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Ideen für den „Deutschlandpakt“Föderalismus neu denken

Wie können Bund, Länder und Kommunen besser zusammenarbeiten? Eine Gruppe von SPD-Politiker:innen hat Vorschläge gemacht.

Vorfahrt für die Energiewende: Transporter fährt Rotorblatt zu einem Windpark Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Einen „Deutschlandpakt“ hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor einer Woche der Opposition im Bundestag vorgeschlagen. Einen gemeinsamen Aufbruch von Bund, Ländern und Kommunen, um das Land schneller, moderner und sicherer zu machen. Seitdem rätseln viele, was genau er damit gemeint hat.

Politiker seiner Fraktion haben schon mal vorgedacht. Das „Netzwerk Berlin“, dem 50 SPD-Bundestagsabgeordnete angehören, hat bereits im August Vorschläge zur besseren Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen erarbeitet. In dem internen Papier, über das zuerst der Spiegel berichtete, heißt es: Zwar hätten sich föderale Strukturen bewährt. Aber: „Was lange nahezu einmütig als Erfolgsmodell galt, ist längst nicht mehr unumstritten und wird in innenpolitischen Debatten gern für Fehlentwicklungen und Probleme verantwortlich gemacht.“

Gegenüber der taz sagen die drei Spre­che­r:in­nen des Netzwerks, Dorothee Martin, Armand Zorn und Markus Töns, man habe versucht, Punkte zu identifizieren, die in den nächsten ein bis vier Jahren umsetzbar seien, damit alle Ebenen noch besser an einem Strang zögen. „Wir haben bereits mit Ländervertretern gesprochen und werden demnächst eine Veranstaltung mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen organisieren, auf der wir das Thema Bund-Länder-Beziehungen weiter diskutieren wollen“, so die drei Abgeordneten. Die drei Ebenen müssten besser verzahnt werden, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken.

In dem Papier wird gefordert, die Finanzierungsbasis von Ländern und Kommunen durch eine Reform der Erbschaftssteuer zu stärken und die länderübergreifende Zusammenarbeit zu vertiefen, etwa durch zentrale Anlaufstellen für ausländische Fachkräfte. Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, müssten einheitliche digitale Standards geschaffen und Datenschutzverordnungen vereinheitlicht werden. „Die unterschiedliche Auslegung der Datenschutzgrundverordnung durch die Bundes- und Landesdatenschutzbehörden stellt ein echtes Innovationshemmnis für den Wirtschaftsstandort Deutschland dar“.

Ran an die Erbschaftssteuer

Auch im Bildungsbereich müssten Bund und Länder besser zusammenarbeiten. Für Bildung sind allein die Länder zuständig. Die Netz­werker fordern, dass der Bund stärker dort eingreifen darf, „wo Bildungschancen ungleich verteilt sind und die Länder mit eigenen Mitteln nicht die ­notwendige Schlagkraft entfalten können.“ ­Dafür müsse man mehr Mitsprache ermög­lichen.

Grundsätzlich fordern die Netzwerker, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu und klarer zu ordnen. „Die größte Herausforderung ist, dass es derzeit keine klare Verantwortlichkeiten, sondern viele Formen der Mischfinanzierung gibt“, sagt der Finanzpolitiker Armand Zorn. Oft leiste der Bund eine Anschubfinanzierung, die manche Kommunen wegen fehlender Mittel aber nicht mehr fortsetzen könnten.

Um Ländern und Kommunen dauerhaft mehr Geld zur Verfügung zu stellen, schlagen die Netzwerker vor, die Erbschaftssteuer zu reformieren. Die Erlöse fließen in die Länder. „Angesichts der Herausforderungen auf Landesebene und kommunaler Ebene sind wir der Meinung, dass hier eine Reform nötig und möglich wäre“, meint Zorn. „So könnte man vergleichsweise schnell und unbürokratisch eine Verbesserung der Einnahmen erzielen.“

Derzeit wirke die Erbschaftssteuer wegen der vielen Ausnahmen für große Betriebsvermögen regressiv – das heißt, es werden eher kleine Erbschaften zur Kasse gebeten. Von den 400 Milliarden Euro, die jährlich vererbt werden, landen gerade mal 10 Milliarden beim Fiskus. Eine Reform der Erbschaftssteuer fordert auch die Parlamentarische Linke, die neben den konservativen Seeheimern größte Strömung innerhalb der SPD-Fraktion.

Dienstwagenprivileg muss fallen

Sie halte es für richtig, „dass sich die SPD stärker mit der Einnahmeseite beschäftigt“, meint auch Dorothee Martin. Die Erbschaftssteuer sei das große Rad, an dem gedreht werden müsse. Daneben gebe es aber noch kleinere Stellschrauben, sagt die Verkehrspolitikerin. Zusammen mit Finanzpolitikern erarbeite man gerade ein Konzept für eine reformierte Besteuerung von Dienstwagen. Es soll in den nächsten Wochen vorgestellt werden. Das sogenannte Dienstwagenprivileg begünstigt die Nutzung teurer und oft auch entsprechend klimaschädlicher Autos zu privaten Zwecken. Laut Bundesumweltamt entgehen dem Staat dadurch jährlich über 3 Milliarden Euro an Einnahmen.

Für überschuldete Kommunen fordern die Netzwerker bis Ende des Jahres eine Lösung. Auch die Ampel hatte sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, das Problem der sogenannten Altschulden anzugehen. Rund 2.500 Kommunen in Deutschland gelten als überschuldet, in Nordrhein-Westfalen ist es fast jede zweite. „Die Schulden belasten die Haushalte der betroffenen Kommunen enorm, viele können ihren eigentlichen Aufgaben, etwa Schulen zu bauen, kaum noch nachkommen“, sagt Markus Töns, in der SPD-Fraktion Beauftragter für Handelspolitik.

In seinem Wahlkreis Gelsenkirchen könne die Kommune gerade mal einen Kunstrasenplatz pro Jahr bauen, dabei gebe es 160 Sportvereine. „Im Verein findet nicht nur Sport statt, sondern auch Integration“, sagt Töns. Und in den Ausländerbehörden bekomme man Termine teilweise nicht vor Ende 2025, weil das Personal fehle. „Wir können in Berlin vieles beschließen, aber es scheitert zum Teil daran, dass wir es vor Ort nicht umsetzen können“, meint Töns.

Das „Netzwerk Berlin“ schlägt deshalb vor, dass Bund und Länder die Altschulden der betroffenen Kommunen einmalig und jeweils zur Hälfte übernehmen sollten. Eine ähnliche Lösung hatte Olaf Scholz 2019 als damaliger Finanzminister vorgeschlagen und eine „Stunde Null“ für die betroffenen Kommunen. Damals stand eine Summe von 40 Milliarden Euro im Raum, um die Bund und Länder die Kommunen entlasten sollten.

Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen wollen Scholz treffen

„Gleichzeitig muss man aber dafür sorgen, dass wir die Kommunen so aufstellen, dass sie sich über einen neuen kommunalen Länderfinanzausgleich gegenseitig unterstützen können und eine neue extreme Verschuldung nicht mehr möglich ist, meint Armand Zorn. Er lobt FDP-Finanzminister Christian Lindner, der sich wirklich bemühe, eine Lösung zu finden. Eine Verständigung scheitere aber derzeit an einigen unionsgeführten Bundesländern.

Unterstützung kommt indes aus den Kommunen selbst. Beim Deutschen Kämmerertag hatte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in der vergangenen Woche für ein „Update für den Föderalismus“ und die Einrichtung einer neuen Föderalismuskommission geworben, die sich auch den Finanzbeziehungen widmen solle.

Die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen der Länder wünschen sich ihrerseits eine schnelle Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz, um mit Scholz über den „Deutschlandpakt“ zu sprechen, berichtete das Nachrichtenportal Pioneer am Mittwoch. Auf dieser soll es vor allem um schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren gehen. Eigentlich hatten sich beide Seiten bereits im März darauf geeinigt, einen gemeinsamen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ zu erarbeiten. Passiert ist bisher wenig.

