EuGH-Urteil über Fußball in Europa: Uefa gegen Super League: 1:1
Der EuGH wirft den Fußballverbänden den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung vor. Die Chancen für eine konkurrierende Super League steigen.
Das Monopl der Fußballverbände Fifa und Uefa wackelt gewaltig. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Streit um eine konkurrierende Super League entschieden, dass die Fußballverbände derzeit ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen und ihre Verbandsregeln daher gegen EU-Recht verstoßen.
Der Fußball-Weltverband Fifa und der europäische Verband Uefa sind private Gesellschaften nach Schweizer Recht. Sie organisieren nicht nur Fußball-Welt- und -Europameisterschaften, sondern auch die europäischen Clubwettbewerbe Champions League, Europa League und Conference League.
2021 wurde bekannt, dass zwölf europäische Spitzenclubs aus Spanien, Italien und Großbritannien eine Super League planen, an der sie immer teilnehmen dürfen, ohne sich sportlich qualifizieren zu müssen. Veranstalter sollte eine spanische Gesellschaft namens European Super League Company (ESLC) sein. Uefa und Fifa drohten Clubs, die sich an einem derartigen Projekt beteiligen, dass sie nicht mehr an den Uefa-Wettbewerben teilnehmen können. Spieler, die in einer Konkurrenzliga spielen, sollten von Welt- und Europameisterschaften ausgeschlossen werden.
Im konkreten Rechtsstreit klagte die ESLC vor dem Handelsgericht Madrid gegen diese Drohungen der Uefa. Da es hier um EU-Wettbewerbsrecht geht, legte das spanische Gericht dem EuGH grundsätzliche Fragen zur Vorabentscheidung vor. Der EU-Gerichtshof stellte zunächst fest, dass die Veranstaltung von Fußballwettbewerben zwischen Vereinen und die Verwertung der entsprechenden Medienrechte „ganz offensichtlich wirtschaftliche Tätigkeiten sind“. Sie müssen daher die Regeln des wirtschaftlichen Wettbewerbs einhalten.
Auch Spieler dürfen nicht ausgeschlossen werden
Es gebe hier auch keine Sonderregeln für den Sport, stellte der EuGH fest und wich hier von den Schlussanträgen des unabhängigen Generalanwalts Athanasios Rantos aus dem Dezember 2022 ab. Rantos hatte auf Artikel 165 EU-Arbeitsvertrags verwiesen, der eine Förderung der „europäischen Dimension des Sports“ erlaubt. Damit werde ein „europäisches Sportmodell“ anerkannt, so Rantos, zu dem zwingend die Möglichkeit von Auf- und Abstieg gehört. Dem folgte der EuGH nicht, Artikel 165 sei keine Querschnittsnorm und schränke das EU-Wettbewerbsrecht nicht ein.
Deshalb kam der EuGH nun zum Schluss, dass die aktuellen Fifa- und Uefa-Verbandsregeln rechtswidrig sind. Die Verbände dürfen derzeit die Gründung konkurriernder Ligaprojekte wie der Super League grundsätzlich nicht von ihrer Genehmigung abhängig machen. Sie dürfen auch nicht Clubs und Spielern, die sich an einer Super League beteiligen, mit dem Ausschluss aus Fifa- und Uefa-Wettbewerben bedrohen.
Grund ist der Interessenkonflikt, der darin besteht, dass die Verbände selbst Wettbewerbe veranstalten und darüber entscheiden wollen, wer außer ihnen ebenfalls Wettbewerbe veranstalten darf. Hierfür wäre ein Rahmen erforderlich, der Transparenz, Objektivität, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit der Entscheidung gewährleistet. Ein solcher Rahmen bestehe aber nicht, so der EuGH. Die Verbände missbrauchten derzeit ihre marktbeherrschende Stellung.
Auch die zentrale und exklusive Verwertung der Medienrechte an Wettbewerben mit europäischen Fußballvereinen durch die Uefa verstößt laut EuGH gegen EU-Recht. Sie verhindere, dass die Zuschauer „neue und potenziell innovative oder interessante Wettbewerbe genießen“ können. Dies schade den Clubs, den Medien und dem Publikum.
Der EuGH betont zugleich, dass er damit nicht über die Zulassung der Super League entschieden habe, da diese Frage vom Handelsgericht Madrid nicht vorgelegt wurde. Darüber müsse nun das Madrider Gericht entscheiden. Dort könne aber immerhin noch geprüft werden, ob die Nachteile des Uefa-Monopols dadurch zu rechtfertigen sind, dass die Monopolgewinne durch eine „solidarische Umverteilung“ der gesamten Fußballwelt zugutekommen. Auch die Entscheidung des Handelsgerichts Madrid könnte also noch spannend werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos