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Deutschland in der KriseDie Wirtschaft ist geschrumpft

Das Bruttoinlandsprodukt ging vergangenes Jahr auch wegen anhaltend hoher Energiepreise um 0,3 Prozent zurück. Gleichzeitig spart der Staat.

Wegen der Inflation sparen die Menschen vor allem auch bei Lebensmitteln. Das drückt auf die Konjunktur Foto: Matthias Rietschel/ap

Berlin taz | Die globalen Krisen lasteten im vergangenen Jahr auf der hiesigen Wirtschaft. Wie das Statistische Bundesamt am Montag auf Basis von vorläufigen Zahlen mitteilte, ging das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 nach Abzug der Inflation um 0,3 Prozent zurück.

„Die trotz der jüngsten Rückgänge nach wie vor hohen Preise auf allen Wirtschaftsstufen dämpften die Konjunktur“, sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand. Hinzu kämen ungünstige Finanzierungsbedingungen durch hohe Zinsen und eine geringere Nachfrage aus dem In- und Ausland.

Dass die Wirtschaftsleistung abnimmt, war allgemein erwartet worden. Die meisten Öko­no­m*in­nen gingen sogar von einem größeren Minus aus. Fünf führende Wirtschafts­institute prognostizierten im September in ihrer Gemeinschaftsdiagnose ein Minus von 0,6 Prozent. Die Bundesregierung ging in ihrer Herbstprojektion davon aus, dass die Wirtschaft um 0,4 Prozent schrumpfen würde.

Seit dem Vorkrisenjahr 2019 stieg die deutsche Wirtschaftsleistung insgesamt um lediglich 0,7 Prozent – und hinkt damit im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Jetzt ist Deutschland vermutlich das einzige große EU-Land, in der das BIP 2023 sogar gesunken ist. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Wirtschaft in der gesamten Europäischen Union um 0,6 Prozent gewachsen ist. Seit 2019 hätte sich die Wirtschaftsleistung der EU damit um 4,1 Prozent vergrößert. Sogar noch stärker ist aber vermutlich das Plus seit 2019 in den USA und China mit 7,5 beziehungsweise 20,1 Prozent.

Energiepreise belasteten die Produktion

Laut dem Statistischen Bundesamt stabilisierten sich die Energiepreise, die 2022 infolge des russischen Angriffs nach oben geschossen waren, 2023 auf hohem Niveau. Dies belastete insbesondere die Industrieproduktion. Besonders stark sank die Wertschöpfung demnach in energieintensiven Branchen wie der Chemie- und Metallindustrie, die bereits 2022 relativ stark auf die steigenden Energiepreise reagiert hatten.

Gleichzeitig fiel der private Konsum als Konjunkturstütze aus. Er verringerte sich vergangenes Jahr um 1,1 Prozent und lag damit 2,1 Prozent unter dem Niveau von 2019. Dabei sparten die Menschen insbesondere an langlebigen Gütern wie Möbeln sowie Lebensmitteln und Getränken.

In dieser Situation gab auch die öffentliche Hand weniger aus, was die Wirtschaftsleistung zusätzlich schmälerte: Wenn man die Inflation rausrechnet, reduzierte der Staat 2023 erstmals seit fast 20 Jahren seine Konsumausgaben. Das Finanzierungsdefizit lag so bei 82,7 Milliarden Euro oder 2,0 Prozent des BIP – und damit unter dem EU-Grenzwert von 3,0 Prozent.

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6 Kommentare

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  • Wenn man den meisten Ökonomen glauben darf ist das erst ein Vorgeschmack darauf was uns in den nächsten Jahren erwarten wird. Leider haben wir ja die Grundlage des Geschäftsmodell der Bundesrepublik leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Ich finde es erschreckend wie stark die AFD jetzt schon ist, obwohl bisher die Bedingungen keines Falls gut für die Partei war und wenn man sich jetzt noch vor Augen hält. Und falls auch noch "unsere" Freiheit in Taiwan verteidigt werden sollte haben wir ein riesiges Problem.



    Aber wahrscheinlich werden erst viele Menschen merken, dass gute Intentionen alleine nicht reichen, wenn es zu spät ist.

  • Ganz Deutschland in der Krise? Die absurde Fokussierung auf das BIP als DIE Kennzahl wirtschaftlicher Dynamik muss enden wenn wir eine breite Diskussion um Gerechtigkeit und Umverteilung führen wollen!



    "Auch in Deutschland werden die Reichsten immer reicher und die Ungleichheit nimmt weiter zu: Das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen wuchs danach seit 2020 inflationsbereinigt um rund drei Viertel von etwa 89 auf etwa 155 Milliarden US-Dollar." www.tagesschau.de/...tum-armut-100.html

  • Die Regierung hat sich das so ähnlich wahrscheinlich gewünscht, weil sie dachten, dass dies eine starke Bremse für die Inflation sein würde und sie damit keinen Preisschub für den Export auslösen würde. Nur: So ist es nicht gekommen.



    Was aber Fakt ist, dass viele Arbeitnehmer weniger Geld zum Ausgeben haben als 2021. Der reale Einkommensverlust ist stark und er ist nachhaltig. Besonders im Öffentlichen Dienst wollte die Politik bremsen, nur der Effekt ist eben nicht eingetreten. Ver.di hat viel gegeben, nur sehr wenig bekommen und das frisst dann die Inflation. Mit dem Minus-Wachstum geht die Arbeitslosigkeit nach Oben und die Nachfrage nach Arbeitskräften schwächst sich ab. Und keiner weiß, ob 2024 im Plus liegen wird, weil die momentanen Parameter durchaus weiterhin so bleiben könnten. Was dann?



    Hohe Preise, keine Nachfrage, steigende Arbeitslosigkeit und höhere Kosten im Öffentlichen Dienst, obwohl man den Beschäftigten einen Reallohnverlust zugemutet hat?

  • die ganze Malaise etwas ausführlicher dargestellt:

    www.relevante-oeko...uf-deflationskurs/

  • Bei Verdoppelung der Steuereinnahmen! Da hat wohl eine "Umschichtung" Richtung Verbraucher stattgefunden- sprich Inflation.

  • Man kann aber auch alles schlechtreden...



    "Degrowth" ist das neue Wachstum, und wir werden nicht ärmer, wir haben halt nur weniger.



    Und der Stromverbrauch ist im letzten Jahr gefallen. Wer weniger produziert, verbraucht auch weniger. Und dadurch ist der relative Anteil an Erneuerbaren weiter gestiegen.



    Und Wohlstand kann man ja auch anders messen als durch materielle Dinge.



    Dann klappt auch "Wohlstand für alle" viel leichter.



    Und wir sind endlich wieder Vorreiter. Naja, fast: Argentinien schafft den "Degrowth" noch besser.



    Bald werden wir dann jährlich große Paraden abhalten, um uns unserer moralischen Überlegenheit zu vergewissern.



    Und natürlich bauen wir wieder einen antifaschistischen Schutzwall gegen die Gefahren von außen.



    Und aus unerklärlichen Gründen zeigen die Selbstschussanlagen wieder nach innen.



    Braindrain und so...