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Grüne Ministerin lädt Aktivisten ausVerbündete verprellt

Kommentar von Andreas Wyputta

Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur geht auf Konfrontationskurs mit Anti-Atom-Aktivist:innen. Damit setzt sie die Rückendeckung der Basis aufs Spiel.

Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist nicht Mona Neubaurs Stärke Foto: imago

O ffen, transparent und bürgernah – so wollten nicht nur die Grünen den Atomausstieg einst bewältigen. Wie wenig von diesen Ansprüchen übrig ist, zeigt sich aktuell in Nordrhein-Westfalen: Ausgerechnet Mit­ar­bei­te­r:in­nen der auch für die Atomaufsicht zuständigen grünen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur haben dort erst einmal einen Maulkorb bekommen und durften mit kritischen, in Anti-Atom-Initiativen und dem Umweltverband BUND engagierten Bür­ge­r:in­nen nicht sprechen.

Geradezu abenteuerlich ist die Argumentation, mit der das Ministerium der grünen Vize-Ministerpräsidentin die Umweltschützer:innen, die im Streit um drohende Atommüll-Transporte seit Monaten eine politisch klare Linie von Neubaur fordern, ausgeladen hat: Die Anti-Atom-Aktivist:innen könnten nach dem Treffen die Presse und damit die Öffentlichkeit über die Ergebnisse informieren.

Zwar versprechen Neubaurs Ministeriale Aufklärung, vorläufig jedoch scheint NRWs führende Grüne Transparenz zu fürchten. Neubaur geht offenbar tatsächlich davon aus, die Frage, was mit den hoch radioaktiven Überresten des Reaktors vom einstigen Kernforschungszentrum Jülich geschehen soll, aussitzen und auf untergeordnete Behörden abwälzen zu können.

Die Anti-Atom-Bewegung dagegen fordert von der Grünen Konsequenz. Schließlich ist die Begründung, mit der hoch radioaktiver Atommüll in bis zu 152 Einzelfahrten per Lkw mitten durch die Ballungsräume des dichtbesiedelsten Bundeslands gekarrt werden sollen, hinfällig: Spätestens seit Oktober 2022 ist klar, dass es die dem bisherigen Atommüll-Standort Jülich unterstellte Erdbebengefahr gar nicht gibt.

Neubaur muss den drohenden Atommüll-Tourismus verhindern. Die Mittel dazu hätte sie als Chefin der zuständigen Atomaufsicht. Tut sie es nicht, dürfte sie nicht nur Wäh­le­r:in­nen vergraulen. Auf dem Spiel steht auch die Rückendeckung durch die älteste und treueste Unterstützerszene ihrer Partei: die Anti-Atom-Bewegung.

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Inlandskorrespondent
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12 Kommentare

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  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Ist nach der Räumung von Lützerath und den damaligen Verträgen mit RWE irgendjemand überrascht über die Politik von Fr Neubaur?

    Ich finde es eher konsequent und nachvollziehbar, das eine Partei, die für Rekarbonisierung, Bellizismus und der Zulassungsverlängerung von Glyphosat steht, mit der Friedensbewegung, Umweltverbänden und der Anti-AKW-Bewegung, sprich: mit den eigenen Wurzeln, bricht.

    Denn so sie reißen sich immer wieder selbst die Maske vom Gesicht.

  • Man sollte mit Atomkraftwerken weder Lobbyarbeit noch Wahlkampf oder sonstwie Politik machen.



    Atomkraftwerke sind Saurier: Da werden Elemente gespalten, nur um Wärme zu gewinnen und Dampfturbinen anzutreiben.



    Mit entsprechender Haltung geht man mit dem Atommüll um: "Mir doch egal".



    Das ist NICHT lustig. Wir hinterlassen unseren Kindern sowieso schon genug Aufgaben und Müll. Welche Idioten haben diesen Saurier jetzt wieder ausgegraben? Die Atomlobby hat uns schon mehrfach verarscht, warum hören unsere Politiker*innen immer wieder auf die?



    Eine Erklärung wäre, dass man zur Munition- und Bombenherstellung Uran bzw. dessen Abfallprodukte dringend benötigt und darum Atomkraftwerke baut, um den Hintergrund zu liefern.



    Mit CO2 hat es nichts zu tun, denn jetzt geplante AKWs werden vielleicht in 15 Jahren spürbar arbeiten.

  • In der Nähe von Jülich gab es doch mal einen Leukämie-Cluster, wo sich alle fragten, ob es statistischer Ausreißer, das AKW oder doch die Braunkohlegrube davor war.



    Das Gespräch an sich könnte doch stattfinden, und wenn es vertrauliche Punkte gibt und diejenigen das wohl nicht vertraulich zu behandeln wissen, dann antwortet mensch auf gewisse Fragen einfach nicht.

