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Tote Rinder und FohlenSchlammschlacht um Weideprojekt

Der Streit über eine Nabu-Rinderweide in Ostfriesland nimmt kein Ende. Dabei geht es mehr um politische Frontstellungen als um die Tierhaltung.

Die Heckrinder auf der Nabu-Weide sind widerstandsfähig, brauchen aber auch ein wenig Pflege Foto: Erwin Bette/Nabu

Hannover taz | Schon wieder ein totes Tier, schon wieder Darstellungen, die sich widersprechen. Das Weideprojekt des Nabu in Leer ist nach entsprechenden Anweisungen des Landkreises längst in Abwicklung begriffen – doch der Streit um das Projekt geht weiter. Und zwar sowohl auf der persönlichen als auch auf der politischen Ebene. Im Mai war das Projekt in die Schlagzeilen geraten. Eine misslungene Blutuntersuchung führte zum Tod zweier Kälber, der Rest der Herde und die Weideflächen sollen in schlechtem Zustand gewesen sein.

Nach und nach kamen immer mehr Details ans Licht: Insgesamt standen am Ende drei tote Rinder und zwei tote Konik-Fohlen auf der Liste. Der Landkreis griff durch, machte erst Auflagen, verfügte dann das Ende des Projekts. Um den genauen Ablauf und die Fristen streiten die Behörden und der Nabu seither, der Naturschutzbund hat mehrere Klagen eingereicht. Klar, dass da ein weiteres totes Tier nicht gut aussieht. Vor den Augen zweier Mitarbeiter sei das Tier auf der Weide ausgerutscht und habe sich das Genick gebrochen, sagt der Nabu. Ein bedauerlicher Unfall, das Tier sei sonst gesund gewesen. In Absprache mit dem Veterinäramt habe man den Kadaver dann ordnungsgemäß abtransportieren lassen.

Dem widerspricht die CDU-Kreistagsfraktion: Der Nabu habe mit dem sofortigen Abtransport verhindert, dass die Todesursache ermittelt werden könne, zitiert die Nord-West-Zeitung die Fraktionsvorsitzende Grietje Oldigs-Nannen. Und schiebt wenig später ein Interview mit dem Mann nach, auf dessen Darstellung das Ganze offensichtlich fußt: dem ortsansässigen Tierarzt Hansjörg Heeren, Vorsitzender und Mitbegründer des „Friesischen Verbandes für Naturschutz“.

Der Landkreis bestätigt aller­dings die Version des Nabu – der Abtransport erfolgte in Abstimmung mit dem Veterinäramt, für einen Transport in die Pathologie zur weiteren Untersuchung fehlten die Kapazitäten. Die unterstellte Vertuschung gab es also nicht.

Videos verelender Kälber

Tierarzt Heeren spielt in dieser Geschichte von Anfang an eine große Rolle. Sein Verein war es, der die Zustände öffentlich machte, die Videos der verendenden Kälber an die Öffentlichkeit brachte und seither nicht müde wird, immer neue Vorwürfe nachzulegen – sei es eine mutmaßliche Wasserverschmutzung durch einen unzureichend abgedeckten Misthaufen oder eben den angeblich eiligen Abtransport eines Kadavers.

Mitglieder seines Vereins, sagte er in einem Facebook-Livestream, wohnen in der Nähe des Weideprojektes und haben offensichtlich immer ein waches Auge darauf, wer dort vorfährt, kommt oder geht.

Aus seiner grundsätzlichen Abneigung gegen den Nabu macht Heeren jedenfalls keinen Hehl. Das zeigte er zum Beispiel in seiner Rede auf der großen Anti-Wolfs-Demo in Aurich, die sein Verband organisiert hat. Ein Video davon findet sich auch auf seinem Youtube-Kanal.

Hier bringt er die traditionsbewussten, anständigen, fleißigen friesischen Bauern in Stellung gegen diese „grünen Naturexperten von außerhalb, diese grüne Nabu-Strategie, die unser schönes Land unter Kontrolle bringen wollen“, „alles gegen den Willen der Einheimischen“, und dafür sorgen, dass es immer größere Flächen gäbe, „die kein Ostfriese mehr betreten darf“. Stattdessen würden ausländische Arten eingeschleppt wie „ägyptische Wasserbüffel“. Und natürlich darf auch der Hinweis nie fehlen, dass der Nabu ja jedes Jahr x Millionen Euro an Subventionen kassiere.

