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Demonstration gegen rechts in München„Die AfD hat Angst vor uns“

Die Münchner lassen die Theresienwiese in einem Meer aus Lichtern erstrahlen – gegen Hass und Rechtsextremismus.

Mehr als hunderttausend Menschen bei der Kundgebung auf den Theresienwiese gegen Rechtsextremismus am 11. Februar Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

München taz | Auf der kleinen Bühne in der Mitte der Theresienwiese stehen gerade Maurice Conrad, Bruneau und Mondmann und bestreiten einen Teil des musikalischen Programms, mit dabei haben sie auch den Anti-AfD-Song „Hand in Hand“. „Schau dich um“, rappen sie, „denn für jeden deiner Zweifel stehen hier hundert Menschen ab jetzt dicht an deiner Seite.“ Passt.

Doch der Auftritt der Musiker muss kurz unterbrochen werden. Diese Nachricht der Veranstalter ist zu wichtig, die Teilnehmerzahl ist raus: „Wir sind 300.000“, lassen sie Menschen wissen, die sich auf der Theresienwiese versammelt haben, um Gesicht zu zeigen gegen Hass, Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus et cetera. Gegen all das, was gerade in diesem Land wieder en vogue zu werden scheint.

300.000! Der Jubel ist groß angesichts dieser überwältigenden Zahl, die schon verdächtig nahe an die Teilnehmerzahl der legendären Lichterkette von 1992 kommt. 400.000 Menschen waren damals gekommen. Die Polizei freilich wird am Ende dieses Abends gerade mal von 75.000 bis 100.000 Menschen sprechen, laut Oberbürgermeister Dieter Reiter waren es mehr als 100.000.

Man kennt das schon. Die angegebenen Teilnehmerzahlen klafften zuletzt bei einigen der Anti-Hass-Veranstaltungen deutlich auseinander. Auch vor drei Wochen bei der Demonstration am Siegestor sprachen die Veranstalter von etwa 320.000 Demonstrantinnen und Demonstranten, auch damals wollte die Polizei lediglich ein Drittel davon gesehen haben. Bei einer Großdemo in Hamburg Mitte Januar hatte die Polizei eine Teilnehmerzahl von 50.000 genannt. Nach einer Nachprüfung der Innenbehörde waren es dann 180.000.

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„Remigriert euch ins Knie!“

In jedem Fall sind es viele, verdammt viele, die sich hier am Fuße der Bavaria auf der Wiese versammelt haben, auf der jeden Herbst das Oktoberfest stattfindet. Besonders beeindruckend muss der Anblick von der Bühne aus sein, was Veranstalterinnen und Künstler auch nicht müde werden zu betonen: „Ich war auf vielen Demos, aber das hier ist anders“, sagt einer der Aktivistenmusiker. Oder: „Ihr seht so gut aus, das ist insane.“

Von allen Seiten sind die Menschen herbei geströmt, vom Hauptbahnhof, von der Schwanthalerhöhe, dem Sendlinger Tor, der Poccistraße. Sie haben sich weihnachtliche Lichterketten um den Körper geschlungen, tragen Stirn- und Taschenlampen mit sich, jede Menge elektrische Laternen, leuchtende Luftballons und was sonst so glitzert und hell macht. Und natürlich schwenken sie jede Menge Smartphones. Offenes Feuer ist wegen der Vielzahl der Menschen verboten, aber die Fantasie der Demonstrierenden ist groß. Einige tragen Mützen mit integrierten elektrischen Kerzen.

Dazu die Schilder und Fahnen. „Remigriert euch ins Knie!“, steht auf einer Pappe, „Kunterbunt statt kackbraun“ auf einer anderen. Jemand schwenkt die „Pace“-Flagge, andere halten Schilder in die Höhe, auf denen „ekelhAfD“ steht. Oder: „Liberté, Egalité, FCKAFD“. Oder einfach nur: „Nö“.