  • Wer sich in Schwarz-grüne 'Bündnisse' hereintraut, muss schon ziemlich einsam sein, schließlich stellt sich dabei heraus, dass die 'grünen' wie einst die 'radikalen' Studenten die geringste Nähe zur großen Wählerschaft haben, wenn es ihnen nicht gelänge, ein positives, auf jeglichen kaum ökologischen Luxús verzichtente Weltbild zu vermitteln. BEVOR sie sich in fragwürdigen Koalitionen schlachten lassen. Heute sind diese armen Parlamentsgrünen immer an Allem Schuld, wenn es im Kapitalismus merkwürdigerweise nicht (mehr) klappt. Eben auch mit dem Umgang mit der Atomscheiße ....

  • Es heisst Anti-Atomkraft nicht Anti-Atom. Ich denke niemand auf dieser Welt ist Anti-Atom und besonders fuer JournalistInnen ist es wichtig praezise zu sein. ich finde es auch schade, dass Aktivisten im Feed steht. Wieso nur im Text gendern? Ich hab mich wirklich kurz gefragt, ob es sich nur um maennliche Aktivisten handelt.

  • 6G
    691349 (Profil gelöscht)

    Die stellvertretende NRW-MP und Wirtschaftsministerin wird mir immer als grüne Idealbesetzung in Erinnerung bleiben. Das Eis hat sie bei mir endgültig gebrochen, als sie die Spaten zusammen mit Rheinmetall und Partnern und dem MP in die Hand nahm und den Neubau des Werkes in Weeze begann. Hinter ihnen wehten die Fahnen der USA, NRW, Lockheed und Rheinmetall. Der Soloauftritt von Frau Neubaur am RM-Rednerpult mit der Hintergrundschrift „GROUND BREAKING CEREMONY“ hat mich dann umgehauen. Zusammen mit dem tollen Kompromiss zu Lützerath wurde ich ab diesem Tag der wahrscheinlich größte Fan ihrer Partei.

  • Das ist doch überhaupt kein neues Verhalten seitens einer grünen PolitikerIn. Ein Paradebeispiel grüner Janusgesichtigkeit bleibt die temporäre Aussetzung der Teilnahme von Jürgen Tritin an den Anti AKW Aktionen in und um Gorleben während seiner siebenjährigen Amtszeit als grüner Umweltminister. Nach Abwahl als Bundesumweltminister war Jürgen Tritin dann zum Atomtransport im November 2016 wieder persönlich als Demonstrant vor Ort. Während seiner Amtszeit genehmigt zu er die er zum Transporte übrigens. Wer also über solch ein Verhalten noch überrascht ist, ist offenbar schlecht informiert.

  • Wähler*innen vergraulen, das ist doch die neue Spezialität der Grünen. Das beherrschen sie perfekt.

  • Ich finde, eine Partei sollte sich entwickeln können. Manche Einsichten sind schwer und Kompromisse sind es ebenfalls. Aber was die Grünen ihren Wählern zumuten, geht über das Maß hinaus, was noch halbwegs sinnvoll ist. Ein grüner Wirtschaftsminister, der im Sinne des Bürokratieabbaus gegen den Artenschutz schießt, eine Umweltpolitik, wo Holzverbrennung als umweltfreundlich gilt (Grüne aus anderen Ländern schütteln den Kopf) und Mona Neubauer, die sich zu Gunsten des unauffälligen Regierens mit der CDU die Stammwähler vergrault. Furchtbar!

    • @Axel Donning:

      Die Grünen sind IMHO für ziemlich viele Leute schon mindestens 20 Jahre nicht mehr eine Partei, die man aus Überzeugung wählt, sondern das kleinste Übel. Wenn diese Einschätzung sich nochmal ändert, gehen die Grünen allerdings SEHR harten Zeiten entgegen.



      Bis dahin überspringen sie nach der nächsten Ahrflut (oder sowas in der Art) bei Umfragen wieder die 20%. Die sie dann bei Wahlen wieder nicht erreichen

    • @Axel Donning:

      Die Grünen sind mit riesigem Abstand die größten Opportunisten im deutschen Politikbetrieb. Und das bei enorm starker Konkurrenz von FDP und CDU.

      Dass diese Partei überhaupt eine Kernwählerschaft besitzt, zeugt einfach nur vom politischen Desinteresse der meisten Deutschen.



      "Ich möchte Umweltschutz also wähle ich grün"



      Ohne sich auch nur ein minimum zu informieren, was diese Partei eigentlich so treibt.

  • "Damit setzt sie die Rückendeckung der Basis aufs Spiel."

    Die Frage ist, ob die "Basis" der Umweltaktivisten in den Grünen noch eine parlamentarische Heimat findet. Die Friedensaktivisten haben sie schon lange verloren und ich vermute, dass das bei der umweltbewussten Basis ebenso ist.