Wie die niedersächsische Staatskanzlei informierte, werden sich in der kommenden Woche die Che­f:in­nen der Staats- und Senatskanzleien bei einer Konferenz in Wilhelmshaven „intensiv mit allen von Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem Deutschland-Pakt aufgerufenen Fragen befassen“. Auch das Kanzleramt werde teilnehmen.

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7 Kommentare

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  • Zentrale Anlaufstellen für ausländische Fachkräfte, einheitliche digitale Standards/Datenschutzverordnungen, stärkeres Eingreifen des Bunds wo Bildungschancen ungleich verteilt sind ...



    Das sind alles gute Vorschläge.



    Aber ich frage mich, warum das nur im Paket mit den ewiggleichen Steuererhöhungswünschen funktionieren soll. Die Reaktion der Schwarzen ist ziemlich absehbar. Und am Ende bleibt alles, wie es ist.



    Erst mal die Punkte angehen, für die man kein zusätzliches Geld braucht. Siehe oben...

  • Abgesehen davon das mal wieder die Erbschaftssteuer- und Dienstwagenprivileg-Sau durchs Dorf getrieben wird, soll man jetzt auch noch auf Steuerzahlerkosten Kommunen, die schlecht gewirtschaftet haben, die Hälfte der Schulden abnehmen.



    Ich weise darauf hin das insbesondere die Kommunen dank dem ach so dollen Förderalismus die Möglichkeit hatten Milliarden an der Börse zu verzocken. Da sind die Kämmerer wie Lemminge irgendwelchen Finanzberatern bei Hochrisiko-Wetten an der Börse hinterhergerannt, weil die Gewinnspannen so hochattraktiv waren.

    Mit der Kirsche auf dem Sahnehäubchen das man per "kommunalem Finanzausgleich" neuen Verschuldungen vorbeugt. Da werden sich Pleite-Städte wie Gelsenkirchen jetzt schon die Hände reiben.

  • Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, den Föderalismus und seine Konsequenzen zu berechnen (16 Bundesländer, alle Abgeordneten incl. deren Zuarbeiter und Gehälter und Pensionen und sonstige Vergünstigungen und dem gegenüber den Kosten-Nutzen Faktor gegenüberstellt, kommt seit deren Bestehen auf minimaler Nutzen aber um so mehr auf zig Milliardenbeträge. Total überflüssig. Hier lob ich mir das französische Modell mit den Departements und Präfekturen und der Nationalversammlungen statt aufgeblähter Bundestag und zig Länderparlamente

  • Das darf als Antwort auf die Fragen nach dem Deutschlandpakt verstanden werden.



    Es ist zu begrüßen, dass der Kanzler eine Initiative aus der Mitte seiner Partei fördert.



    Die Vorschläge sind gut. Es ist auffällig, dass die VertreterInnen der Kommune positiv gestimmt, die CDU Ministerpräsidenten ablehnend reagieren.



    Das zeigt die Diskrepanz zwischen Menschen, die vor Ort Probleme lösen wollen und solchen, die nur in der Lage sind parteipolitisch zu denken.

  • "Die drei Ebenen [Bund, Ländern und Kommunen] müssten besser verzahnt werden, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken."

    Sie SPD scheint nach zwei Jahren endlich entdeckt zu haben das sie das Ministerium für Raumordnung inne hat ( www.bmwsb.bund.de/...wicklung-node.html ).

    Das kommt viel zu spät.

  • Ich lese hier Steuererhöhungen, um v.a. die Kommunen zu unterstützen, die sich in der Vergangenheit zu viel geleistet haben und dadurch Schulden aufweisen.

    Das Dienstwagenprivileg ist gewiss falsch, aber dessen Beseitigung sollte durch Absenkung der allgemeinen Steuersätze auf Einkommen ausgeglichen werden.

  • Wenn Scholz es schaffen würde seinen Laden beisammen zu halten, dann müsste er nicht versuchen die Opposition in die Pflicht zu nehmen.

    Der Aufruf von Scholz zum Deutschlandpakt war nur eines peinlich.