Über manchen Köpfen fliegen Seifenblasen, und ein paar ältere Damen flanieren mit weißen Regenschirmen vorbei. „Omas gegen rechts“ steht auf den Schirmen. Zu dem „Lichtermeer für Demokratie“ hatten Fridays for Future und ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aufgerufen. „Wir lassen nicht zu, dass Menschen in unserem Land ausgegrenzt und verfolgt werden“, hieß es in dem Aufruf. „Wir wehren uns gegen Rechtsextremismus und widerwärtige Deportationsfantasien. Die schweigende Mehrheit schweigt nicht länger!“

Es geht um den Minimalkonsens

Das Programm ist bewusst überschaubar gehalten, vor allem Musik war im Vorfeld angekündigt. Vor den Rappern hatte sich bereits der ostfriesische Singer-Songwriter Enno Bunger ans Klavier gesetzt. Und die jungen Klimaaktivistinnen Johannes und Julia haben ein Ständchen angestimmt und gemeinsam mit den Demonstrierenden gesungen: „Wehrt euch, leistet Widerstand, gegen den Faschismus hier im Land!“

Ein paar Sachen will aber auch die Journalistin und Zivilpolitikerin Düzen Tekkal, die durch die Veranstaltung führt, dann doch loswerden: Es gehe hier nicht um Partikularinteressen dieser oder jener Gruppe, sondern um einen Minimalkonsens. Alle seien da, um sich dem Menschenhass der Rechtsextremisten entgegenzustellen: Konservative, Bürgerliche, Linke. „Dafür muss man nicht links sein, dafür muss man Mensch sein.“ Nach der Großdemo am Siegestor war verschiedentlich Kritik lautgeworden, dass die heterogene Menge von sehr linken Aktivisten für ihre Ziele vereinnahmt worden war.

Und jetzt: „Ein Lichtermeer von Liebe und Zusammenhalt“, wie es Tekkal beschreibt. Sie warnt aber auch: „Wir brauchen alle noch einen sehr langen Atem im Kampf gegen den Rechtsextremismus und die AfD.“ Es reiche nicht, nur dagegen zu sein, sagt sie unter großem Applaus und erinnert auch an die Menschen, die in ostdeutschen Kleinstädten gegen die AfD auf die Straße gingen, wozu man mehr Mut aufbringen müsse. Ein „Muskeltraining für Demokratie und Freiheit“ sei das, was hier gerade auf der Theresienwiese stattfinde. „Die AfD hat Angst vor uns“, sagt Tekkal und fordert: „Holen wir uns dieses Land zurück.“

Am Ende singt die Menge: „Wir, wir, wir sind die Brandmauer.“

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10 Kommentare

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  • Die AfD hat Angst.... Schön wäre es ja. Aber ich denke, dass ohnehin nur die demonstrieren, die sowieso keine AfD Wähler sind. Die AfD Wähler selbst kümmert oder überzeugt das, denke ich, aber nicht, die geben der AfD, leider, weiter ihre gar nicht mehr so wenigen Stimmen. Da kann man noch so viel demonstrieren wie man will.

  • Düzen Tekkal wird hier als "Journalistin und Zivilpolitikerin" dargestellt. Das Wort Zivilpolitikerin soll nur verkleistern, dass sie vielleicht nicht CDU Mitglied, aber doch CDU Vertreterin ist. Mindestens zwei Mal hat die CDU sie bereits im Wahlkampf als Schattenministerin aufgestellt. Das machen die nur mit Leuten, die handfest konservative bis extrem rechte Positionen vertreten.



    Insofern ist Düzen Tekkal auf diesen Veranstaltungen nur ein U-Boot der CDU, die selbst offiziell nicht teilnimmt, um sich für den Herbst eine Koalition mit der AfD offen zu halten. (Auf ihrem instagram-Kanal inszeniert sie sich als Postergirl der Menschenrechte und aus jedem Betrag trieft ich, ich, ich ...)



    Und damit macht diese Münchener Großdemonstration - zu der es aber leider auch keine Alternative gibt - nur einmal mehr deutlich, dass mit diesen Demonstrationen noch nichts gewonnen ist, solange sie von den Parteien, deren Führungen und Protagonisten nur ihr eigenes Süppchen kochen, dominiert werden.



    Man muss nur knapp 100 Jahre zurückgehen, um das Muster zu erkennen. Die Parteien spalten den Widerstand gegen den Faschismus und haben auch damit zum Faschismus 1.0 beigetragen.



    Ich fürchte, das wird beim Faschismus 2.0 genau so laufen.

  • #Nun kann man in die Wahlumfragen schauen und auf den ersten Blick recht zufrieden mit sich sein, doch hier steckt der Teufel im Detail. Je nach Umfrage hat die AfD eine Veränderung von -4% bis +0,5% zu verzeichnen. "Deutlich nach unten" sieht für mich aber anders aus!

    INSA verzeichnete gestern bei der AfD ein Plus von 0,5 %, die Wiederholungswahl in Berlin sogar ein Plus von 1 %.

  • Angst wohl eher nicht.