Der Nabu keilt aus

Für das Weidetierprojekt habe es keine Subventionen gegeben, sagt der Nabu. Die ganzjährige Weidehaltung sei von Anfang an ein Zuschussgeschäft gewesen. Hier gibt es allerdings auch keine Wasserbüffel, nur Heckrinder und Konik-Pferde. Mit deren tierärztlicher Betreuung war bis zum Frühjahr 2023 ausgerechnet die Praxis von Heeren betraut.

Und weil der Konflikt nun längst auf so einer Ebene angekommen ist, keilt jetzt der Nabu aus: Eine Überprüfung habe ergeben, dass es unter Heeren zu schwerwiegenden Versäumnissen gekommen sei, erklärt der Nabu. Unter anderem stünden Kühe, die unter seiner Aufsicht geschlachtet worden sein sollen, quicklebendig auf der Weide. Auch bei den von ihm beaufsichtigten Blutproben der vergangenen drei Jahre sind diese überzähligen Tiere offenbar nicht aufgefallen.

Der Nabu sieht sich von Feinden umstellt: In den Akten des Landkreises fänden sich fehlerhafte Protokolle, die CDU Kreistagsfraktion und insbesondere der CDU-Landtagsabgeordnete Ulf Thiele seien mit wüsten Rücktrittsforderungen wohl ebenfalls den Einflüsterungen von interessierter Seite erlegen.

Letztlich fällt diese Kritik aber auch wieder auf den Nabu zurück: Der hinzugezogene Tierarzt war ja nicht allein verantwortlich für diese Aktionen. Immer waren auch Mitarbeiter des Nabu-Tochterunternehmens Luno und des nahe gelegenen Woldenhofs beteiligt. Bei denen soll es auch schon Abwerbeversuche gegeben haben – für den Fall, dass die Beweidung in neue Hände kommt.

Auf Überlastung zu spät reagiert

Aber der Nabu brauchte immer sehr lange, um die einzelnen Vorfälle zu rekonstruieren und aufzuklären. Er begründet das mit der ungünstigen Personalsituation, die überhaupt erst in diese Misere geführt habe. Der ehemalige Geschäftsführer hat sich aufgrund eines Burnouts zurückgezogen, weitere Mitarbeiter sollen aus anderen Gründen ausgefallen sein.

Selbst der Landkreis und Tierarzt Heeren sagen, dass es in den fünfzehn Jahren zwischen dem ersten Skandal um das Projekt im Jahr 2008 und dann 2022 keinen Grund für Beanstandungen gegeben hatte. Es geht also nicht um einen grundsätzlichen Webfehler des Konzepts – mit erfahrenen und guten Leuten ist es umsetzbar.

Aber offensichtlich hat der Nabu – so sieht es jedenfalls der Landkreis – auf die Überlastungssituation zu spät reagiert und bei dem Projekt den Überblick verloren. Auch beim Krisenmanagement sei die Kommunikation stets schwierig gewesen. Bis heute hat der Nabu keine Erklärung dafür, wieso die Herde nicht reduziert wurde, obwohl das schon 2021 vereinbart worden sein soll.

Für den Landkreis ist deshalb eine Fortführung nicht denkbar. Die Frist für die Auflösung der Herden hat er noch einmal bis Ende Oktober verlängert – weil sich dies bis Ende September tatsächlich nicht umsetzen ließ. Der Nabu hält auch das neue Datum für unrealistisch – vor allem, weil die trächtigen Tiere nicht einfach so geschossen oder umgesetzt werden könnten. Das wird nun wohl das zuständige Verwaltungsgericht klären müssen.

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16 Kommentare

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  • Wenn der NABU regelmäßig andere Tierhalter kritisiert muss er sich auch mal Kritik gefallen lassen wenn er selber Fehler macht. Wichtig ist, dass jetzt alle zusammen anpacken damit es den Tieren besser geht.

    • @Thomas2023:

      in dem Sie durch den Schlachthof gerettet werden...?

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Der Nabu steht ja eigentlich nicht gerade im Verdacht, besonders radikal gegen die konventionelle Bauernschaft vorzugehen.



    Umso erstaunlicher die Wut der ansässigen Landwirte.



