit brüstet Jäger zu sein und auch spd Politiker von Wahrhaftigkeit faseln.



    Aus meiner Sicht gehören Schusswaffen nicht in private Hände.



    de.statista.com/st...schland-seit-1968/

    • @niko:

      Sorry, sehe ich komplett anders: In einer freien Demokratie haben mündige Bürger*innen das Recht eine Waffe zu tragen (nach den gesetzlichen Regeln, versteht sich)…denn wer ist denn dieser „wer“ der die Bevölkerung entwaffnen möchte? Der Staat? Wichtig dass es diesen gibt, aber er sollte nicht zu überheblich und allumfassend gegenüber der Bevölkerung auftreten, gegen Waffen in Privatbesitz ist nichts zu sagen wenn diese -wie in Ihrem Beispiel genannt- etwa zur Jagd benötigt werden.

      • @Saile:

        Weiss nicht ob es der Staat, oder die Mehrzahl der Bevölkerung ist der entwaffnen möchte, ich bin es auf jedem Fall, ich möchte eben keinen bewaffneten jägernachbar, der mir im Streitfall oder in einer seelischen Krise ne ladung Schrot oder ne Kugel um die Nase jagd. Teile der Politik und ich möchten auch keinen bewaffneten Nazinachbar. Das gewaltmonopol liegt beim Staat. Ich möchte keine bewaffnete Bevölkerung und auch keine mordstatistiken wie in der USA. Selbstjustiz mit Waffe hat in der Regel deutlich gravierender Folgen als Selbstjustiz ohne Waffen.



        Aber entschuldigen musst Du dich trotzdem nicht für deine Sichtweise, "wir leben ja als mündige Bürger in einer freien Demokratie" und der Möglichkeit der freien meinungsäusserung.

        • @niko:

          Und schon wieder das Negativbeispiel USA! Was ist mit der Schweiz, Österreich oder Frankreich, wo gerade Langwaffen für die Jagd viel leichter für Privatpersonen erhältlich sind? In Großbritannien sind dagegen Schusswaffen noch stärker reglementiert als bei uns…und gerade dort gibt’s im europäischen Vergleich am meisten Unfälle bzw. Verbrechen mit diesen!

          • @Saile:

            Die Schweiz ein schönes Beispiel für den Missbrauch von Schusswaffen:

            Beim suizid mit Waffe führt die Schweiz die traurige Statistik in europa einsam an, es gibt einen klaren Zusammenhang beim waffengebrauch mit der waffenverfügbarkeit



            www.swissinfo.ch/g...husswaffen/8246446

            www.amnesty.ch/de/.../zahlen-und-fakten

            Ich weiss das die schweiz trotzdem eine niedrige mordquote im Vergleich zu anderen Ländern hat, ich bin aber überzeugt das diese in der Schweiz noch niedriger wäre wenn weniger schusswaffen im Umlauf wären.



            Ich bin auch davon überzeugt, das weniger Messer bei Jugendlichen und Erwachsenen in der Tasche bei spontanen Pöbeleien und Streitereien in Disco, Dorfklub oder Kneipe auch zu weniger dramatischen Ausgängen dieser Hahnenkämpfe führen. Bei Auseinandersetzungen steigt die verletzungs und todesgefahr mit der Letalität der benutzten Waffen, die flache Hand ist weniger tödlich als die Faust,



            Die Faust weniger tödlich als das Messer in der Hand,



            Und das Messer weniger tödlich als die Schusswaffe.



            Gewalt als Mittel der Konfliktlösung ist immer scheisse, die dramatische unwiderkehrbare Wirkung der zu Verfügung stehenden Waffen ist aber nicht zu unterschätzen .



            Ich möchte im Alltag in einer waffenfreien friedlichen Gesellschaft leben und nicht in jeder Tasche eine einsatzbereite Waffe vermuten.

  • a) Ein Waffenschein berechtigt zum zugriffsbereiten Führen in der Öffentlichkeit. 1051 Faschos dürfen zugriffsbereit führen (keine Ahnung was mit der "ähnliche Erlaubnis" gemeint ist)

    b) Ich fände jut wenn im letzten Absatz etwas diskutiert wird welche Maßnahmen des neuen Waffenrechts den helfen würden damit Nazis nicht an Knarren kommen. Die Regelabfrage gibt es ja jetzt schon und die Waffenrechtliche Erlaubnis kann entzogen werden wenn man großer Fan von Adolf ist

    c) Waffenrecht ist ein komplexes Thema in dem sich das verschieden schwierige Fragen in der Demokratie anschließen. Ich würd mich freuen wenn die TAZ bei dem Thema etwas besser wird. Allein die faktischen Fehler jedesmal wenn ne Wumme involviert ist, erschweren ne vernünftige Debatte zu dem Thema

    bg

  • Ich finde es jedesmal als neue faszinierend wie man es schafft, einen Artikel übers Waffenrecht zu schreiben und dann nicht einmal die (äußerst simple) Unterscheidung zwischen Waffenschein und Waffenbesitzkarte auf die Kette kriegt. Ist nicht nur ein Phänomen der TAZ sondern in allem Medien zu beobachten.

    • @Charlie Runkel:

      zwischen waffenschein und kleinen waffenschein wird wohl auch nicht differenziert.



      "Die Erteilung von Waffenscheinen an Privatpersonen ist sehr selten; Waffenscheine erhalten in der behördlichen Praxis nahezu ausschließlich Werttransportunternehmer und Bewachungsunternehmer."



      de.wikipedia.org/wiki/Waffenschein

  • Erstmal müssten da Datenbanken digitalisiert werden, die Behörden effizienter werden. Bei der derzeitigen Geschwindigkeit mit der Behörden Waffenbesitzer kontrollierten bräuchten sie 200 Jahre um alle zu kontrollieren.

  • Niemand braucht eine Waffe, Nazis erst recht nicht. WIeso muß man da überlegen?

    • @nutzer:

      Die Frage ist warum das geltende Recht nicht umgesetzt wird, Extremisten kann man die waffenrechtliche Erlaubnis bereits entziehen.

      Ansonsten brauchen Jäger Waffen, die Jagd wird in Deutschland als notwendig betrachtet.

      Die Frage "Braucht das wer?" ist immer etwas heikel, weil sie die grundsätzliche Freiheit infrage stellt. Es gibt genügend Dinge die auch "niemand" braucht und in unser Gesellschaft einen viel größeren Schaden anrichten. Alkohol zum Beispiel.



      Das soll keine Diskussion über Alkohol eröffnen (will hier keinen Whataboutism betrieben), sondern darauf hinweisen, dass wir zur Wahrung individuelle Freiheiten inkauf nehmen dass dadurch möglicherweise Schaden entsteht.

      Aber ich stimme Ihnen zumindest in Teilen zu: Es gibt keinen Grund warum Extremisten legalen Zugriff auf Waffen haben sollten.

      • @Questor:

        nein niemand braucht eine waffe und was sie beschreiben ist whataboutism.



        ja und bei waffen ist es sinnvoll die persönliche freiheit einzuschränken, weil waffen immer nur dazu dienen anderen zu schaden, waffen bringen keinen persönlichen nutzen, im gegensatz zu alkohol (jedenfalls wenn mans den mag)



        von berufswaffenträgern schreibe ich hier nicht.

        • @nutzer:

          Ob Alkohol wirklich jemandem nützt sei mal dahingestellt (und ich trinke eigentlich gerne)

          Waffen werden für die Jagdausübung benötigt, was ganz offiziell Naturschutz ist. Und die meisten Jäger machen das nicht beruflich

  • Sind da die Nazis bei Polizei und Bundeswehr eigentlich schon mit eingerechnet (ich meine natürlich nicht alle Polizisten und Soldaten, aber es gibt da eben schon auch einen Anteil)? Oder sind das nur die "Privatnazis"?

    • @Jalella:

      Die haben in aller Regel keine eigenständige waffenrechtliche Erlaubnis.

    • @Jalella:

      Die haben in aller Regel keine eigenständige waffenrechtliche Erlaubnis.