    Es wird auch nicht möglich sein, die afd zu beeindrucken, das was diese Demos können ist die Gegenwehr zu organisieren und in aktive (politische) Handlungen umzuwandeln. Ohne eine Abgrenzung aller Parteien, ohne ein Verbot, wird sich in der afd nichts ändern. Sobald sie die Chance hat die Macht zu ergreifen, wird sie das tun. Mehrheit hin oder Mehrheit her, der afd geht es nicht um Mehrheiten, auch nicht um die besseren Argumente, es geht einzig darum, die eigenen Ziele umzusetzen.



    Wenn etwas aus den Demos folgen soll, dann nur eine aktive Politik der anderen Parteien gegen die afd, auch mit einem Verbotsantrag. Andernfalls geht es weiter wie bisher. Dass die afd Wählerschaft nicht massiv bröckelt, ist ja bereits zu erkennen. Sobald irgendwo Machtoptionen da sind wird die afd sie nicht mehr hergeben.

  • Warum solten die Angst haben?

  • Angst haben muss die AfD einzig vor einem Einbruch der Popularität. Die Öffentlichkeit & Zivilgesellschaft war auch vor den Veröffentlichungen schon geschlossen gegen die Partei, nun hat sich die Zurschaustellung lediglich deutlich intensiviert.

    Nun kann man in die Wahlumfragen schauen und auf den ersten Blick recht zufrieden mit sich sein, doch hier steckt der Teufel im Detail. Je nach Umfrage hat die AfD eine Veränderung von -4% bis +0,5% zu verzeichnen.



    Die meisten Umfragen zeigen deutlich nach Unten, nur eine nicht und das ist Allensbach. Allensbach ist allerdings auch das einzige Institut, dass die Befragung in Persona und gleichzeitig repräsentativ durchführt. Hier hat die AfD nie 20% erreicht und der Neuste Wert liegt bei 19,5 (+0,5%).



    Bei allen anderen Instituten ist die Auswahl der Befragten entweder zufällig statt repräsentativ oder wird ausschließlich Online durchgeführt, was Ältere teilweise benachteiligt. Grade die gehen ja aber besonders zuverlässig wählen.

    Meine Befürchtung ist das wir hier auf einen Trump-Effekt zusteuern, bei dem sich Menschen, selbst in anonymen Umfragen, nicht mehr trauen ehrlich zu sagen wie sie wählen werden.



    Deshalb sehe ich auch die Proteste ambivalent. Die sind das X. Symbol und als solches auch sehr stark aber das man hierdurch wirklich jemanden überzeugt, der sonst AfD gewählt hätte fällt mir sehr schwer zu glauben.

  • Die AfD hat Angst?

    Ich denke eher, die Partei und ihre Anhänger schäumen, was ja fast ihr Naturzustand ist, aber Angst?

    Wovor genau sollte die AfD Angst haben? Werden (potenzielle) Wähler dieser Partei durch die Proteste vom Kreuz für die AfD abhalten lassen?

    Die Umfragen sagen etwas anderes.

  • o, keider, leider hat die afd vor uns 0 angst. daß sie in B trotz aller demos sogar mehr stimmen gekriegt hat, zeigt, daß auch die menschen, die sie wählen (und auch die bsw wählen würden) voll vernagelt sind. ewig gestrige und neue gestrige, vor allem junge männer, die schlecht ausgebildet sind, um ihe männlichkeit bangen (mit der muß es ja schlecht bestellt sein) + ein retro-frauenbild haben.



    junge frauen sind da anders, mehr bunt, mehr für frauenrechte, besser ausgebildet.



    offenbar fühlen sie sich bereits für kommende kinder verantwortlich, während aus dem spiegel-artikel einer hebamme hervorgeht, daß männer um die 23j. 0-interesse an kindern haben.



    das könnte ich mit einem entsprendenden artikel belegen, sorry, habe nicht aufgepaßt. sucht selbst, viel spaß dabei!

  • Mit Demo's alleine wird sich nicht viel ändern. Die allermeisten von uns kennen in ihrem Umfeld Afd_Anhänger. Sprecht sie an, entlarvt ihre Gründe, weswegen sie Afd wählen. Aber spielt euch nicht als Richter auf, das bindet zumindest die Protestwähler noch enger and die Afd nach dem Motto "jetzt erst recht". Versucht ihnen die Hand zu reichen damit sie vielleicht aus ihrer Blase herauskommen und sich der Realität bewusst werden.

    • @Krumbeere:

      Bei den AfD-Anhängern, die ich kenne, gibts nichts zu entlarven - die sind einfach nur verbohrt nach dem Motto "Jetzt erst recht(s)".