    Hat aber vielleicht auch sein Gutes: Wenn der Nabu als Naturschutzverband weniger WKAs und dafür mehr Massentierhalter beklagt, wäre der Umwelt sicherlich mehr geholfen.

  • Der NABU und ähnlich agierende NGO mögen es gar nicht, wenn andere die öffentliche Meinungshoheit übernehmen. Besonders dann natürlich nicht, wenn sie gegen sie selbst gerichtet ist.



    Merke: Grüne NGO's machen keine Fehler.

    • @Hans Hartmann:

      wo ist der Fehler, wenn Kühe ohne Hand des Menschen sterben? Wieso sollte das dann Tierwohl gefährdend sein?



      Die Anti-NABU Polemik ist so dumm wie widersprüchlich. Kühe die im Stall leben und zum Ende einen Bolzen in den Kopf bekommen, sollen besser leben, als Tiere die ihr Leben auf der Weide verbringen und irgendwann dann dort auch sterben?



      Sterben ist nie schön, zu behaupten es wäre im Tierwohl den Todesakt durch den Menschen zu vollziehen ist schon eine merkwürdige Vorstellung...

  • Es ist ein Fehler, wenn der Nabu hier es versäumt hat, frühzeitig eine Kooperation mit ansässigen (Bio-)Bauern zu suchen. Ich komme selbst „vom Land“ und bin mir deshalb nur zu sehr bewusst, wie wichtig der direkte, menschliche Kontakt gerade zu Nachbarn ist. Ebenso kenne ich zu viele „Hardliner“ innerhalb von Umweltverbänden, die ein klares Feindbild haben: eben Bauern. Und dann rein praktisch mit den Herausforderungen einer Weidewirtschaft überfordert sind, weil ideologische Verbohrtheit nun mal keine Sachkenntnis ersetzt.

    Hier ginge es jetzt ganz simpel darum, aus den eigenen Fehlern zu lernen und vielleicht dann durch offenere Kommunikation und Kooperation endlich das zu erreichen, wozu übrigens solche Projekte ja gedacht sind: Umdenken bei insbesondere Bauern zu erreichen.

    • @BenLawers:

      "Es ist ein Fehler, wenn der Nabu hier es versäumt hat, frühzeitig eine Kooperation mit ansässigen (Bio-)Bauern zu suchen."

      Wenn.

      Heerens Wasserbüffel-Lüge legt in der AfD-nahen Spezifizität ihres dogwhistlings nahe, dass es da um etwas ganz anderes geht.

      • @Ajuga:

        @Ajuga



        Natürlich liegt bei den Treibern der Debatte nahe, dass es ihnen um was anderes geht.



        Wobei es eigentlich vollkommen egal ist, ob man Wasserbüffel oder Heckrinder hält. Letztere sind eine „Nachzüchtung“ des Auerochsen von einem Nazi-Zoologen, die auch nicht nach Niedersachsen gehören.

        Egal: Es geht darum, dass sich einige Leute beim Nabu offensiv dämlich anstellen und auch noch jede Menge Angriffspunkte liefern.

      • @Ajuga:

        Ich kann mich dem Kommentar von Benlawers nur anschließen.



        Und wenn Sie das in Richtung AFD rücken ist das völliger Quatsch.



        In dem Gebiet gibt es keine Wasserbüffel, aber es gibt entsprechende Weideprojekte in Niedersachsen vom NABU. Ich habe absolut nix gegen diese Tiere, aber wenn Sie daraus eine AFD-nahe Wasserbüffel -Luege konstruieren, zeigt das nur daß Sie sich nicht fachlich mit dem Thema auseinandersetzen möchten

  • um die Tiere vor weiteren Misständen zu bewahren, werden sie geschlachtet... aha.

    • @nutzer:

      Ist schon skurril.

  • Ursprünglich zumindest ging es in Ostfriesland, in Coldam, Wiegboldsbuhr, Uhlsmeer, und beim Thedingaer Vorwerk, noch um etwas anderes:



    Es sollten die ausgestorbenen Auerochsen und einst wildlebende Pferde nachgezüchtet werden.



    Einst war versucht worden, Tiere aus den in Europa von Landwirten genutzten Rindern zu züchten, die so aussehen, wie Auerochsen, der Ur, auf Abbildungen und nach Fossilfunden vermutlich ausgesehen hatte.



    Heute aber ist es tatsächlich möglich, den Auerochsen nachzuzüchten:



    Die DNA von einem heutigen Rind wird mit der DNA von Fossilfunden verglichen. Und dann werden immer nur die Tiere für die Weiterzucht verändert, bis die DNA des heutigen Rindes mit der DNA in Fossilfunden übereinstimmt. Diese Rinder sind dann mehr als "Heckrinder", sie sind "Taurusrinder", weil sie durch das Taurus-Projekt entstanden sind.



    www.thomasius.de/coldam/index.html



    Als ich 2016 zusammen mit meiner ostfriesischen Tante nach den Weideflächen suchte, begegneten uns die Einheimischen in Uhlsmeer, bei Coldam, und in Wiegboldsbuhr freundlich. Auf der Suche nach der Weidefläche bei dem Thedingaer Vorwerk wurden wir von Einheimischen unfreundlich behandelt, mehrmals zeigte man uns den Weg, mutmaßlich absichtlich, falsch. Und wir hörten Geschimpfe auf den NABU, weil die Einheimischen das Ufer der Ems dort angeblich nicht mehr nutzen dürfen.

    • @Erwin Thomasius:

      @Erwin Thomasius



      Koniks sind KEINE Nachzüchtung sondern aus Polen stammende Ponys, die eben nur sehr robust sind und teils wild gehalten wurden.



      Vergleichbar mit den „Wildpferden“ im Dülmner Bruch.

      Heckrinder sind dagegen ein Prestigeobjekt der Nazi-Ideologie gewesen. Warum so viele Leute diese Viecher auch heute noch toll finden, verstehe wer will: Sie gehören genauso wenig zum heimischen Tierkreis wie Wasserbüffel.

      Der Nabu wäre gut beraten, statt diese Synthetik-Rinder einfach alte norddeutsche Rinderrassen einzusetzen. Etwa Rotvieh, Angler-Rind oder Höhenvieh. Trägt dazu bei, diese alten Rassen zu erhalten ohne im Dunstkreis völkischer Pseudo-Züchtungen zu liegen.

    • @Erwin Thomasius:

      Ja, die Heckrinder sind eher so Nazi-Fake-Retro-Auerochsen - das Zuchtprogramm hatte mit Wissenschaft nicht viel zu tun.

      Grundsätzlich könnte man die originale Zuchtlinie der Brüder Heck (also alle die genetisch nicht für die Taurusrind-Züchtung geeignet sind) auch aussterben lassen, weil sie im Prinzip nur als Zootiere, die einen visuellen Eindruck eines Auerochsenbullen (die Kühe sehen nicht ansatzweise wie Auerochsenkühe aus) vermitteln können, brauchbar sind.

      Für die halbwilde Haltung von Rindern sind hingegen Highlander (bei regelmäßigem Kontakt mit Menschen - sie sehen gefährlicher aus, als sie sind) oder (für quasi-wilde Haltung) die so berühmten wie vom Aussterben bedrohten weißen "Parkrinder" Englands, zB die berühmte Zuchtlinie aus Chillingham, weit besser geeignet. Insbesondere die Chillingham-Herde ist attaktiv, da sie über die Jahrhunderte eine extreme Inzuchttoleranz erworben hat, die bei Großsäugetieren wohl unübertroffen ist, und kann deshalb auch aus einer winzigen Startpopulation gesunde Bestände aufbauen. Heckrinder hingegen sind in der "originalen" Form sehr anfällig für durch Inzucht bedingte Erkrankungen.

      • @Ajuga:

        @Ajuga



        Vollkommen richtig.



        Warum diese Nazi-Züchtung fast zur Ikone bei Renaturierungsmaßnahmen erhoben wird, ist kaum nachvollziehbar.



        Alte Rinderrassen gibt es zu Genüge. Die meisten alten Rassen in Mitteleuropa sind durchaus geeignet, ganzjährig auf der Weide gehalten zu werden. Und zur Not greift man eben auf Rindvieh aus den schottischen Highlands zurück oder auf Tiere aus dem skandinavischen Fjell.

      • @Ajuga:

        Wie könneten Tiere Nazi sein?



        und Heckrinder sind mitnichten ein Abbild des Auerochsen, sie sind als Rückzüchtung ziemlich mißglückt.



        Heckrinder sind dennoch robust und geeignet für Weideprojekte.

        Zur Rückzuchtthematik:



        breedingback.blogspot.com/