Benjamin Netanjahus Kriegsrhetorik: Uneindeutigkeit als Taktik

In seiner Rede referiert Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über das biblische Volk Amalek. Daraus kann jeder lesen, was er will.

Benjamin Netanjahu guckt ernst drein. Im Hintergrund eine israelische Flagge

Bibelfest: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu während seiner Pressekonferenz am Samstagabend Foto: Bernadette Baum/Reuters

taz | Es ist eine Rede mit viel Pathos. Samstagabend verkündet Pre­mier­minister Benjamin Netanjahu vor der Öffentlichkeit, dass Israel in eine neue Phase des Krieges trete. Er redet von den „Hallen des Bösen“, in denen sich die Bodentruppen Israels nun befinden. Auch eine biblische Referenz webt er ein: „Ihr müsst euch erinnern, was Amelek euch angetan hat, sagt unsere heilige Schrift.“

Diese Aufforderung ist ein wörtliches Zitat aus dem fünften Buch Mose. Gott verweist darin auf den Überfall des Volks Amaleks auf die Juden, als diese geschwächt und ausgehungert aus Ägypten ausziehen. Und er gebietet dem Volk Israel, die Amalekiter auszurotten, sobald sie Sicherheit gefunden haben auf dem Land, das Gott ihnen geschenkt hat. „Vergesst das nicht“, so die Aufforderung.

Netanjahus beabsichtigte Stoßrichtung scheint klar: Wer Grausamkeit erlitten hat, darf grausam zurückschlagen. In seinem großen Werk über das jüdische Rechtssystem schreibt der Philosoph und Theologe Maimonides im 12. Jahrhundert: Der Befehl, die Amalekiter auszulöschen, falle so harsch aus, weil sie sich weigerten, Frieden zu schließen.

Oder will Netanjahu auf einen anderen Aspekt der biblischen Erzählung hinaus: Wer keinen Frieden schließen will, muss von der Erde verschwinden? Will er betonen, dass die Hamas Israel in dem Moment attackierte, als es kurz Schwäche zeigte – so wie einst das Volk Amalek?

Interpretationsoffene Bilder

Maimonides schreibt: Frieden zu schließen bedeute, die sieben Gesetze Noahs anzuerkennen, die unter anderem das Morden verbieten – ein früher, universeller Menschenrechtsstandard. Will Netanjahu das noch einmal betonen? Dass die Hamas eine solche Ethik ablehnt, ein Frieden also niemals möglich sein wird?

Historische und religiöse Referenzen sind immer offen für Interpreta­tionen. Das ist praktisch für Netanjahu. Er bewahrt sich eine gewisse Uneindeutigkeit und bestätigt gleichzeitig jedem, was er hören möchte. Eine praktische Taktik für einen angeschlagenen Anführer unter hohem Druck.

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Redakteurin im Auslandsressort. Meistens Westeuropa, manchmal Westasien

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