Abtreibungsrecht in den USA: Ein Gewinnerthema
Selbst Konservative wollen nicht auf das Recht auf Abtreibung verzichten. Die Demokrat*innen sehen darin ein Wahlkampfthema.
N icht einmal knapp war der Ausgang des Referendums in Ohio, mit dem das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in die Verfassung des US-Bundesstaates aufgenommen wird. 56 Prozent der Wähler*innen stimmten dafür. Es war nicht das erste derartige Referendum seit der Entscheidung des erzkonservativ zusammengesetzten Obersten Gerichtshofes, das Urteil von 1973 aufzuheben, das in den gesamten USA das Recht auf Abtreibung gesichert hatte. Und weitere in anderen Bundesstaaten sind bereits in Vorbereitung.
Ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl im November 2024 merken damit die Demokrat*innen, dass das Abtreibungsrecht für sie ein Gewinnerthema ist. Selbst in konservativen Staaten ist eine Mehrheit – unter der weiblichen Bevölkerung eine noch größere – nicht begeistert davon, ein Recht zu verlieren, das es ein halbes Jahrhundert lang gab. Das Thema im Wahlkampf groß zu machen, kann Wähler*innen mobilisieren.
Der evangelikal-konservative Teil der Republikaner*innen hatte sich in den letzten Jahrzehnten klar innerhalb der Partei durchgesetzt und Kandidat*innen Vorwahlen gewinnen lassen, die vehement gegen den „Mord“ am ungeborenen Leben polemisierten. Das war nie eine gesellschaftliche Mehrheitsposition – aber solange das Urteil „Roe v Wade“ Bestand hatte, blieb diese ideologische Selbstvergewisserung der rechten Parteibasis ohne praktische Konsequenz.
Das ist im vergangenen Jahr mit dem Urteil des Supreme Court anders geworden. Ein republikanisch regierter Bundesstaat nach dem anderen verschärfte die Abtreibungsregeln oder schaffte das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gleich ganz ab. Die Quittungen kommen jetzt.
Am Dienstag wurde nicht nur das Abtreibungsreferendum in Ohio gewonnen, die Demokrat*innen siegten auch bei Parlamentswahlen in Virginia, Richterwahlen in Pennsylvania und Gouverneurswahlen in Kentucky. Gut möglich, dass 2024 der erste Wahlkampf seit Langem wird, in dem republikanische Kandidat*innen über das Thema Abtreibung am liebsten gar nicht sprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen